Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Corona-demos: Zwischen Ärger und Rechtmäßigkeit
Aufregerthema ist die Samstags-versammlung in der Altstadt – Verwaltung verweist auf Versammlungsfreiheit
- Die Corona-demonstrationen stoßen vielen Bad Waldseern sauer auf. Nicht nur in den sozialen Netzwerken wird immer wieder Unverständnis über die öffentlichen Zusammenkünfte während der Pandemie laut. Jüngstes Aufregerthema: Die Corona-demo am Samstag.
Regelmäßig kommen die Teilnehmer der „Versammlungen für Frieden und Freiheit“, wie die Organisatoren die Demonstrationen nennen, sonntags und montags in der Waldseer Innenstadt zusammen und diskutieren über die Verhältnismäßigkeit der Corona-maßnahmen. So mancher Sz-leser hat die Redaktion im Nachgang zu so einer Veranstaltung bereits darauf hingewiesen, dass die Teilnehmer keine Maske tragen und den Mindestabstand nicht einhalten. Für die Beobachter ist das ein großes Ärgernis. Nun waren die Demonstranten auch noch am vergangenen Samstag in der Altstadt aktiv.
Daher hat die „Schwäbische Zeitung“bei der Stadtverwaltung nachgehakt und erfahren, dass die Veranstalter am Samstag einen „Demonstrationszug für Kinderschutz – gegen Maskenpflicht an Schulen“mit rund 30 Teilnehmern angemeldet hatten – und zwar als Menschenkette. Das bedeutet in diesem Fall, dass die Teilnehmer im „Gänsemarsch“mit Mindestabstand einzeln hintereinander her gehen sollten. Während des Marktbetriebs zogen die Demonstranten mit Plakaten rund eineinhalb Stunden durch die Innenstadt.
Für diese Versammlung hat die Stadt im Vorhinein Auflagen erteilt, wie Rathaussprecherin Brigitte Göppel berichtet. Demnach mussten die Teilnehmer „zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Corona-virus in der Menschenkette und auch sonst im Rahmen der Versammlung einen Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen einhalten.“Teilnehmer, die den Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen nicht einhalten können, mussten eine Mund-nasen-bedeckung tragen. „Dieses gilt nicht für Personen, welche glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-nasenbedeckung aus gesundheitlichen oder sonstigen zwingenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, wobei die Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe in der Regel durch eine ärztliche Bescheinigung zu erfolgen hat“, verdeutlicht Göppel etwaige Ausnahmen. Zudem mussten die Teilnehmer dafür Sorge tragen, dass Fußgänger auf dem Demonstrationsweg ungestört mit Mindestabstand vorbeilaufen können.
Auf die Frage, ob die Teilnehmer an diesem Tag gegen geltende Corona-regeln verstoßen haben, fällt die Antwort aus dem Rathaus eindeutig aus: „Die Polizei und der Gemeindevollzugsdienst waren während der Versammlung vor Ort. Laut Polizeibericht und Mitteilung des Gemeindevollzugsdienst wurden die Auflagen hinsichtlich Versammlungsort und Mindestabständen eingehalten.“Das Unverständnis für derlei Demonstrationen
bleibt bei den Kritikern dennoch groß. Die Stadt verweist indes darauf, dass die Versammlungsteilnehmer hierbei ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 8 des Grundgesetzes wahrnehmen und die Veranstaltung angemeldet wurde. Zudem lasse die Corona-verordnung Demonstrationen ausdrücklich zu. „Die Begründung zur Corona-verordnung führt hierzu aus, dass dieses der besonderen Bedeutung des Grundrechtes geschuldet ist“, so Göppel, und weiter: „Die Wahrnehmung des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit bedarf keiner Genehmigung. Dieses Recht steht allen Bürgern ohne Erlaubnisvorbehalt zu. Es ist lediglich eine Anmeldungspflicht für Versammlungen im Freien normiert.“Und eben dieser Anmeldepflicht sind die Veranstalter nachgekommen.
Die Stadtverantwortlichen weisen in diesem Zusammenhang nochmals darauf hin, dass dabei nicht nur das
Thema der Veranstaltung, sondern auch Ort, Uhrzeit und „mit welchen Maßnahmen der Veranstalter die Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen erreichen möchte“, frei gewählt werden können. Zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung könne die Stadt allerdings Auflagen erlassen. Im Fall der Corona-demonstrationen in Bad Waldsee muss beispielsweise ein Versammlungsleiter vor Ort sein, der für einen ordnungsgemäßen Ablauf sorgt. „Weiter müssen Ordner gestellt werden, welche ihn bei dieser Aufgabe unterstützen“, berichtet Göppel. Auch die geltenden Abstandsregeln sind einzuhalten.
Der Ablauf der Versammlungen und die geforderten Auflagen wurden vorab in mehreren Kooperationsgesprächen mit Stadt, Polizei und Veranstalter besprochen. Darauf wies während der jüngsten Gemeinderatssitzung Bürgermeister Matthias Henne erneut hin. „Ich weiß, die
Corona-versammlungen sorgen für Unmut, Ärger und Gesprächsstoff. Ich möchte an dieser Stelle aber auf das hohe Gut des demokratischen Grundrechts hinweisen“, erklärte das Stadtoberhaupt und betonte, dass die Versammlungen von der Polizei überwacht werden und bislang keine Verstöße gegen geltende Auflagen festgestellt worden seien.
Ebenso wird aus dem Rathaus hervorgehoben, dass derartige Versammlungen eine Beeinträchtigung anderer Bürger mit sich bringen können und dies „grundsätzlich dem Charakter einer solchen Veranstaltung“entspreche. Daher zieht die Bad Waldseer Stadtverwaltung angesichts der wöchentlichen Coronademonstrationen in der Altstadt ein nüchternes Fazit: „Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Abwägungsgebot führen zu dem Ergebnis, dass die Beeinträchtigungen in den konkreten Fällen noch angemessen und verhältnismäßig sind.“