Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Chef der Schweizer Finanzaufsicht soll Bafin-chef werden
(dpa) - Der Chef der Schweizer Finanzaufsicht Finma, Mark Branson, soll neuer Präsident der deutschen Finanzaufsicht Bafin werden. Das teilte das Bundesfinanzministerium am Montag in Berlin mit. Demnach wird der 52 Jahre alte studierte Mathematiker sein neues Amt Mitte des Jahres antreten, nach dpainformation soll er spätestens am 1. August anfangen. Übergangsweise soll der Chef der Bankenaufsicht Raimund Röseler die Bafin leiten, wie es in informierten Kreisen hieß. Die Bafin war zuletzt im Bilanzbetrugsskandal um das frühere Dax-unternehmen Wirecard heftig in die Kritik geraten. „Ich bin hocherfreut, dass es uns gelungen ist, mit Mark Branson einen erfahrenen, international hoch anerkannten Fachmann für die deutsche Finanzaufsicht zu gewinnen“, sagte Finanzminister Olaf Scholz laut Mitteilung. „Mit ihm an der Spitze wollen wir die Reform der Bafin fortsetzen, damit die Finanzaufsicht mehr Biss erhält. Das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland ist wichtig und die Bafin ist ein zentraler Vertrauensfaktor.“
Branson ist seit 2010 bei der Finanzaufsicht der Schweiz und seit 2014 deren Direktor. Vor seiner Tätigkeit für die Finma arbeitete Branson von 1997 bis 2009 bei der Schweizer Großbank UBS.
Der bisherige Bafin-chef Felix Hufeld hatte seinen Posten räumen müssen. Der Skandal um die Wirecard AG habe offenbart, dass die deutsche Finanzaufsicht eine Re-organisation brauche, um ihre Aufsichtsfunktion effektiver erfüllen zu können, hatte Scholz gesagt.
Aber einige Anlegerportale hatten die Bank als sichere und gute Geldanlage empfohlen.
Richtig. Da müssen wir diskutieren, was das für Seiten sind, und ob die nicht Anlageberatung betreiben und dafür dann auch haften müssen. Es hilft wenig zu sagen, dass Kleinanleger nicht zu Schaden gekommen sind, weil die Einlagensicherung zahlt. Am Ende wird die durch solche Fälle überlastet und das System instabil.
Betroffene Kommunen wie die Städte Mengen im Kreis Sigmaringen oder Bad Dürrheim im Schwarzwald haben das Problem, dass sie seit 2017 nicht mehr unter dem Schutzschirm der Einlagensicherung stehen. An welchem Punkt hätten sie mehr Vorsicht walten lassen müssen?
Bei Greensill hätte man erkennen müssen, dass dieses Unternehmen Teil eines internationalen Konglomerats ist, in dem die Machtverhältnisse unklar und die Quellen des Einkommens schleierhaft sind. Es würde mich sehr wundern, wenn die betroffenen Kämmerer tatsächlich verstanden haben, was diese Bank macht. Wenn man das aber nicht versteht, darf man dort auch kein Geld anlegen.
Also haben die Kämmerer zumindest leichtsinnig agiert?
In diesem Sinne ganz gewiss. Das ist im Übrigen auch ein Effekt dieser Niedrigzinspolitik: Dass man mit Rattenfängerei gute Geschäfte machen kann. Genau das ist hier passiert.
Die Rattenfängerei in diesem Fall ist teuer: 50 Kommunen sollen betroffen sein, rund einer halbe Milliarde Euro Steuergelder stehen im Feuer. Wie konnte eine relativ unbekannte Bank das Interesse so vieler Finanzpolitiker wecken?
Das ist wirklich ganz erstaunlich. Es stellt sich die Frage, welche Vermittlungen da gelaufen sind, wer das in den Kommunen vermarktet hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie geguckt haben, wo sie die höchsten Zinsen bekommen – und dann haben sie ohne Rücksicht auf Verluste investiert. Ich sehe bei Anlageentscheidungen im politischen Raum das Problem, dass Risiken, die nur mit einer kleinen Eintrittswahrscheinlichkeit zu einem dann aber sehr großen Schaden führen, gerne vernachlässigt werden. Denn die kleine Wahrscheinlichkeit, dass man deswegen eine Wahl verliert, nimmt man in Kauf. Umgekehrt können die gewählten Entscheider sich dann nämlich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit damit brüsten, besonders toll gewirtschaftet zu haben.
Viele der betroffenen Kommunen argumentieren genau mit niedri
gen oder sogar Minuszinsen. Dagegen hat Greensill immerhin mit kleinen Zinsen gelockt.
