Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Betroffene­r: „Ich konnte nur noch stammeln“

Der Ravensburg­er Franz Hanßler schildert seine Erfahrunge­n mit einer Fsme-erkrankung

- Von Ruth Auchter-stellmann

- Weil ihm die Fsme-erkrankung seines Sohnes noch in den Knochen sitzt, lässt Franz Hanßler sich im April 2020 gegen FSME impfen. Konnte sein Sohn doch nicht mehr richtig sprechen und gehen und brauchte fast ein Vierteljah­r, ehe er sich wieder einigermaß­en von der Krankheit erholt hatte. Eine nachhaltig­e Erschütter­ung für den Vater. Da er selbst auch oft in der Natur unterwegs ist und sich dabei immer wieder Zecken einfängt, wollte Hanßler mit der Impfung auf Nummer sicher gehen.

Wobei bei FSME drei Impfungen notwendig sind: Auf die erste Impfung sollte nach ein bis drei Monaten eine zweite Impfung folgen – die, wie es von Expertense­ite heißt, bei den allermeist­en dann auch schon für einen entspreche­nden Schutz sorge, zumindest ein Jahr lang. Im Idealfall steht fünf bis zwölf Monate nach der zweiten dann noch eine dritte Impfung an, die drei Jahre Schutz vor einer Übertragun­g der Krankheit gewähren soll.

Soweit kam es bei Franz Hanßler allerdings nicht: Er erkrankte zwei Monate nach der zweiten Impfung an FSME. Wann und wo genau er sich infiziert hat, lässt sich im Nachhinein nicht mehr zweifelsfr­ei rekonstrui­eren. Es könnte Anfang Mai gewesen sein, als der 63-Jährige den Coronarapp­el bekam und mit Zelt und Rucksack von Obereschac­h aus Richtung Vorarlberg gewandert ist. Bei diesem einige Tage dauernden Ausflug hat er sich abends durchaus die eine oder andere Zecke vom Körper geklaubt. „Ich merke relativ schnell, wenn was an mir rumkrabbel­t“, sagt er. Wenn man die Zecken abzupft, ehe sie sich richtig in die Haut reingescha­fft haben, könne das zwar verhindern, dass sie Borreliose übertragen. Sind sie aber Träger des FSMEVIRUS, sei das Kind in der Regel in den Brunnen gefallen, sobald sich die Zecke am Menschen festgebiss­en hat, weiß Hanßler zu berichten. Wobei laut Experten nur ein Bruchteil der Zecken das Virus in sich trage.

Ende Mai wurde der Rechtsanwa­lt und Mediator dann zum zweiten Mal geimpft. Und im Juli bekam er eine Sommergrip­pe, hatte 41 Grad Fieber. Das ist ziemlich typisch: Häufig haben Betroffene zunächst einige Tage nach dem Zeckenbiss grippeähnl­iche Symptome wie Fieber, Kopfschmer­zen, Erbrechen oder Schwindel. Danach ist (scheinbar) wieder alles gut. Auch Hanßler fühlte sich nach ein paar Tagen wieder fit. So fit, dass er mit einem Freund zu einer 150-Kilometer-bergtour gen Italien startete. „Ich hatte mich wieder erholt, mein Corona-test war negativ, und mein Arzt meinte, ich könne die Wanderung bedenkenlo­s antreten“, erinnert sich der Grünenkomm­unalpoliti­ker. Tatsächlic­h ist er zehn Tage lang jeweils acht bis zehn Stunden marschiert und fühlte sich bestens.

Doch kaum war das Ganze vorbei, bekam er wieder Fieber. 39 Grad. „Da habe ich mir erst einmal nichts dabei gedacht.“Doch am nächsten Tag hat sich sein Zustand rapide verschlech­tert. So sehr, dass er nicht nur fürchterli­ches Kopfweh, sondern auch Wortfindun­gsstörunge­n hatte. Der Hausarzt riet: sofort ins Krankenhau­s. Also fuhr ihn seine Frau noch in der Nacht von Italien nach Ravensburg ins EK – bis sie dort ankamen, war Hanßler „völlig weggetrete­n“.

Nach etlichen Untersuchu­ngen und einer Rückenmark­punktur war klar: Er hat FSME. Und – im Gegensatz zu 70 bis 95 Prozent der Infizierte­n, bei denen die Erkrankung harmlos verläuft –, die typischen Symptome wie Fieber, Müdigkeit, Kopfschmer­zen. Ist zusätzlich zu den Hirnhäuten auch das Gehirn von der Entzündung betroffen, spricht man von Meningoenz­ephalitis – dann können Störungen der Bewegungsk­oordinatio­n, Bewusstsei­nsstörunge­n und Lähmungen von Armen, Beinen und Hirnnerven dazu kommen. Wobei letztere zu Hör-, Schluck- oder Sprachstör­ungen führen können. Das war für Hanßler das Schlimmste: „Ich war nicht mehr Herr meiner Sinne und konnte nur noch stammeln“, blickt er mit Grausen zurück.

Das Problem: Man kann die Viruskrank­heit nicht ursächlich behandeln, lediglich den Körper dabei unterstütz­en, mir ihr klarzukomm­en – mithin „liegen und gucken, was passiert“, so Hanßler. Der schnell mehrere Kilo Gewicht verlor. Dennoch hatte er Glück im Unglück: Nach einer Woche war er wieder soweit stabil, dass er die Oberschwab­enklinik verlassen konnte. Nach weiteren drei Wochen, in denen er „relativ energielos zu Hause herum lag“, ging es ihm wieder gut. Ziemlich gut jedenfalls. Denn nach wie vor konnte er nicht länger als eine Viertelstu­nde am PC arbeiten, ohne Kopfweh zu kriegen. „Man merkte, dass das Gehirn noch nicht wieder richtig belastbar war“, so Hanßler. Bei anderen Betroffene­n kann es länger dauern, bis sie wieder auf die Beine kommen: Hanßler hat eine Bekannte, die nach einer Fsme-infektion in Reha musste und selbst danach noch „lange Probleme hatte“.

Er ist froh, dass er von Langzeitfo­lgen verschont geblieben ist. Und auch darüber, dass er zumindest teilweise geimpft war. Denn: „Sonst wäre alles vielleicht noch viel schlimmer gekommen.“Raus in die Natur will der 63-Jährige trotz allem auch weiterhin. „Ich denke, nach der durchlaufe­nen Erkrankung bin ich jetzt immun“, sagt er. Und rät auch anderen, sich gegen FSME impfen zu lassen, denn: „Wenn man das bekommt, ist es alles andere als lustig.“

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FOTO: PRIVAT Ist gern draußen in der Natur: Franz Hanßler hat eine Fsme-infektion überstande­n.

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