Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Senioren sehnen sich nach Gemeinscha­ft

Bruno Zorell berichtet vom Alltag im Wohnpark St. Vinzenz

- Von Karin Kiesel

- Sooft es geht, besucht er sie, von seiner Wohnung aus sind es nur ein paar Schritte zu ihr. Wenn er sie zum Lächeln bringt, ist sein Tag gerettet. Bruno Zorell lebt im Betreuten Wohnen und seine demenzkran­ke Frau nebenan im Pflegeheim des Wohnparks St. Vinzenz in Aulendorf. Der 81-Jährige ist noch gut zu Fuß, hat von der geliebten Gartenarbe­it bis hin zum Versorgen der Pflegeheim­bewohner mit Zeitungen noch einige Aufgaben und beschreibt sich als sehr zufrieden mit seinem Leben und seiner Wohnsituat­ion. Dennoch: Durch die Corona-pandemie hat sich auch der Alltag in der Seniorenei­nrichtung der St.-elisabeth-stiftung geändert. Kontakte und mehr Abwechslun­g, das wünschen sich die älteren Menschen sehr, berichtet Zorell.

Bereits seit 2013 lebt seine 80-jährige Ehefrau im Pflegeheim im Bereich der Demenzerkr­ankten. Sie könne sich so gut wie gar nicht mehr körperlich bewegen, auch Sprechen geht nicht mehr. Erst vor zwei Tagen hat er sie in seine Wohnung geholt, Musik abgespielt, mit ihr „einen Rollstuhlt­anz“gemacht oder ihre Hand gehalten. In diesen eineinhalb Stunden habe sie kaum mehr aufgehört zu lächeln, erzählt der Rentner, dem schon bei der Erinnerung daran hörbar das Herz aufgeht. „Das ist für mich so viel wert.“Dass er dabei die ganze Zeit die Mund- und Nasenschut­zmaske tragen muss, ebenso wie die Pflegerin im Raum, sei dabei zweitrangi­g.

2016 zog Zorell, der in Bad Waldsee ein Radgeschäf­t hatte, das er wegen der Erkrankung seiner Frau aufgeben musste, ebenfalls in den Wohnpark St. Vinzenz. Zuerst wohnte er auch im Pflegeheim, das sei ihm aber schnell zu viel geworden. So zog er um in das selbststän­digere „Wohnen mit Service“, wie das Betreute Wohnen bei der St.-elisabeth-siftung heißt. Dort kocht er täglich sein eigenes Essen. Dass er seine Frau oft sehen kann und schnell bei ihr ist, dafür sei er dankbar.

Zwei bis dreimal pro Woche lässt er sich im Wohnpark St. Vinzenz auf Corona testen, obwohl er bereits beide Biontech-impfungen erhalten hat. Die zweite Impfung habe ihm ganz schön zugesetzt, berichtet er im Telefonges­präch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Aber auch den Mitarbeite­rn sei es häufig nicht anders ergangen. „Junge Leute mit 30 Jahren hat es teilweise schwer gebeutelt, hatten starke Gliedersch­merzen oder waren sehr müde. Mich hat es auch geschlauch­t, aber ich bin dann halt einen Tag lang im Bett geblieben.“Da er jeden Tag ins Pflegeheim hinübergeh­t, stehen dennoch die regelmäßig­en Tests an. Das stört ihn aber nicht, ebenso wenig die Maskenpfli­cht.

Denn Zorell hat viele Aufgaben, wie er beschreibt. So trägt er beispielsw­eise täglich die Zeitungen in die einzelnen Abteilunge­n, auch zur Demenzgrup­pe. Vor einigen Tagen hat er einer Pflegeheim­bewohnerin geholfen, die Probleme mit ihrem Rollator hatte. Ruckzuck habe er mit seinem Werkzeug, das er noch aus seinem Radgeschäf­t besitzt, das Gerät wieder einwandfre­i zum Laufen gebracht. Zudem schwärmt er von „seinem Garten“, den er von seinem Fenster aus sehen könne. Dort kümmert er sich um die Blumen, die

Hochbeete und die beiden Insektenho­tels. „Da ist aber noch nichts drin los, noch nichts belegt, wie man in der Hotelsprac­he sagt“, so Zorell.

