Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Kein Rezept, wie wir aus dem Lockdown kommen“
Waldseer Geschäftsmann Geyer spricht über Auswirkungen der Krise und sein eröffnetes „Food & Wine Outlet“
- Viele Unternehmen leiden unter der Corona-krise. Umsätze brechen ein, die Nerven der Mitarbeiter sind ob der andauernden Kurzarbeit zum Zerreißen gespannt. So mancher Geschäftsmann ist da zum Umdenken gezwungen und begeht neue Wege. So auch Andreas Geyer vom Gastro-zulieferer-betrieb Geyer Food. Der Geschäftsführer hat Wolfgang Heyer berichtet, wie sein neues Ladengeschäft an der B 30 in Gaisbeuren angelaufen ist und wie die Pandemie sein Hauptgeschäft beeinflusst.
Herr Geyer, vor rund fünf Monaten haben Sie Ihr „Food & Wine Outlet“in Gaisbeuren eröffnet. Sind Sie zufrieden damit?
Ich bin insgesamt zufrieden damit, auch wenn das Ganze sicher noch ausbaufähig ist. Wir mussten über die Zeit auch zuerst einmal einiges lernen und unser Sortiment nach und nach an die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden anpassen. Mittlerweile ist dieser Prozess weitgehend abgeschlossen.
Ursprünglich sollte das Outlet nur wenige Wochen betrieben werden, um Ihre noch vorrätigen Lebensmittel vor der Mülltonne zu retten. Warum haben Sie sich dazu entschlossen, das Geschäft weiter zu betreiben?
Zunächst wurde uns ja Ende Oktober ein Wellenbrecher-lockdown mit einer Dauer von zwei bis drei Wochen angekündigt. Da habe ich schon mit zirka sechs Wochen gerechnet. Das war dann auch der Grund, über einen zusätzlichen Vertriebsweg nachzudenken. Wir wollten zunächst unsere Produkte retten. Wir hatten bereits nach wenigen Wochen viele begeisterte Stammkunden.
Als sich abzeichnete, dass der Lockdown auch über das Jahresende 2020 hinaus verlängert werden könnte, habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was dies mittel- und langfristig für unser Gastro-geschäft bedeuten könnte. Dann gab es ein Gespräch mit dem Vermieter und es folgte die Entscheidung, hier am Standort in Gaisbeuren weiter zu machen. Auch, um bei einem verlängerten Lockdown weiter einen zusätzlichen Absatzkanal für die vielen Waren, die noch im Lager liegen, zu haben.
Gab es weitere Gründe?
Ja, ein weiterer wichtiger Grund war und ist, unseren Mitarbeitern Perspektive und Arbeit zu bieten und das auch bei gegebenenfalls länger anhaltenden Folgen im Gastrogeschäft. Der Gastronomie-branchenverband Dehoga befürchtet, dass bis zu 25 Prozent der Betriebe aufgeben werden. Außerdem motivieren die positiven Rückmeldungen der Kunden natürlich auch das ganze Team sehr weiter zu machen.
Und wie geht es weiter?
Da seit Januar nun das gesamte Gebäude mit einer Gesamtfläche von 900 Quadratmetern, davon über 500 Quadratmeter Verkaufsfläche gemietet haben, mussten wir natürlich auch das Sortiment erweitern. Deshalb bieten wir nun im Obergeschoss zusätzlich Grillgeräte an. Zum Frühsommer wird dann noch eine Showküche dazu kommen, in der wir Veranstaltungen und Schulungen für unsere Gastronomie-kunden anbieten werden. Aber auch Grill- und Kochkurse für Jedermann und weitere Aktionen sind geplant. Diesen Teil können wir natürlich erst anbieten, wenn das Infektionsgeschehen es zulässt.
Wie lange möchten oder müssen Sie das Geschäft voraussichtlich betreiben?
Wir haben einen längerfristigen Mietvertrag und wenn wir die Kunden weiter zufrieden stellen können, kann und möchte ich das Geschäft in Gaisbeuren gerne noch viele Jahre weiter betreiben. Insofern ist aus einem Müssen eher ein Möchten geworden.
