Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Jugendmusikschule klagt über Raumproblem und Unterrichtsverbot
Wunsch: Einzelunterricht in Präsenz sollte zeitgleich mit Schulöffnungen möglich sein – In Bad Waldsee fehlen Räume
- Sinkende Schülerzahlen, digitaler Unterricht, keine eigenen Räume: Die Jugendmusikschule Bad Waldsee hat coronabedingt kein leichtes Jahr hinter sich. Da weiterhin kein Präsenzunterricht erlaubt ist, fehlen zudem eine klare Perspektive sowie ein verlässlicher Wiedereinstiegsplan. Musikschulen, die auch einen Beitrag zur Bildung leisten würden, seien klar benachteiligt, kritisiert Manfred Fuchs, stellvertretender Leiter der Waldseer Jugendmusikschule.
So werde in der Corona-krise im Bereich Bildung eindeutig mit zweierlei Maß gemessen. „Wenn man sagt, dass die Bildung der Jugend wichtig ist, sollte auch die musikalische Bildung beachtet werden, deren Bedeutung ja nicht zu vernachlässigen ist“, erläutert Fuchs, der die langjährige Leitung zuletzt an Ulrich Triebel abgegeben hat, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. So wünsche sich die Jugendmusikschule Bad Waldsee im Sinne der „Gleichbehandlung“, dass Einzelunterricht an Schulen ab dem Zeitpunkt wieder erlaubt wird, an dem auch Schulen wieder in den Präsenzunterricht starten. Die weiterführenden Schulen für die Klassenstufen 5 und 6 haben seit dieser Woche wieder geöffnet. Und auch trotz steigender Corona-zahlen findet auch für die bereits geöffneten Grundschulen einheitlich Präsenzunterricht
statt. Für Musikschulen gilt das nicht. Laut Fuchs darf Einzelunterricht erst wieder angeboten werden, wenn die Sieben-tage-inzidenz an fünf Tagen hintereinander unter 50 liegt.
Warum Musiklehrer keinen Einzelunterricht in einem großen Klassenzimmer geben dürfen, diese Logik versteht Fuchs bei allem Verständnis und Befürworten der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-pandemie beim besten Willen nicht. „Fahrschulen, Tattoo-studios können wieder arbeiten, aber wir dürfen keinen Musikschüler einzeln unterrichten, das macht keinen Sinn.“So habe es seit Ausbruch der Pandemie bisher noch keinen nachgewiesenen Infektionsfall im Zusammenhang mit Musikunterricht gegeben. Zudem könnten beim Musikunterricht der Abstand und die Hygienevorschriften eingehalten werden. Außerdem habe die Jugendmusikschule transparente Trennwände angeschafft.
Auch im vergangenen Jahr habe es nur eine überschaubare Zeitspanne zwischen Sommer und zweitem Lockdown (abzüglich Ferienzeiten) für Einzelpräsenzunterricht gegeben. Ensembleunterricht oder musikalische Frühbildung seien seit Ausbruch der Pandemie nicht möglich – ein „drastischer Ausfall“, wie Fuchs sagt.
Für viele Musiklehrer sei das auch finanziell ein Problem, genauso wie sinkende Schülerzahlen, denn Musiklehrer werden nach der Anzahl an Schülern bezahlt. Wie Fuchs erläutert, habe die Jugendmusikschule Bad Waldsee die Verdienstausfälle bisher durch Kurzarbeitergeld und aus eigenen Mitteln ausgleichen können. Bis in alle Ewigkeiten könne das aber trotz der bislang noch soliden finanziellen Situation der Jugendmusikschule nicht so aufrechterhalten werden. Zusätzlich würden für viele Musiklehrer die zweiten Einnahmequellen wie beispielsweise Konzertauftritte wegfallen.
Zum Stichtag 15. Januar 2021 verzeichnete die Jugendmusikschule einen gravierenden Schülerrückgang. So waren es an genau diesem Tag 50 Schüler weniger als am 15. Januar des Vorjahres. Das Defizit an Gebührenausfällen mache 21 000 Euro aus. Insgesamt hat die Jugendmusikschule derzeit 408 Schüler, wobei zum 31. März einer der beiden möglichen Kündigungstermine pro Jahr anstehe (der zweite ist am 30. September). Coronabedingt komme es zu viel weniger Neuanmeldungen, das sei eindeutig feststellbar.
Da Unterricht nur digital stattfinden könne – und hier habe die Jugendmusikschule alle möglichen digitalen Kanäle sowie in internetarmen Gebieten auf dem Land auch das Telefon genutzt –, steige der Frust bei Schülern, Eltern und Lehrern zunehmend. Zumal die Aussicht auf Einzelunterricht in Präsenz nicht in Sicht sei. Fuchs geht davon aus, dass es vor Ostern in jedem Fall noch nicht wieder erlaubt werde.
Hinzu kommt in Bad Waldsee bekanntlich die unbefriedigende Raumsituation der Jugendmusikschule. „Die Corona-situation hat auf diese Hauptproblematik das Brennglas draufgehalten“, sagt Fuchs. So brauche die Jugendmusikschule künftig dringend eine bestimmte Anzahl an fixen Räumen. Selbst in der kurzen Zeitspanne, als Einzelunterricht wieder möglich war, habe beispielsweise die Garderobe in der Stadthalle als Proberaum herhalten müssen, da Schulgebäude dafür nicht genutzt werden durften. Zusätzlich habe die katholische Kirchengemeinde Räume im Gemeindezentrum zur Verfügung gestellt.
Die ständige Raumsuche bedeute Stress für Lehrer, Eltern und auch die Musikschüler. Neu sei, dass es in der Döchtbühlschule künftig einen konkreten Raum gebe, der nicht mehr gewechselt werden müsse und in dem die Jugendmusikschule den Flügel unterbringen könne. Dennoch bleibt das grundsätzliche Raumproblem, das auch junge Menschen beim Jugendhearing mit Bürgermeister Matthias Henne kritisiert hatten, bestehen. Fuchs betont jedoch, dass es gute und konstruktive Gespräche mit der Stadt dazu gebe, konkrete Zusagen gebe es allerdings noch nicht.