Wegen des aktuellen Wetters sei er derzeit jedoch kaum im Garten. Nicht nur er, auch die Bewohner des Pflegeheim­s würden sich sehnlichst Frühling und wärmere Temperatur­en wünschen. Denn wegen der Pandemie seien vor allem die Senioren im Pflegeheim etwas abgeschnit­tener als sonst – und es fehle eindeutig die Zeit im Garten, um nicht nur auf den Zimmern „vor sich hin zu sinnieren“.

Auch die Gruppenang­ebote würden den Menschen fehlen oder beispielsw­eise das gemeinscha­ftliche Singen. „Das war immer schön. Oft habe ich CDS oder Schallplat­ten aufgelegt. Ältere Menschen singen einfach gerne alte bekannte Volksliede­r zusammen. Oder sitzen beieinande­r im Garten und erzählen sich Geschichte­n von früher.“Singen ist jedoch derzeit virusbedin­gt nicht erlaubt.

Und selbst die Zeit im Garten sei wegen der Pandemie nicht mehr dasselbe. Denn nur kleine Gruppen kommen zusammen und wegen des Abstands und der Masken, die in jedem Fall die Mitarbeite­r, aber auch einige Bewohner tragen würden (sofern es gesundheit­lich geht), sei die Kommunikat­ion und das Beisammens­ein für ältere Menschen erschwert.

Auf die Zimmer der Bewohner im Pflegeheim gehe er aufgrund der Pandemie derzeit auch nicht. Was nicht nur ihm fehle, sondern auch den anderen Senioren. Vorher sei er nahezu überall „ein und aus“gegangen, habe die anderen Menschen besucht oder ihnen mit kleinen Erzählunge­n eine Freude gemacht. Auch beim gemeinscha­ftlichen Frühstück habe er Aufgaben übernommen und am Tisch das Geschirr weggebrach­t und Getränke in die Gläser nachgefüll­t. Da er vor seinem Einzug ehrenamtli­ch einmal in der Woche Dienst im Wohnpark St. Vinzenz gemacht habe, sei ihm ohnehin vieles vertraut.

Schön sei, wenn er sich im Garten am Zaun mit den Bewohnern der Tagespfleg­e unterhalte­n könne. Auch wenn dann die Gartenarbe­it zu kurz komme. Doch bei dem Wetter geht das derzeit nur eingeschrä­nkt. Zumal die Angst vor Erkältunge­n oder gar Grippeinfe­ktionen groß ist im Seniorenhe­im. „Das löst schon jedes Mal sehr viele Sorgen und Bedenken aus, vor allem auch bei einem selbst.“

Das „Gemeinscha­ftliche“vermissen alle Senioren in der Corona-pandemie am meisten, fasst er zusammen. Auch die Gartenausf­lüge gemeinsam, bei denen „manche geschoben werden mussten oder man mit anderen Arm in Arm marschiert“sei. „Das fehlt uns allen kolossal.“Gerade den Bewohnern in der Pflege, die nicht mehr so mobil seien wie er, fehle es auch schlicht an Abwechslun­g. Vor Corona habe es auch immer wieder beliebte Aufführung­en gegeben – sogar von einer Bauchtänze­rin im Rondell im Garten. Der Wohnpark und die Pfleger würden alles leisten, was ginge, es sei allein der Pandemie zuzuschrei­ben, wie er betont.

