Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Das Meiste ist Schrott“auf der Bodenseegürtelbahn
Regionalverbandsdirektor macht wenig Hoffnung auf gewünschten Ausbaustandard und Halb-stunden-takt
- Der Ausbau und die Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn ist eine zähe Angelegenheit. In seiner ersten öffentlichen Sitzung des Kreistags in der Ludwigroos-halle in Ettenkirch gab es dazu vorwiegend Unerfreuliches zu berichten. Trotz verbesserter Förderbedingungen durch Bund und Land könnten der Bodenseekreis und der Landkreis Konstanz auf Planungskosten von 57,4 beziehungsweise 70,7 Millionen Euro sitzen bleiben. Der Interessenverband Bodenseegürtelbahn und die Kreisverwaltung wurden beauftragt, Gespräche mit Bund und Land zu führen, um den kommunalen Anteil deutlich zu reduzieren.
Dass die Realisierung dieses Schienenprojektes deutlich schwieriger ist als die Elektrifizierung der Südbahn, machte der Direktor des Regionalverbands Bodensee-oberschwaben, Wilfried Franke, deutlich. Als Geschäftsführer des Interessenverbands Bodenseegürtelbahn hat er tiefen Einblick in das komplizierte Planungsverfahren. Die erste von neun Leistungsphasen sei abgearbeitet, in die zweite sei man eingestiegen. Dabei habe sich gezeigt, dass die Kosten beträchtlich seien.
„Das Meiste ist Schrott“, sagte Franke mit Blick auf den Zustand der mehr als 100 Jahre alten Bahnstrecke. Der große Unterschied zur 170 Jahre alten Südbahn, die ab Ende des Jahres unter Strom fährt, sei die Eingleisigkeit. Die Kapazität sei dadurch von vornherein beschränkt. Um den gewünschten Halb-stunden-takt zu realisieren, sei eine durchgängige Zweigleisigkeit der Strecke erforderlich. Durch diesen Mehraufwand für die Infrastruktur bestehe die Gefahr, dass eine Wirtschaftlichkeit nicht mehr darstellbar sei, warnte Franke. „Das geht nur, wenn Bund und Land die Förderpolitik anpassen“, sagte der Verbandsdirektor.
In einem umfangreichen Antrag erinnerte die Spd-fraktion an die „dringend notwendige Verkehrswende“, zu der die Bodenseeregion mit diesem Projekt ihren Beitrag leisten könne. Wie auf der Südbahn und der Hochrheinbahn müsse auf der Bodenseegürtelbahn ein zuverlässiger Halbstunden-takt möglich sein, und zwar ohne große Zeitverluste an den Knotenbahnhöfen Radolfzell, Singen und Friedrichshafen, sagte Britta Wagner (SPD). Ferner müsse der Taktfahrplan der Gürtelbahn in einen Baden-württemberg-takt und in den Deutschlandtakt integrierbar sein. Am Geld dürfe es nicht scheitern. Die geschätzten Kosten für die 60 km lange Strecke betrage etwa vier Prozent der Kosten für Stuttgart 21. „Das für die Region so wichtige Projekt ist uns das Geld wert“, sagte die Spd-kreisrätin. Landrat Lothar Wölfle steht hinter den von der SPD vorgetragene Forderungen, sieht aber wie Franke die Gefahr, dass durch die Kostensteigerungen die Grundvoraussetzungen für die Finanzierung durch Bund und Land wegfallen. „Wir müssen Dinge planen, die machbar sind“, sagte Henrik Wengert (FW). „Gleichzeitig müssen wir auf Bund und Land Druck machen, um die Förderkriterien zu verbessern.“
Die Sache sei schwierig, sagte Georg Riedmann (CDU). Für den Markdorfer Bürgermeister sei es aber nicht akzeptabel, dass sich der Verkehr auf der Bodenseegürtelbahn durch die Elektrifizierung der Südbahn verschlechtert. Doch genau das drohe laut Franke ab Dezember. Die AFD macht sich die Sache einfach: „Der Ausbau der Schiene ist Sache des Bundes“, sagte Christoph Högel. Martin Hahn (Grüne), dem der Landrat zur erfolgreichen Wiederwahl in den Landtag gratulierte, sieht die Sache eher entspannt. „Die neue Koalition wird die Sache auf die Reihe bringen“, versicherte er.