Ja, aber das ist Bauernfängerei. Solche Fälle hatten wir in der Vergangenheit häufig: Mit hoher Wahrscheinlichkeit soll ein hoher Zins winken, mit kleiner Wahrscheinlichkeit verliert man dann aber auch sehr viel Geld. Denn auf den Kapitalmärkten steht die Zinsdifferenz eben für ein bestimmtes Risiko. Der Kapitalmarkt macht keine Geschenke. Man geht das Risiko ein – und fällt damit manchmal auf die Nase. Wenn jemand mehr bietet als der Rest, dann hat das einen Grund. Und ehe du diesen Grund nicht verstanden hast, darfst du hier kein Geld anlegen.
Zumal Greensill Kreditforderungen gebündelt, also verbrieft und weiterverkauft hat. Das erinnert an Spekulationen, die zur Finanz- und Wirtschaftskrise geführt hatten. Genau, und wie in der Finanzkrise haben wir auch bei Greensill ein ähnlich gelagertes Problem: Hohe Risiken mussten irgendwo hin – und dafür hat man die Greensill Bank in Deutschland gebaut. Das war gewissermaßen die Müllhalde für die hohen Risiken des Geschäftsmodells.
Einige der Kämmerer argumentieren, dass man das nicht so einfach hätte sehen können. Sie verweisen vor allem darauf, dass Ratingagenturen Greensill gute Noten gegeben haben.
Als Investor von teils zweistelligen Millionenbeträgen darf man sich nicht hinter Ratingagenturen verstecken. Ich will die Ratingagenturen nicht entschuldigen, das hat man schon in der Finanzkrise nicht tun dürfen. Denn sie haben den Markt kontinuierlich mit falschen Informationen versorgt. Aber schon deshalb hätte der Glaube, die Ratingagenturen verkündeten unumstößliche Wahrheiten, auch bei Kämmerern längst einer realistischeren Sicht dieser Institutionen weichen müssen.
Welche Rolle spielt die Finanzaufsicht Bafin? Einige Verantwortliche in den betroffenen Kommunen sagen: Hätte die Bafin gewarnt, dann hätten sie ihr Geld nicht bei Greensill angelegt.
Das ist aus zwei Gründen Unsinn. Zum einen: Hätte die Bafin früher von den tatsächlichen Vorgängen bei Greensill gewusst, dann hätte sie die Bank auch vorher geschlossen. Dann wäre das Geld eben früher weg gewesen. Zweitens: Die Bafin kann ja nicht einige Investoren warnen und andere nicht, damit die gewarnten Investoren noch schnell ihr Geld in Sicherheit bringen, bevor das Kartenhaus zusammenfällt. Das ist eine völlig falsche Vorstellung von der Aufgabe einer Aufsicht. Auch hier fehlen bei manchen Kommunen offenbar grundlegende Kenntnisse, über die man bei der Anlage großer Geldbeträge verfügen sollte.
Aber hätte die Bafin nicht schneller agieren müssen? Immerhin hat die Aufsicht schon vor rund einem Jahr angefangen, sich mit Vorwürfen gegen Greensill zu beschäftigen. Ja, ein Jahr ist viel zu langsam. Wir müssen hier den gleichen Vorwurf machen wie bei Wirecard. Die Bafin ist außerstande, bei Notfällen und drohenden Katastrophen die wichtigsten Fragen in kurzer Zeit zu prüfen. Sie kann mit den Entwicklungen bei den beaufsichtigten Unternehmen nicht Schritt halten. Seit 2018 ist die
Immerhin ist in Zukunft Bafin-beschäftigten verboten, mit Aktien von Unternehmen zu handeln, die der Aufsicht unterstehen.
Aus meiner Sicht war das auch vorher schon verboten. Ich halte es für unsinnig, das jetzt noch einmal in einem Gesetz zu verbieten. Es gehört zu den Aufgaben eines Leiters einer Behörde, solche Insider-probleme zu erkennen und Regelungen dafür zu treffen, dass sie nicht zum Schaden für die Behörde und für die Allgemeinheit werden.
Kommen wir zum Schluss zu den Kommunen zurück. Welche Konsequenzen sollten die dortigen Verantwortlichen aus dem Greensill-debakel ziehen?
Ich denke, dass den Kommunen klar sein muss, dass auch sie den Regeln des Kapitalmarktes unterliegen. Und dazu gehört eben auch die Einsicht: ‚No free lunch‘ – Du bekommst nichts geschenkt! Und wenn sie in der Kommune niemanden haben, der etwas von Kapitalmarkt und Geldanlage versteht, dann müssen sie sich dieses Wissen beschaffen. Und dieses Wissen ist verfügbar, nichts anderes bringen wir an der Universität in finanzwirtschaftlichen Studienfächern unseren Absolventen bei. Man kann nicht – wie vielleicht ein durch die Einlagenversicherung geschützter Kleinanleger – einfach nach dem günstigsten Zins Ausschau halten. Die Kommunen sind, außer durch die Greensill-bank, von niemandem getäuscht oder betrogen worden. Sie haben ihr Geld einfach nur unprofessionell angelegt.