Ihre Hauptfirma, Geyer Food, hat aufgrund der Corona-krise herbe Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Wie ergeht es Ihrem Gastrozulieferer-betrieb derzeit?
Dieser Bereich des Unternehmens leidet aktuell natürlich extrem. Wir haben seit November einen Umsatzeinbruch, der sich zwischen 65 bis 80 Prozent in jedem Monat bewegt. Anstatt sechs Mal wöchentlich liefern wird zum Beispiel nur noch zwei Mal wöchentlich an unsere Gastro-kunden
aus. Bei den reinen Gastronomie-kunden ist der Einbruch noch größer. Der aktuelle Umsatz wird stark durch die Belieferung von zum Beispiel Altenheimen, Krankenhäusern oder Kurkliniken getragen.
Wie geht es Ihren Mitarbeitern?
Unsere Mitarbeiter sind entsprechend stark von Kurzarbeit betroffen. Das ist natürlich sehr bitter, da wir nun ziemlich genau seit einem Jahr mit unserem Unternehmen in Kurzarbeit sind und dies für alle empfindliche Gehaltseinbußen bedeutet.
Blicken Sie pessimistisch oder optimistisch in die Zukunft?
Es gibt doch auch Positives, das sich aber erst nach Ende des Lockdowns auswirken wird. Ein großer Lieferpartner von uns hat aufgrund der Corona-pandemie seinen Direktvertrieb eingestellt und wir konnten so zum 1. Februar rund 250 Kunden aus dem Gastronomie-bereich von diesem übernehmen. Zu Mitte März konnten wir noch den Kundenstamm eines uns seit vielen Jahren als Kunde verbundenen kleinen Großhandelsbetriebes übernehmen, der ebenfalls aufgrund der Coronapandemie seinen Betrieb aufgegeben hat. Insofern sehe ich trotz der derzeitig sehr schwierigen Situation für unser Unternehmen guten Mutes in die Zukunft.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Krisenmanagement der Bundesund Landesregierung?
Ich bin damit überhaupt gar nicht zufrieden. Das geht schon damit los, dass dieser Lockdown nun schon seit über fünf Monaten andauert. Ursprünglich sollte der nur drei Wochen dauern. Das ist nicht im Ansatz Planungssicherheit für ein Unternehmen. Dann gibt es bis heute noch kein Rezept, wie und wann wir aus diesem Lockdown wieder heraus kommen. Auch die Absage der Ministerpräsidenten-konferenz, die am Montag hätte stattfinden sollen, deute ich so, dass bei vielen der Wahlkampf vor dem Wohl der Bürger und Unternehmen steht. Auch der neue sogenannte Bundes-lockdown lässt befürchten, dass das erste Halbjahr für uns und unsere Gastrokunden ein Komplett-ausfall wird.
Und was sagen Sie zu den Soforthilfeprogrammen?
Das ist ein leidiges Thema. Es wurde viel groß angekündigt. Es sollte gleich mal eine Bazooka sein. Heraus gekommen ist ein bürokratisches Monster. Sicher, die Steuerberater verdienen wahrscheinlich gut daran. Aber Hilfen, die nicht oder sehr spät ankommen, frustrieren alle nur, helfen aber nicht unbedingt. Nicht zuletzt kostet das alles enorm viel Nerven. Schnelle Hilfen sind nur schnelle Hilfen, wenn sie schnell und weniger bürokratisch ankommen.
Welche Wünsche/forderungen haben Sie an die Entscheidungsträger?
Ich bitte um schnelle Umsetzung von Maßnahmen, die das Infektionsgeschehen merklich bremsen. Nur so gibt es eine Perspektive für die vom Lockdown betroffenen Unternehmen und vor allem auch für die Menschen. Und dann warten wir eben noch auf die Öffnung, aber momentan sieht es so aus, als ob wir bis in den Spätsommer hinein warten müssen, weil es einfach kein Konzept gibt. Gleichzeitig muss ein Öffnungskonzept erarbeitet werden, damit alle Unternehmen wissen, was sie erwartet, und dass wir alle endlich planen können.