Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Glühende Plädoyers für Systemumstellung
Gelbe Säcke: Ravensburger OB schreibt an alle Bürgermeisterkollegen – Sz-leser sind für Abholsystem
(vin) - Die Wogen um die Gelben Säcke schlagen vor der Kreistagsentscheidung am Dienstag hoch. Wie berichtet, entscheidet das Gremium in seiner Sitzung per Videokonferenz ab 14.30 Uhr, ob die Leichtverpackungen mit dem Grünen Punkt im Kreis Ravensburg ab 2022 daheim abgeholt werden oder weiter zum Wertstoffhof gebracht werden müssen. Die Diskussion darüber wird bereits seit über zehn Jahren geführt. Ein gemeinsamer Antrag der Kreistagsfraktionen von Grünen, Freien Wählern, SPD und ÖDP spricht sich dafür aus, im Wesentlichen alles so zu lassen, wie es ist, obwohl die Kreisverwaltung eine Systemumstellung vorschlägt. Aber offenbar sind die Reihen dieser Fraktionen auch nicht geschlossen, wie eine Stellungnahme der Ravensburger SPD zeigt.
Die Vorsitzende des Ravensburger Spd-ortsverbandes, Heike Engelhardt, wendet sich energisch gegen den von der Kreistags-spd unterzeichneten Antrag: „Gebieten Sie diesem unökologischen und ungerechten Mülltourismus Einhalt!“Weiter schreibt Engelhardt: „Der Mülltourismus mit dem Auto an die Abholstellen oder direkt zum Entsorger in der Bleicherstraße mutet doch um so grotesker an, als wir gemeindeübergreifend gebetsmühlenhaft betonen, uns für den Klimaschutz einzusetzen.“Nicht zuletzt deshalb vertritt die Sozialdemokratin die Ansicht, dass alle aufgefordert seien, Plastikmüll zu vermeiden und dies bereits beim Einkaufsverhalten zu bedenken. Wo er aber anfalle, wolle die überwiegende Mehrheit der Bürger im Kreis Ravensburg, dass auch ihr Müll aus Plastik abgeholt wird. Dies sei auch erklärter Wille der Seniorenräte und Behindertenverbände, mit denen sich die Genossen solidarisch zeigen sollten, so Engelhardt.
Der Ravensburger Oberbürgermeister Daniel Rapp, der für die CDU im Kreistag sitzt, hat am Freitagabend noch alle Bürgermeisterkollegen im Landkreis angemailt und sich ebenfalls für die Umstellung auf das Holsystem starkgemacht. Dass die Säcke abgeholt werden, sei überall in Deutschland Standard. „Es ist nicht nur ein bürgerfreundlicher, komfortabler Service, der auch sozial geboten ist für die vielen älteren Menschen oder Menschen mit Behinderung. Es ist vor allem auch viel klimaschonender, als wenn jeder einzeln seinen Sack mit seinem Auto (wer eins hat...) herumfährt. Und dieser deutschlandweite Service wird außerdem von den Menschen im Landkreis Ravensburg über den ‚Grünen Punkt‘ seit Jahren ohne Gegenleistung mitfinanziert.“Es sei also aus Bürgersicht und sozial geboten umzustellen.
Einer der Befürworter der alten Regelung, der Wangener Oberbürgermeister Michael Lang (Freie Wähler), hat Rapp geantwortet. Zwar räumt er ein, dass das jetzige System auch in Wangen nicht beliebt sei. Aber: „Wir sollten unabhängig vom Bürger/innen-votum nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden!“Lang glaubt, dass die Bürger mehr Plastikverpackungen kaufen würden, wenn diese komfortabel vor der
Haustür abgeholt werden. „Eine Strategie für Müllvermeidung kann man hinter der Einführung der Gelben Tonne nicht leicht erkennen.“
Das wiederum kontert Rapp wie folgt: „Niemand kauft mehr Verpackungen, nur weil sie dann später abgeholt werden.“Die Einführung eines Holsystems würde die Recyclingquote seines Erachtens erhöhen, meint der Ravensburger Oberbürgermeister: „Denn vielen ist es derzeit zu umständlich – und sie schmeißen einfach alles in den Restmüll.“
Bei einer Online-umfrage der „Schwäbischen Zeitung“haben sich am Wochenende 644 Leser beteiligt. Auf die Frage: „Gelben Sack selbst bringen oder abholen lassen?“sprachen sich 18 Prozent für das Selbstbringen
aus, eine überwältigende Mehrheit von 72 Prozent war jedoch für die Systemumstellung, zehn Prozent sind unschlüssig.
Die Kreistagssitzung am Dienstag, 30. März, findet aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens als Videokonferenz statt. Interessierte können die Sitzung im Landratsamt Ravensburg, Außenstelle Weingarten, Jobcenter Raum 009, Sauterleutestraße 34 in Weingarten, ab 14.30 Uhr per Livestream verfolgen. Es besteht die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske (OP oder FFP2) – auch am Platz. Ein geeignetes Distanzierungskonzept wird angewendet.