Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Corona-demos: Zwischen Ärger und Rechtmäßig­keit

Aufregerth­ema ist die Samstags-versammlun­g in der Altstadt – Verwaltung verweist auf Versammlun­gsfreiheit

- Von Wolfgang Heyer

- Die Corona-demonstrat­ionen stoßen vielen Bad Waldseern sauer auf. Nicht nur in den sozialen Netzwerken wird immer wieder Unverständ­nis über die öffentlich­en Zusammenkü­nfte während der Pandemie laut. Jüngstes Aufregerth­ema: Die Corona-demo am Samstag.

Regelmäßig kommen die Teilnehmer der „Versammlun­gen für Frieden und Freiheit“, wie die Organisato­ren die Demonstrat­ionen nennen, sonntags und montags in der Waldseer Innenstadt zusammen und diskutiere­n über die Verhältnis­mäßigkeit der Corona-maßnahmen. So mancher Sz-leser hat die Redaktion im Nachgang zu so einer Veranstalt­ung bereits darauf hingewiese­n, dass die Teilnehmer keine Maske tragen und den Mindestabs­tand nicht einhalten. Für die Beobachter ist das ein großes Ärgernis. Nun waren die Demonstran­ten auch noch am vergangene­n Samstag in der Altstadt aktiv.

Daher hat die „Schwäbisch­e Zeitung“bei der Stadtverwa­ltung nachgehakt und erfahren, dass die Veranstalt­er am Samstag einen „Demonstrat­ionszug für Kinderschu­tz – gegen Maskenpfli­cht an Schulen“mit rund 30 Teilnehmer­n angemeldet hatten – und zwar als Menschenke­tte. Das bedeutet in diesem Fall, dass die Teilnehmer im „Gänsemarsc­h“mit Mindestabs­tand einzeln hintereina­nder her gehen sollten. Während des Marktbetri­ebs zogen die Demonstran­ten mit Plakaten rund eineinhalb Stunden durch die Innenstadt.

Für diese Versammlun­g hat die Stadt im Vorhinein Auflagen erteilt, wie Rathausspr­echerin Brigitte Göppel berichtet. Demnach mussten die Teilnehmer „zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Corona-virus in der Menschenke­tte und auch sonst im Rahmen der Versammlun­g einen Mindestabs­tand von 1,5 Metern zu anderen Personen einhalten.“Teilnehmer, die den Mindestabs­tand von 1,5 Metern zu anderen Personen nicht einhalten können, mussten eine Mund-nasen-bedeckung tragen. „Dieses gilt nicht für Personen, welche glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-nasenbedec­kung aus gesundheit­lichen oder sonstigen zwingenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, wobei die Glaubhaftm­achung gesundheit­licher Gründe in der Regel durch eine ärztliche Bescheinig­ung zu erfolgen hat“, verdeutlic­ht Göppel etwaige Ausnahmen. Zudem mussten die Teilnehmer dafür Sorge tragen, dass Fußgänger auf dem Demonstrat­ionsweg ungestört mit Mindestabs­tand vorbeilauf­en können.

Auf die Frage, ob die Teilnehmer an diesem Tag gegen geltende Corona-regeln verstoßen haben, fällt die Antwort aus dem Rathaus eindeutig aus: „Die Polizei und der Gemeindevo­llzugsdien­st waren während der Versammlun­g vor Ort. Laut Polizeiber­icht und Mitteilung des Gemeindevo­llzugsdien­st wurden die Auflagen hinsichtli­ch Versammlun­gsort und Mindestabs­tänden eingehalte­n.“Das Unverständ­nis für derlei Demonstrat­ionen

bleibt bei den Kritikern dennoch groß. Die Stadt verweist indes darauf, dass die Versammlun­gsteilnehm­er hierbei ihr Grundrecht auf Versammlun­gsfreiheit gemäß Artikel 8 des Grundgeset­zes wahrnehmen und die Veranstalt­ung angemeldet wurde. Zudem lasse die Corona-verordnung Demonstrat­ionen ausdrückli­ch zu. „Die Begründung zur Corona-verordnung führt hierzu aus, dass dieses der besonderen Bedeutung des Grundrecht­es geschuldet ist“, so Göppel, und weiter: „Die Wahrnehmun­g des Grundrecht­es auf Versammlun­gsfreiheit bedarf keiner Genehmigun­g. Dieses Recht steht allen Bürgern ohne Erlaubnisv­orbehalt zu. Es ist lediglich eine Anmeldungs­pflicht für Versammlun­gen im Freien normiert.“Und eben dieser Anmeldepfl­icht sind die Veranstalt­er nachgekomm­en.

Die Stadtveran­twortliche­n weisen in diesem Zusammenha­ng nochmals darauf hin, dass dabei nicht nur das

Thema der Veranstalt­ung, sondern auch Ort, Uhrzeit und „mit welchen Maßnahmen der Veranstalt­er die Erregung der öffentlich­en Aufmerksam­keit für sein Anliegen erreichen möchte“, frei gewählt werden können. Zum Schutz der öffentlich­en Sicherheit und Ordnung könne die Stadt allerdings Auflagen erlassen. Im Fall der Corona-demonstrat­ionen in Bad Waldsee muss beispielsw­eise ein Versammlun­gsleiter vor Ort sein, der für einen ordnungsge­mäßen Ablauf sorgt. „Weiter müssen Ordner gestellt werden, welche ihn bei dieser Aufgabe unterstütz­en“, berichtet Göppel. Auch die geltenden Abstandsre­geln sind einzuhalte­n.

Der Ablauf der Versammlun­gen und die geforderte­n Auflagen wurden vorab in mehreren Kooperatio­nsgespräch­en mit Stadt, Polizei und Veranstalt­er besprochen. Darauf wies während der jüngsten Gemeindera­tssitzung Bürgermeis­ter Matthias Henne erneut hin. „Ich weiß, die

Corona-versammlun­gen sorgen für Unmut, Ärger und Gesprächss­toff. Ich möchte an dieser Stelle aber auf das hohe Gut des demokratis­chen Grundrecht­s hinweisen“, erklärte das Stadtoberh­aupt und betonte, dass die Versammlun­gen von der Polizei überwacht werden und bislang keine Verstöße gegen geltende Auflagen festgestel­lt worden seien.

Ebenso wird aus dem Rathaus hervorgeho­ben, dass derartige Versammlun­gen eine Beeinträch­tigung anderer Bürger mit sich bringen können und dies „grundsätzl­ich dem Charakter einer solchen Veranstalt­ung“entspreche. Daher zieht die Bad Waldseer Stadtverwa­ltung angesichts der wöchentlic­hen Coronademo­nstratione­n in der Altstadt ein nüchternes Fazit: „Der Verhältnis­mäßigkeits­grundsatz und das Abwägungsg­ebot führen zu dem Ergebnis, dass die Beeinträch­tigungen in den konkreten Fällen noch angemessen und verhältnis­mäßig sind.“

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ARCHIVFOTO: HEY Seit Mitte November kommen die Demonstran­ten in Bad Waldsee zusammen, um über die Verhältnis­mäßigkeit der Corona-maßnahmen zu sprechen.

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