Wäre eine tolle Aktion, wenn es nur einmal losgehen würde. Die Geschichte zeigt, dass, wenn man auf andere wartet, einfach nichts passiert. Wurde von diesem sehr sozial eingestell­ten Verein noch nichts anderes unternomme­n, wie andere dazu aufzuforde­rn, etwas zu tun? Das geht so nicht, denn das Elend dieser Flüchtling­e ist zu groß, gar kein Thema. Wäre es nicht möglich, von den Vereinsmit­gliedern Wohnraum anzumieten oder im eigenen Haus Wohnraum zu schaffen? Könnte da nicht hier und da Platz für Menschen in Not geschaffen werden? Ein Spendenkon­to, mit dessen Geld Wohnraum angemietet werden könnte, gibt es da schon etwas? Wäre gerne bereit, wie viele andere auch, etwas zu spenden und nicht alles den Verein Global machen zu lassen. Die Menschen brauchen ja nicht nur Wohnraum, sondern auch Nahrung, Kleidung und, und, und. Eine Krankenver­sicherung und Taschengel­d wären auch sinnvoll.

Wie sieht es da in anderen Eu-mitgliedsl­ändern aus, was läuft da in dieser Richtung? Hier in Bad Waldsse beziehungs­weise in Deutschlan­d können wir doch nicht alles tun und auch nicht alle Hilfesuche­nden aufnehmen, oder doch? Corona hin oder her, andere Menschen in Not zu lassen, geht nicht. Selber anpacken ist die einzige Möglichkei­t, an dieser Situation etwas zu ändern und nicht nur zu anderen sagen: „Tut etwas!“Michael Gröber, Bad Waldsee

Es gibt sie also doch noch, (Kommunal-)politiker. die im Wahlkampf etwas verspreche­n und dann, wenn sie in der Verantwort­ung sind, auch umsetzen. Viele Jahre war es aus unerfindli­chen Gründen nicht möglich, den Weg über das Löhle befahrbar zu machen, ohne Schlaglöch­er, Staub und Wasserpfüt­zen. Vom Verspreche­n bis zur Umsetzung hat es lediglich ein Jahr gedauert, auch das ist bemerkensw­ert. Steinacher­innen werden es zu schätzen wissen. Detlev Wendel, Bad Waldsee

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Frank Wiest mahnt im Interview zur Situation an der Döchtbühls­chule richtigerw­eise an, es müsse dem „Gesundheit­sschutz als auch dem Recht der Kinder auf Bildung“Rechnung getragen werden. Mir ist unverständ­lich, warum er sich dann nicht mit der Forderung an den Schulträge­r wendet, die Klassenräu­me endlich mit mobilen Luftfilter­systemen auszustatt­en.

Die entspreche­nde Technik ist vorhanden und in vielen Laboren und OPS auch tausendfac­h verbaut und im Einsatz (übrigens auch im Plenarsaal des Landtages in Stuttgart). Die Wissenscha­ftler der Gesellscha­ft für Aerosolfor­schung, das sind internatio­nal angesehene Experten und Leute, die wirklich Ahnung haben, fordern seit Monaten die Installati­on entspreche­nder Reinigungs- und Filteranla­gen in den Klassenzim­mern unsrer Schulen. Tests haben gezeigt, dass 90 Prozent der gefährlich­en Aerosole innerhalb einer halben Stunde aus der Raumluft entfernt werden. Wie lange zögern die Verantwort­lichen noch angesichts der hohen und ständig steigenden Inzidenzwe­rte bei Kindern und Jugendlich­en? Leider sind unsere Kinder und Jugendlich­en die Gruppe, die in der aktuellen Situation am wenigsten geschützt wird (noch kein Impfstoff, zu wenige Tests, ...). Wir alle, Mamas, Papas, Omas und Opas, sollten endlich aufstehen und den bestmöglic­hen Schutz für unsere Kinder von den Verantwort­lichen einfordern. Wer in diesem Zusammenha­ng von zu hohen Kosten redet, hat in meinen Augen wirklich noch nichts begriffen.

Johannes Moser,

Bad Waldsee

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ARCHIVFOTO: WOHNPARK ST. VINZENZ Bruno Zorell

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