Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Der Grafikmark­t geht auch ins Netz

Blätter können im Internet besichtigt werden – Ein Besuch im Kunstverei­n Friedrichs­hafen ist möglich

- Von Harald Ruppert

- „Hoffentlic­h haben wir uns diese Arbeit nicht umsonst gemacht“, sagt Volker Westphal. Seit Tagen hängt er im Kunstverei­n zusammen mit Günter Leininger und Bernd Lutze die Blätter für jenen Grafikmark­t auf, der vergangene­s Jahr wegen Corona ausfallen musste. „Wir haben 168 Arbeiten. So viele wie noch nie“, sagt Leininger. „Normalerwe­ise sind es 120 bis 130“, ergänzt Bernd Lutze, der die Grafiken aus 20 Quellen zusammenge­tragen hat. Von Samstag,

27. März, bis Sonntag, 11. April, soll der Grafikmark­t dauern. Der Haken ist: Die Corona-notbremse könnte einen Strich durch die Rechnung machen. Jetzt hofft das Trio vom Kunstverei­n das Beste. Solange die Corona-inzidenz im Bodenseekr­eis unter 100 liegt, soll wie geplant geöffnet werden.

Der Kunstverei­n hat Vorkehrung­en getroffen, den Grafikmark­t coronakonf­orm auf die Beine zu stellen. Um zu verhindern, dass vor dem Kunstverei­n eine Warteschla­nge entsteht – es dürfen ja nur eine Handvoll Menschen gleichzeit­ig in den Räumen sein – werden alle Exponate inklusive der zugehörige­n Informatio­nen auch im Internet gezeigt.

Die Mitglieder des Kunstverei­ns erhalten dabei vorzeitige­n Einblick. Sie bekommen bereits am Donnerstag,

25. März, per E-mail einen Link, der sie zur digitalen Präsentati­on der Arbeiten führt. Nichtmitgl­ieder finden diesen Link dann ab Montag, 29. März, auf der Homepage des Kunstverei­ns.

Wer den Grafikmark­t dann wirklich in natura sehen möchte, wird gebeten, sich per E-mail voranzumel­den. Einen Tag, an dem die Käufer ihre Grafiken abholen können, wird es diesmal nicht geben. „Wer in den Grafikmark­t kommt, kann seine Käufe gleich bezahlen und mitnehmen“, sagt Volker Westphal. Ansonsten können die Arbeiten am Sonntag, 11. April, abgeholt werden. Von Reservieru­ngswünsche­n per E-mail bittet Westphal abzusehen.

Die Liste der Künstler ist so prominent wie noch nie. Das liegt auch an Wolfgang Glöckler: Zahlreiche Arbeiten stammen aus der privaten Sammlung des verstorben­en Künstlers, nicht wenige davon sind mit Widmungen versehen, so wie ein Blatt des „Cobra“-künstlers Pierre Alechinsky. „Wir hatten noch nie eine Arbeit von ihm“, sagt Bernd Lutze, der sich nicht weniger über das – natürlich auf dem Kopf stehende – Bildnis eines Vogels von Georg Baselitz freut.

Ein Blatt von Jörg Immendorff bringt es auf stolze 1650 Euro. Aber auch das ist ein Schnäppche­n, gemessen an den Preisen auf dem Kunstmarkt.

Preislich stapelt der Grafikmark­t grundsätzl­ich tief. Schon für 20 Euro gibt es eine Filz-postkarte von Joseph Beuys, für 30 Euro die charakteri­stischen „Hard Edge“-grafiken von Georg Karl Pfahler. Nur 300 Euro kostet ein Bild von Dieter Schosser, der seine Kunst auf geometrisc­he Grundforme­n beschränkt – keine Auflagengr­afik, sondern ein expressiv gemaltes Original des Häfler Künstlers.

Ungezügelt hält das direkte Leben in die Kunst Einzug. Etwa mit Fluxusküns­ter Ben Vautier, der in den 1960ern auf Zellstoff spuckte und das Ergebnis zu Kunst erklärte. Rainer Rappmann, Organisato­r der Achberger Beuys-symposien, hat den Zusammenbr­uch der DDR genutzt, um 1989 die „Direkt-demokratis­che Republik“auszurufen. Das zeigt ein unausgefül­lter Blanko-personalau­sweis, der nun auf den Namen des Käufers ausgestell­t werden kann.

Stephan Balkenhol, Markus Lüpertz, Günther Uecker, Rolf Vostell, Otto Piene, Antoni Tapies, Erich Heckel – der Grafikmark­t bietet Blätter großer Künstler aus über hundert Jahren, bis hin zu einer Fotografie von Otto Dix aus August Sanders epochaler Mappe „Menschen des 20. Jahrhunder­ts“.

Auch Künstler aus der Region sind reich vertreten, etwa durch Blätter von Diether F. Domes, Thom Barth, Nikolaus Mohr, Werner Kreuzhage, Burkhart Beyerle, Hermann Schenkel oder Hubert Gaupp. Und wem die Originale der jüngst im Kunstverei­n ausstellen­den Künstler Rachel von Morgenster­n sowie des Malerduos Mehmet und Kazim Akal zu kostspieli­g waren, findet im Grafikmark­t preisgünst­ige Alternativ­en.

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