Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Kommissar Kuntz vor der Beförderung
Vor dem Start der U21-europameisterschaft rückt der ehemalige Nationalspieler in die Favoritenstellung auf das Bundestraineramt
(SID) - Der Bart ist ab. Schließlich weiß Stefan Kuntz, dass ab Mittwoch alle Augen auf ihn gerichtet sein werden. Also hat der Dfb-trainer pünktlich zum Start der U21-EM zum Rasierer gegriffen, um ein Zeichen zu setzen. „Der Bart war ein Coronabart. Und da ich genauso wenig Lust auf Corona habe wie alle anderen, habe ich ihn abgeschnitten“, sagt der 58Jährige über sein frisch poliertes Kinn und grinst.
Gut vorbereitet geht Kuntz aber vor allem als Trainer in das Auftaktspiel gegen Gastgeber Ungarn (21 Uhr/prosieben). Als erster Coach der Dfb-geschichte sitzt er zum dritten Mal bei einer U21-em-endrunde auf der Bank. Weil er bislang immer ins Finale vorstieß und 2017 sogar den Titel holte, ist die Wertschätzung ihm gegenüber enorm.
Kein Wunder also, dass sein Name bei der Suche nach dem Nachfolger von Bundestrainer Joachim Löw immer wieder genannt wird. Berti Vogts ging schließlich 1990 denselben Weg von der U21 eine Etage höher. Und geht es nach Dfb-direktor Oliver Bierhoff, ist eine Beförderung von Kuntz keineswegs ausgeschlossen – im Gegenteil. „Ich habe wirklich keine Eile“, sagte Bierhoff am Montag über die Suche nach einem Erben für Löw, „weil wir Dfb-intern eine gute Lösung haben.“Ein Nachfolger aus dem eigenen Stall? Das, betonte Bierhoff, sei doch „immer“das Ziel des Verbandes. Es war ein kleiner Paukenschlag am Rande des Treffens der
A-nationalmannschaft in Düsseldorf zum Start der Wm-qualifikation, der plötzlich Stefan Kuntz in die Pole Position für den Bundestrainerposten schob.
Der Ex-nationalspieler fühlt sich geehrt, dass sein Name gehandelt werde, mache ihn „stolz“, sagt er. Gerne zitiert er in dieser Frage aber auch seine verstorbene Großmutter: „Die hat gesagt: Alles hat seine Zeit. Und jetzt hat meine U21 absolut Vorrang“. Sein Credo: „Wenn ich mit meinen Gedanken woanders wäre, könnte ich nicht in den Spiegel schauen.“
Ein klares Nein klingt dennoch anders. Vor allem, wenn Kuntz erklärt, man könne „über andere Sachen reden oder nachdenken, wenn das Turnier vorbei“sei. Und weil Topkandidat Hansi Flick von Bayern Münchens Vorstandsboss Karl-heinz Rummenigge jüngst eine „Dfb-verbot“erhielt, bleibt das Thema Kuntz ein heißes – ob er will oder nicht. Eine starke EM könnte somit schnell zum Bewerbungsschreiben werden.
Es wäre ein unverhoffter Aufstieg, denn schon der Job bei der U21 kam für den gelernten Polizisten Kuntz 2016 überraschend. Eigentlich war Marcus Sorg als Nachfolger von Horst Hrubesch vorgesehen, Sorg stieg jedoch ins Löw-team auf. Also