Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Isnyer Firma als Forschungsobjekt
Masterstudenten aus Biberach untersuchen Kältetechnik bei Früchte Jork
- In einer außergewöhnlichen Kooperation zwischen freier Wirtschaft und akademischer Bildungsstätte hat Joachim Jork, Chef des Isnyer Lebensmittellieferanten Früchte Jork und der Transportfirma Al-logistik, im Jahr 2020 die Kühlanlagen seines Logistikzentrums an der Ostumgehung, der L 318 untersuchen lassen.
Das Projekt in Zusammenarbeit mit der Hochschule Biberach (HBC) lief parallel zu Planung und Bau des Nahwärmenetzes im Isnyer Neubaugebiet Mittelösch. Wie mehrfach berichtet, soll die Abwärme aus den Kühlhallen von Früchte Jork die über 200 neuen Wohneinheiten beheizen und das Brauchwasser erwärmen.
Hintergrund des Forschungsprojekts von zwei Master-studenten des Instituts für Gebäude und Energiesysteme der HBC war Joachim Jorks Bestreben, seine Lebensmittel, Früchte und Gemüse, in großem Stil umweltfreundlich zu kühlen. Dabei stellte er fest, dass die Anlagen, die er in seinem Logistikzentrum hatte installieren lassen, weniger effizient arbeiten als geplant.
Mit dem Anliegen, das zu ändern, auch im Zusammenhang mit dem Nahwärmenetz, wandte sich Jork an die HBC. Über zehn Jahre hinweg hatte er in eine moderne und klimaschonende Energieversorgung investiert und das System für die Kälte- und Wärmeversorgung immer wieder erweitert. Dabei setzte die Firma auf die natürlichen Kältemittel – Propan, Kohlendioxid (CO2) und Ammoniak, außerdem in eine innovative Kraftwärme-kältekopplung.
„Es war vor allem viel Idealismus dabei, wirtschaftliche Überlegungen standen erst an zweiter Stelle“, sagte Jork im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“zu einer Projektbeschreibung der HBC, die oben genannte Ausgangslage skizzierte und die jüngst in mehreren Fachpublikationen veröffentlicht wurde, um das Zusammenspiel von akademischer Forschung und deren nutzbringende Anwendung in der gewerblichen oder industriellen Praxis zu verdeutlichen.
„Bei optimalem Betrieb sollte eine energieeffiziente Kühlung der Lebensmittel, die in den Hallen lagern, gewährleistet sein“, war die Zielvorgabe des Forschungsprojekts. Gleichzeitig wollte Joachim Jork die Abwärme zur Beheizung seiner Gebäude nutzen. Ab dem Planungsbeginn 2019 kam das Nahwärmenetz fürs Mittelösch hinzu.
Allerdings: „Die Komplexität der Energieanlage nahm immer mehr zu – und die einzelnen Bestandteile sind nicht aufeinander abgestimmt“, fasste der Biberacher Professor Alexander Floß die Ergebnisse einer ersten, umfassenden und ganzheitlichen Analyse in der Firma zusammen, die seine Studenten Tobias Moderau und Nikolaus Wechs, beide 24 Jahre alt, vornahmen.
Moderau und Wechs studieren an der HBC im Masterstudiengang Energieund Gebäudesysteme. Für ihr integriertes Forschungsprojekt haben sie – betreut vom Anlagen-experten Floß – bei Früchte Jork die Kälte- und Wärmeversorgung Abschnitt für Abschnitt unter die Lupe genommen und Ansatzpunkte für Optimierungen aufgedeckt. „Bisher wurden die verschiedenen Abschnitte der Anlage getrennt voneinander bewertet“, erklärt Wechs, und Moderau ergänzt, die Anlage sei dabei komplex, „die ganzheitliche Betrachtung war der Schlüssel.“
Allein die Kälteversorgung umfasse vier Kompressions- und eine Absorptionskältemaschine, die wiederum von einem Blockheizkraftwerk (BHKW) mit Wärme auf hohem Temperaturniveau versorgt wird. Auf diese Weise werden mehrere Kühlhallen auf einer Gesamtfläche von rund 4000 Quadratmetern sowohl mit „Pluskälte“(über 0 Grad Celsius) als auch mit „Tiefkälte“(circa minus 20 Grad) versorgt. Durch ihre Analyse zeigten die Studenten verschiedene Ansätze auf, wie die Gesamtanlage optimiert werden kann. Das hatte sich Joachim Jork seit langem erhofft: Eine nachhaltige Energieversorgung für sein Unternehmen, das er „insgesamt ökologisch, sozial und ökonomisch ausrichten“will.
Von den Ergebnissen der umfassenden Untersuchung und dem Potenzial, das die Biberacher Studenten aufdeckten, zeigten sich Jork und ausführende Firmen vor Ort beeindruckt: „Die Präsentation zeigt, dass theoretische Planung und praktische Umsetzung mitunter voneinander abweichen.“Nun aber könnten aus den gewonnenen Erkenntnissen Maßnahmen abgeleitet und „ohne großen Aufwand ein bemerkenswerter, positiver Effekt“erzielt werden, heißt es seitens der Beteiligten.
Moderau und Wechs unterstrichen ihrerseits, dass Offenheit und Vertrauen der technischen und organisatorischen Verantwortlichen bei Früchte Jork und die Unterstützung der Fachfirmen die Grundlage für das erfolgreiche Forschungsprojekt gewesen seien. Nach dieser für beide Seiten gewinnbringenden Zusammenarbeit wollen beide ihre zum Abschluss des Studiums anstehende Master-thesis über Teilaspekte der Anlage verfassen: Nikolaus Wechs will die Kälte-wärme-kopplung tiefer analysieren, Tobias Moderau das BHKW in Verbindung mit der Absorptionskältemaschine. Als besondere Herausforderung wartet zudem der Anschluss des Nahwärmenetzes auf eine erste Beurteilung und Auswertung.
Das Thema Kältetechnik finden die beiden Studenten laut Hbc-mitteilung vor allem spannend und wichtig im Zusammenhang mit klimafreundlichem Planen und Bauen. Natürliche
Kältemittel „und damit auch Kältemaschinen, in denen diese Gase zum Einsatz kommen“, könnten einen wichtigen Beitrag leisten, erklären sie unter Bezug auf ihren Betreuer Professor Floß. Der umschreibt den generellen Ansatz so: „Um das Klimaziel erreichen zu können, die Erderwärmung bis 2030 auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen wir insbesondere CO2 einsparen.“Daran wird bei Früchte Jork mit universitärer Unterstützung emsig getüftelt.