Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Mit 86 Jahren, da fängt der Online-fitness-kurs an
Marie-luise von Wuthenau ist jeden Dienstag bei der digitalen Fitnessgymnastik der Waldseer Ballettschule Waidacher dabei
- Um den Tanzschülern in Zeiten von Corona trotzdem Trainingsstunden ermöglichen zu können, bieten viele Tanz- und Ballettschulen Online-kurse an. So weit, so gewöhnlich. Dass sich bei der Fitnessgymnastik der Ballettschule Waidacher eine 86-Jährige zuschaltet, ist hingegen höchst bemerkenswert. Marie-luise von Wuthenau hat sich von der technischen Hürde nicht schrecken lassen und ist jeden Dienstag mit Feuereifer dabei. Udo Jürgens Ohrwurm „Mit 66 Jahren“könnte hier getrost umgedichtet werden in „Mit 86 Jahren, da fängt die Online-fitness an“.
„Es gefällt mir sehr gut. Natürlich ist es nicht das gleiche, wie wenn wir in der Ballettschule zusammenkommen. Am Computer zuhause ist es schon schwieriger – aber besser als nichts“, sagt Marieluise von Wuthenau im Sz-gespräch und ist glücklich über das Online-angebot in Zeiten von Corona. Schließlich hat ihr der gemeinschaftliche Sport schon sehr gefehlt. Und als Ballettlehrerin Julia Waidacher ihr von der neuen Möglichkeit berichtete, sei sie sofort interessiert gewesen und „habe gleich begeistert zugesagt“.
Mit Unterstützung von Günter Waidacher und ihrem Mann Carlfriedrich von Wuthenau wurde das entsprechende Programm auf dem Computer eingerichtet und Lautsprecher-boxen angebracht. Auf diese Weise kann die 86-Jährige die eingespielte Musik hören und sich voll und ganz ihrem geliebten Sport widmen. Einzig der PC selbst muss kurz vor dem Training noch vom Büro ins Wohnzimmer gestellt werden. Der Grund: der Boden. „In der Ballettschule gibt es einen echten Parkettboden, da läuft es und ist glatt. Im Büro haben wir einen Teppichboden, das funktioniert für die ganzen Übungen nicht so gut. Daher stellen wir den Computer im Wohnzimmer auf und dann geht es“, zeigt die rüstige Rentnerin eine wichtige Vorbereitung auf.
Seit mehr als 50 Jahren besucht Marie-luise von Wuthenau bereits Pilates-, Gymnastik- und Aerobickurse. „Das ist der Grund, warum ich noch so fit bin“, sagt die gebürtige Bad Waldseerin und lacht ein ansteckendes Lachen. Seit knapp 25 Jahren besucht sie die Gymnastik-kurse von Julia Waidacher und hat in all den Jahren kaum eine Trainingsstunde verpasst. „Ich muss einfach jeden Dienstag zum Sport. Auch wenn ich darauf mal keine Lust habe. Aber danach fühle ich mich so wohl, dass ich denke, Gott sei dank habe ich das gemacht. Der ganze Körper ist dann wieder in Ordnung. Manchmal tut es hier weh und da weh und da bekommt man durch den Sport quasi eine Spritze und dann läuft es wieder. Es tut mir einfach gut“, verdeutlicht von Wuthenau ihre Leidenschaft an der Bewegung.
Am meisten Spaß macht ihr das Warmlaufen. Dabei machen die durchschnittlich 15 Teilnehmer rund 30 Minute im Stehen alle möglichen sportlichen Übungen. Danach geht es auf die Matte und Dehnübungen stehen auf dem Programm. „Die sind manchmal weniger angenehmen, aber es ist wichtig, dass man die macht“, spricht die 86Jährige wohl vielen Sportlern aus der Seele. Und so überwindet sie sich immer wieder, auch wenn es hier und da mal schwer fällt. „Wer rastet, der rostet“, sagt von Wuthenau dazu und ergänzt: „Wer es nicht konsequent macht, kann es irgendwann nicht mehr. Und ich kann es, weil ich es schon in jungen Jahren angefangen und immer weiter gemacht habe.“
Technische Probleme hatte die sportliche Seniorin bislang keine. Einzig, die Übungen am Boden seien auf dem unhandlichen PC schwerlich einzusehen. Da könnten sich die Teilnehmer, denen ein mobiler Laptop zur Verfügung steht, einfacher behelfen. „Aber nach all den Jahren kennt man die Übungen und weiß, was zu tun ist. Das ist alles kein Problem“, erklärt Marie-luise von Wuthenau und lobt die Ballettlehrerin für ihre sanfte Trainingsanleitung, die der Körper als wohltuend empfinde. „Und dabei bewegen wir jeden einzelnen Muskel, vom kleinen Zeh bis rauf in den Nacken.“
Obgleich ihr die Gruppe mitsamt dem gegenseitigen Austausch vor und nach der Trainingseinheit fehlen, freut sie sich bereits auf den nächsten Dienstagabend. „Ich fühle mich wohl dabei. Aber klar, uns allen fehlt der direkte Kontakt.“