Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Riester-rente steht vor dem Aus
Wenn der Garantiezins sinkt, können Anbieter die Beitragszusagen nicht mehr einhalten
- Eine kleine gesetzliche Änderung sorgt für Wirbel. Das Bundesfinanzministerium (BMF) will den Garantiezins bei Lebensversicherungen vom 1. Januar 2022 an absenken. Statt bisher 0,9 Prozent dürfen die Anbieter ihren Kunden nur noch 0,25 Prozent zusagen. „Die Anpassung leistet einen wichtigen Beitrag, im Interesse der Versicherten die langfristige Stabilität der Lebensversicherung zu unterstützen“, erläutert eine Sprecherin des BMF. Die Verordnung dazu werde in den nächsten Tagen veröffentlicht. Damit reagiert das Ministerium auf die anhaltende Niedrigzinsphase. Zuletzt wurde der sogenannte Höchstrechnungszins 2017 abgesenkt.
Doch diesmal hat die Änderung wohl weitreichende Folgen, vor allem für die Kunden mit Riester-verträgen. Das befürchtet der Bund der Versicherten (BDV). Die Senkung wirke sich auch auf bestehende Rentenversicherungsverträge aus. „Die Konsequenzen sind fatal“, sagt Bdvsprecher Axel Kleinlein. Bei vielen Riester- und Rürup-produkten würden die zukünftigen Renten nach dem neuen Garantiezins festgelegt. „Wir rechnen mit Rentenkürzungen im zweistelligen Prozentbereich“, warnt der Experte. Außerdem müssten junge Leute für die gleiche garantierte Rente künftig etwa 30 Prozent mehr bezahlen. Nebenbei würden auch die Provisionen für die Verträge in diesem Maße steigen. Der BDV fordert daher einen Provisionsdeckel für alle Verträge. Das Finanzministerium wollte sich auf Anfrage zu den Auswirkungen auf die Riesterrente nicht äußern.
Kleinlein zufolge ist die Kürzungsmöglichkeit oft mit „maximaler Intransparenz“im Kleingedruckten der Verträge enthalten. Dagegen sieht der BDV nur ein Mittel. Der Verband will, dass der Zwang, das Ersparte im Alter in Form einer Rente auszuzahlen, aufgehoben wird.
„Dann müssten sich die Versicherer erstmals im Wettbewerb beweisen, und wir könnten bessere Renten erwarten“, glaubt Kleinlein.
Die Branche läuft aus ganz anderen Gründen Sturm gegen die Verordnung. „Dies brächte das faktische Aus für die Riester-rente und andere Altersvorsorgeprodukte mit Beitragsgarantie“, warnt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Diese Garantie sieht vor, dass am Ende der Vertragslaufzeit wenigstens die eingezahlten Beiträge zur Bildung einer Rente vorhanden sind. Da die Kosten der Riester-rente oft hoch sind, kann diese Zusage mit dem neuen Garantiezins kaum eingehalten werden. Deshalb fordert der GDV ein Aufweichen der Beitragsgarantie. „Andernfalls können Versicherer in der Breite von 2022 an keine Riesterrenten mehr anbieten“, sagt GDVCHEF Jörg Asmussen. Auch in der betrieblichen Altersvorsorge drohten dann Angebotslücken.
Ende des vergangenen Jahres gab es rund 16,5 Millionen Riester-verträge, davon entfielen auf Versicherungen 10,7 Millionen. Eigentlich wollte die große Koalition die geförderte Altersvorsorge noch vor der Wahl reformieren. Doch dazu kommt es wohl nicht mehr. Aus Sicht der Verbraucher ist das Aus der bisherigen Förderrente sogar ein Vorteil. „Ein Ende von Riester ist kein Problem, sondern die Lösung“, sagt die Finanzexpertin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Dorothea Mohn. Wenn Versicherer keine Angebote mehr auf den Markt bringen, sei das nur die Konsequenz aus den Schwächen der Produkte. Der vzbv setzt sich schon lange für ein einfaches Standardprodukt für die zusätzliche Altersvorsorge ein. Durch geringe Kosten könnten die Sparer damit zu deutlich höheren Erträgen kommen, glauben die Verbraucherschützer. Ein gutes Beispiel dafür ist der Staatsfonds, den es in Schweden gibt.