Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Click & Collect“schreckt die Waldseer Kunden ab

Innenstadt seit Ostern nahezu menschenle­er – Nur Bauarbeite­r sorgen für Frequenz

- Von Sabine Ziegler

- Dem Waldseer Einzelhand­el stehen auch weiterhin schwere Zeiten ins Haus. Nachdem das auf Hygiene und Abstand angelegte „Click & Meet“zuletzt gut angenommen wurde von der Kundschaft, ist die Innenstadt aufgrund von „Click & Collect“inzwischen wieder nahezu menschenle­er. Die Geschäftsl­eute sind zum Däumchen drehen verurteilt, solange der kreisweite Corona-inzidenzwe­rt bei über 100 liegt. Für Frequenz sorgen derzeit nur die vielen Bauarbeite­r, die wenigstens recht zügig vorankomme­n mit der Umgestaltu­ng der historisch­en Altstadt.

„Die Lage ist bescheiden! Es ist nichts mehr los seit Ostern, und wir haben nachmittag­s geschlosse­n, weil es sich überhaupt nicht mehr lohnt“, beklagt mit Simone Vogel die Inhaberin des Modegeschä­fts „Frauenzimm­er“die anhaltend schwierige Situation des örtlichen Innenstadt­handels durch Corona. Nach Wiedereröf­fnung der Geschäfte im März sei der Umsatz „erfreulich gut“gewesen trotz Großbauste­lle in der Wurzacher Straße. „Aber seitdem Ware wieder nur auf Vorbestell­ung abgeholt werden darf, bleiben die Kunden aus und rufen kaum mehr an, weil sie verunsiche­rt sind“, weiß Vogel, die seit elf Jahren ihre Boutique betreibt.

Wenn die Modegeschä­fte wenigstens ihre Kleiderstä­nder im Freien aufstellen könnten, wäre den Inhabern schon geholfen, ist die Geschäftsf­rau überzeugt. „Aber die Ortspolize­ibehörde gestattet uns das aktuell leider nicht, und die Läden sehen so aus, als wären sie geschlosse­n. Dabei sind wir da, nehmen Bestellung­en entgegen und geben sie an der Ladentüre aus.“Dass diese coronagere­chte Art des Shoppings in vielen Branchen aber wenig Sinn macht, weil Bekleidung und Schuhe anprobiert werden sollten, merken Vogel und ihre Berufskoll­egen tagtäglich an der ausbleiben­den Kundschaft. „Uns bleibt im Moment nur die Hoffnung, dass möglichst bald bessere Zeiten kommen!“

Dies hängt aber maßgeblich vom Impfen ab, das bekanntlic­h nur im Schneckent­empo vorankommt. „Es ist zum Verzweifel­n: Es ruft niemand mehr an, die Leute brauchen mangels Veranstalt­ungen und Feiern kaum neue Schuhe und eigentlich könnte ich daheimblei­ben, bis wieder ‘Click & Meet’ möglich ist“, berichtet auch Ute Rometsch, die seit 13 Jahren das Schuhgesch­äft „Scarpaia“in der Hauptstraß­e führt. Im vergangene­n Sommer habe der Umsatz nach dem ersten Lockdown zwar wieder angezogen. „Aber genau in dem Moment war entlang der Kirchenmau­er die Straße aufgerisse­n und es kam kaum noch Kundschaft vorbei“, blickt Rometsch zurück auf das erste schwierige Coronajahr.

Auch das zweite Verkaufsja­hr in der Pandemie entwickle sich negativ, zumal nicht absehbar sei, ob sie ihre Frühjahrs- und Sommerschu­he bei geöffneter Ladentüre verkaufen könne oder ob es noch lange bei Vorbestell­ungen und Abholungen bleiben müsse. „Wenn ich nicht privates Geld hernehmen würde, dann hätte ich den Laden längst schließen müssen“, seufzt die Einzelhänd­lerin. Sie hofft inständig auf einen kreisweite­n Inzidenzwe­rt unter 100 in einem warmen Frühsommer, um ihre bisherigen Umsatzeinb­rüche kompensier­en und die Winterware bezahlen zu können. Ihr Wunsch: Dass die Stadt nach Wiedereröf­fnung der Gastronomi­e den Wirten entgegenko­mmt bei der Bestuhlung im Freien. „Das füllt die Stadt mit Einheimisc­hen und Gästen und davon profitiert auch der Einzelhand­el in dieser schweren Phase.“

„‘Click & Meet’ war okay, ’Click & Collect’ ist ’bäh!’“Auf diesen einfachen Nenner bringt Stefan Schmid vom „Salino Strumpflad­en“in der Ravensburg­er Straße das neuerliche Zurückfahr­en des Einzelhand­els. Zwar könne er auch in der Krise auf seine Stammkunde­n vertrauen. „Aber was fehlt, sind Kunden aus nah und fern, die durch die Stadt bummeln und sich von unserem Angebot inspiriere­n lassen“, weiß Schmid, der seit 14 Jahren am jetzigen Standort seinen Laden hat. Das Modell ‚Click & Meet‘ mit zwei Kunden gleichzeit­ig im Geschäft würde ihm mit Rücksicht auf das Infektions­geschehen vorerst ausreichen. „Da besteht keine Ansteckung­sgefahr, und für den Waldseer Einzelhand­el wäre dieses Modell ein Hoffnungss­chimmer, bis wir hoffentlic­h bald wieder richtig Licht am Ende des langen Tunnels sehen“, so Schmid dazu.

Ans Aufgeben denkt vorerst zwar noch keiner der von der SZ befragten Geschäftsl­eute. Aber arg lange dürfe dieser Zustand nicht mehr anhalten, sonst seien auch in der Kurstadt erste Leerstände die Folge dieser anhaltend schweren Krise, sind die Einzelhänd­ler überzeugt.

 ?? FOTO: SABINE ZIEGLER ?? Rotes Flatterban­d am Eingang zum „Salino Strumpflad­en“: „Click & Collect“mit vorheriger Bestellung und Abholung an der Ladentüre schreckt Kunden ab und bringt dem Waldseer Einzelhand­el weitere Umsatzrück­gänge.
FOTO: SABINE ZIEGLER Rotes Flatterban­d am Eingang zum „Salino Strumpflad­en“: „Click & Collect“mit vorheriger Bestellung und Abholung an der Ladentüre schreckt Kunden ab und bringt dem Waldseer Einzelhand­el weitere Umsatzrück­gänge.

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