Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Gleichmacherei funktioniert nicht“
Bürgermeisterin Alexandra Scherer spricht über Bauen und Erinnerungskultur – und hat einen Wunsch
- Dass Baugebiete auch künftig einfacher ausgewiesen werden können, begrüßt Bad Wurzachs Bürgermeisterin Alexandra Scherer (CDU). Im Gespräch mit Steffen Lang geht es außerdem um die Eigenheimdebatte, die Erinnerungskultur und darum, was sich die Bürgermeisterin von der neuen Landesregierung wünscht.
Frau Scherer, zuletzt trat Anton Hofreiter von den Grünen die sogenannte Einfamilienhaus-debatte los. Wie stehen Sie dazu?
Alexandra Scherer: Man muss den Grünen zumindest zugute halten, dass sie vor den Wahlen sagen, was sie vorhaben. Aber hier muss klar zwischen der Situation in Ballungsräumen und der im ländlichen Raum unterschieden werden. Eine Gleichmacherei funktioniert bei diesem Thema nicht. Bei uns gibt es vielfach den Wunsch nach dem eigenen Heim und damit einer Struktur, in der man nicht anonym nebeneinander lebt, sondern sich einander in der Nachbarschaft kennt.
Aber ganz unrecht hat Hofreiter natürlich nicht mit seiner Kritik am Flächenverbrauch, oder?
Natürlich erkennen auch wir, dass sich Dinge ändern. Und wir reagieren auch darauf. Früher waren zum Beispiel Baugrundstücke unter 800 Quadratmetern fast nicht zu verkaufen, heute werden auch 600 Quadratmeter und sogar kleiner nachgefragt und von uns angeboten. Und in unseren Baugebieten ist immer auch Geschosswohnungsbau, also Mehrfamilienhäuser, vorgesehen, und auch das findet Interessenten. Dagegen will bei uns kaum noch jemand, so meine Erfahrung, Reihenhäuser.
Mehrfamilienhäuser spielen aber immer noch eine untergeordnete Rolle in neuen Baugebieten. In Arnach ist gerade mal ein Grundstück von 28 dafür ausgewiesen.
Da ist richtig, aber man muss ja auch immer schauen, wie der Bestand aussieht, an den man das Baugebiet anschließt. In Ziegelbach, einem anderen aktuellen Verfahren, haben wir zwei Mehrfamilienhäuser einplanen können. Und es werden sicherlich in Zukunft in neuen Baugebieten mehr werden, denn die Nachfrage ist ebenso da wie die Investoren, die diese Häuser bauen.
Noch einmal zu Arnach als Beispiel: Dort musste andererseits die Höhe des Mehrfamilienhauses von
vier auf drei Geschosse verringert werden, weil Anwohner die ursprüngliche Höhe kritisiert hatten. Ja, da stellt sich eben die angesprochene Frage nach dem Bestand in der Umgebung. Wenn dort alle Häuser maximal 1,5 Geschosse haben, gibt’s Probleme mit der Akzeptanz von zweigeschossigen und höheren Gebäuden in direkter Umgebung. Das gilt in neuen Baugebieten ebenso wie bei Nachverdichtungen, wie die Diskussionen auf dem Gottesberg gezeigt haben. Letztlich läuft es dann immer auf einen Kompromiss hinaus.
Der Paragraf 13b Baugesetzbuch machte zuletzt die Ausweisung neuer Baugebiete für Kommunen einfacher. Als zeitlich beschränkte Maßnahme zur Behebung der Wohnungsknappheit gedacht, soll er nun dauerhaft verankert werden. Das ist nicht unumstritten. Der große Vorteil ist, dass wir als Kommune mit dem 13b keinen Flächenausgleich machen müssen. Das ist in meinen Augen ein gutes Verfahren, denn diese Ausgleichsflächen würden wir ja zusätzlich der Landwirtschaft entziehen. Wir als Stadt wollen stattdessen in den Baugebieten selbst zum Beispiel durch sogenannte Pflanzgebotsflächen, die ja nichts anderes sind als Bauverbotsflächen, für einen ökologischen Ausgleich sorgen. Das ist meiner
Meinung nach sinnvoller, und daher bin ich froh, wenn der 13b dauerhaft kommt. Unberührt bleibt die Beteiligung der Öffentlichkeit. Sie ist uns auch wichtig.
