Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Großer Macher, großer Mäzen
Vor 20 Jahren starb der Unternehmer Friedrich Schiedel – In den Stiftungen lebt er weiter
- Vom oberschwäbischen Bauernbub zum führenden Kaminfabrikanten Europas – an der Wiege war das dem kleinen Friedrich Schiedel nicht gesungen worden, als er 1913 im Weiler Baierz bei Bad Wurzach auf die Welt kam.
Eine solche steile Karriere ist schon außergewöhnlich genug. Aber für diesen dynamischen Selfmademan der Nachkriegszeit zählte nicht nur die Vermehrung seines Vermögens. Schon früh verband er den wachsenden wirtschaftlichen Erfolg mit großherzigem Mäzenatentum.
Er rief ebenso hochdotierte Stiftungen für die Wissenschaft ins Leben wie für soziale Belange, er stiftete bedeutende kulturelle Preise von regionalem und überregionalem Rang, und als stets ansprechbarer Wohltäter ist der vielfach ausgezeichnete Senator in seiner Heimat unvergessen. Am Sonntag, 28. März, wird dankbar seines 20. Todestages gedacht.
Auf seinen legendären Start nach dem Krieg war Friedrich Schiedel immer stolz: Mit gerade mal zwei Schaufeln und einem Schubkarren – alles geliehen – entschloss er sich 1946, in einem Schuppen in Erbach bei Ulm einen Baustoffhandel aufzuziehen.
Hinter ihm lag damals ein nicht untypischer Lebenslauf jener Zeit: Aufgewachsen auf einem Kleinbauernhof, ging der aufgeweckte Bursche zunächst in die Volksschule von Hauerz, besuchte dann die Gymnasien in Ulm, später in Ellwangen. Zunächst wollte er sich in Richtung Gartenbau/landwirtschaft orientieren, dann aber zog es ihn zum Bauingenieur-studium.
1938 heiratete er, noch im selben Jahr wurde Tochter Christine geboren – und dann kam der Krieg. Die ersten Jahre verbrachte Schiedel bei der Organisation Todt, die für Baumaßnahmen im Dienst der Wehrmacht zuständig war. 1942 wurde er dann für den Rest des Krieges als Luftwaffensoldat an die Front geschickt.
Wie unzählige Heimkehrer musste sich auch Schiedel 1945 entscheiden, wie es weiter gehen sollte. Und er dachte in die richtige Richtung: Millionen Deutsche waren durch die Bombardierung ihrer Städte obdachlos geworden, dazu kamen die riesigen Flüchtlingsströme aus dem Osten. So fehlte überall Wohnraum. Zerstörte
Häuser mussten renoviert, aber vor allem zigtausende neu hochgezogen werden. Hier sah der vive Oberschwabe seine Chance, hier packte er mit an – und wie!
Zuerst fertigte er in Erbach Bausteine aller Art, spezialisierte sich aber bald auf Kamine. Der große Durchbruch gelang, als er in den frühen 1950ern bei einem Bauprojekt mit 250 Häusern in der Ravensburger Südstadt einsteigen konnte. Ab 1952 produzierte er in München, 1961 brachte er einen revolutionären doppelwandigen Rundkamin auf den Markt, der als „Schiedel-kamin“fortan ein Markenzeichen in der Branche war – und ein Verkaufsschlager. Produktionsstätte um Produktionsstätte kam hinzu, nach 1966 auch in Österreich.
Als der 1971 von der Technischen Hochschule zum Ehrensenator ernannte Schiedel schließlich sein Baustoff-imperium mit 17 Fabriken, fünf Großlägern und 400 Mitarbeitern 1990/91 an die Braas-gruppe verkaufte, lag der Jahresumsatz bei 150 Millionen DM. Heute gehört Braas zur Monier Group, dem weltweit agierenden Branchenführer, aber der Name Schiedel hat weiterhin Bestand.
Sicher ist dieser rasante Aufstieg zum Teil durch den Bauboom der Nachkriegsjahre erklärbar. Allerdings brauchte es dazu auch einen intelligenten Macher wie Schiedel, gesegnet mit strategischem Geschick, enormem Fleiß, nimmermüdem Elan, sturem Durchsetzungsvermögen – und nicht zuletzt knallhartem Geschäftssinn.