Bad Wurzach hat den Paragrafen in den vergangenen Jahren gut genutzt.
Wir haben neun Baugebiete nach 13b auf den Weg gebracht. Drei davon sind abgeschlossen, vier haben Planreife. Das klingt nach viel, doch wir haben eben eine Kernstadt und neun Ortschaften. Wir weisen ja Baugebiete nicht zum Vergnügen aus, sondern weil unsere jungen Menschen hier, in ihrem Ort, bleiben wollen. Das wollen wir ihnen ermöglichen. Dabei sind wir stets darauf bedacht, die Bauplätze gedrosselt zu verkaufen, damit eine homogene Einwohnerschaft entsteht.
Immer mehr Kommunen schreiben für ihre Baugebiete Pv-anlagen vor und verbieten gleichzeitig Steingärten. Ist das auch für Bad Wurzach eine Option? In Arnach sind ja Pv-anlagen auf den Dächern bereits in den Bauvorschriften verankert.
Ja, Photovoltaik-anlagen sind uns als Kommune mit dem Europeanenergy-award sehr wichtig. In Wohn- und in Gewerbegebieten gleichermaßen. Das rührt auch daher, dass bei uns auf vielen unserer
Flächen Erneuerbare-energieanlagen nicht möglich sind. Wie strikt wir künftig Pv-anlagen vorschreiben, werden wir bald im Gemeinderat thematisieren. Dann wird es auch um Steingärten gehen und wie wir uns generell Baugebiete vorstellen. Man muss bei all diesen Fragen aber aufpassen, dass wir den Menschen nicht zu viel vorschreiben.
In Stuttgart laufen derzeit die Gespräche über die künftige Regierung. Was wünschen Sie sich als Bürgermeisterin, was als Cdu-politikerin?
Als Bürgermeisterin hoffe ich einfach nur auf eine weiterhin gute Unterstützung durch unsere zwei Landtagsabgeordneten.
Persönlich wünsche ich mir, dass die Landesregierung, egal aus welchen Parteien sie besteht, das Konnexitätsprinzip mehr berücksichtigt. Anders ausgedrückt: Wer zahlt, sagt an, aber wer ansagt, muss auch zahlen. Mein Wunsch ist auch, dass Dinge eindeutig entschieden und nicht an die Kommunen abgeschoben werden.
Können Sie ein Beispiel nennen, wie Sie das meinen?
Nehmen wir die Windenergie. Es gibt eine klare, gesetzlich festgeschriebene Abstandsregel. Da kann in meinen Augen dann nicht plötzlich der Minister, der genau diese Regel immer propagiert hat, kommen und in Interviews eine Öffnungsklausel in den Raum stellen. Damit gibt er den Schwarzen Peter an die Kommunen weiter. So kann es nicht laufen.
Die „Schwäbische Zeitung“hat kürzlich einen Artikel von Gisela Rothenhäusler über Clemens Högg veröffentlicht. Darin kritisierte sie auch, dass er in seiner Heimatstadt ganz vergessen sei, während in Augsburg und Neuulm sein Andenken hochgehalten wird. In „Wikipedia“werden noch einige weitere solcher Persönlichkeiten aus Wurzach aufgelistet. Fehlt da in der Stadt etwas das Geschichtsbewusstsein?
Das ist sicherlich ein Thema, das aufgegriffen werden kann. Ganz ehrlich, ich hatte Clemens Högg bis dahin auch nicht auf dem Schirm. Das liegt vielleicht auch daran, dass er wie viele dieser Persönlichkeiten nicht hier vor Ort gewirkt hat. Einen Bezug herzustellen, ist daher oft schwierig. Allein das Geburtshaus zu suchen und dort eine Tafel anzubringen, kann’s ja nicht sein. Diese Menschen müssen ins öffentliche Bewusstsein rücken, und so etwas muss von innen wachsen. Ich bin daher froh und dankbar, dass Gisela Rothenhäusler solche Artikel schreibt. Grundsätzlich wäre es toll, wenn sich da mehr Einheimische aus der Stadt und den Ortschaften einbringen würden.