Dass dann aber noch in sehr hohem Maße Gemeinsinn hinzukam, hebt ihn doch aus der Schar der Industriekapitäne jener Zeit heraus. Mag er manchmal auch ein herrischer Mensch gewesen sein, ein guter Mensch war er ebenso. „Ich danke Gott, dass meine Familie genug hat“, erklärte er einmal. „Somit kann ich andere an meinem Vermögen teilhaben lassen.“Und das tat er dann in außergewöhnlicher Weise.
Schon als Kind war Schiedel ein Büchernarr, und er blieb es zeitlebens, vor allem gepolt auf historische Werke. So verwundert es nicht, dass er 1982 als erstes Stiftungsprojekt den bis heute weit über die Region hinaus strahlenden, mit 10 000 Euro dotierten „Friedrich-schiedel-literaturpreis seiner Heimatstadt Bad Wurzach auslobte, zu dessen Trägern unter anderem Helmut Schmidt, Golo Mann, Hilde Spiel, Martin Walser und Joachim Fest zählen.
Und seine letzte Stiftung von 1999, der ebenfalls mit 10 000 Euro dotierte Friedrich-schiedel-wissenschaftspreis, wird seither für Verdienste um die Erforschung der Geschichte Oberschwaben verliehen. Dazwischen hatte Schiedel 1982 mit der in Wien ins Leben gerufenen „Stiftung für Energietechnik“seinen engen Verbindungen zu Österreich Rechnung getragen.
Sein wichtigstes Stiftungsprojekt war allerdings die 1986 gestartete „Friedrich-schiedel-stiftung für Wissenschaft und Forschung und Förderung sozialer Aufgaben in seiner Heimat“. Begonnen wurde mit einem Stiftungsvermögen von einer Million DM. Mehrmals aufgestockt liegt es heute bei einer Summe im stattlichen zweistelligen Millionenbereich, und die jährliche Fördersumme liegt bei rund 800 000 Euro.
Durch diesen enormen Anstieg konnten im Lauf der Jahre weitreichende Projekte angegangen werden, und zwar gemäß der schon im Titel anklingenden Doppelstrategie. So wurden zum einen Lehrstühle an der TU München eingerichtet, befristete Wissenschaftspreise gestiftet und Forschungsvorhaben am Klinikum rechts der Isar unterstützt.
Zum anderen bedachte man viele soziale Projekte mit starkem Heimatbezug.
Gefördert wurden Kindergärten in Dietmanns, Bad Wurzach, Leutkirch und Bad Waldsee. Oder aber die Stiftung gab den Anstoß für eine Aktion, die Wohnraum für Alleinerziehende in Wangen und Isny schuf. Seit Jahren läuft die Begabtenförderung am Bad Wurzacher Salvatorkolleg, gerade abgeschlossen wurde ein Förderprogramm für junge Geflüchtete in Zusammenarbeit mit der IHK Ravensburg.
Bestens eingespielt ist seit Jahren die Aktion „Herz und Gemüt“, die in Kooperation mit dem Landkreis ältere Menschen in Wangen, Isny, Leutkirch und Bad Wurzach betreut. „Mobile Tafel“und „Licht für die Alten“sind weitere spezielle Bad Wurzacher Aktionen. Die vor allem auf Schiedels Heimatkreis zugeschnittenen Projekte fanden nach dem Tod des Senators 2001 eine unermüdliche Fürsprecherin in seiner Tochter Christine Schiedel, bis dann 2012 auch ihr Leben zu Ende ging.
Bei Schiedels imposanter Beerdigung in Bad Wurzach trug ein Junge dem Sarg voran ein Kissen mit seinen Orden und Ehrenzeichen: Bundesverdienstkreuz I. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Österreich, Großes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, Verdienstmedaille des Landes Baden-württemberg, Bayerischer Verdienstorden…
In seiner Heimat ist er auch ohne diese Ehrbezeugungen unvergessen: als charmanter Grandseigneur wie als leutseliger Oberschwabe, als weltläufiger Industrieller wie als heimatverbundener Blutreiter – und vor allem als Gönner von höchsten Graden.