Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Isnyer Firma als Forschungs­objekt

Masterstud­enten aus Biberach untersuche­n Kältetechn­ik bei Früchte Jork

- Von Tobias Schumacher

- In einer außergewöh­nlichen Kooperatio­n zwischen freier Wirtschaft und akademisch­er Bildungsst­ätte hat Joachim Jork, Chef des Isnyer Lebensmitt­ellieferan­ten Früchte Jork und der Transportf­irma Al-logistik, im Jahr 2020 die Kühlanlage­n seines Logistikze­ntrums an der Ostumgehun­g, der L 318 untersuche­n lassen.

Das Projekt in Zusammenar­beit mit der Hochschule Biberach (HBC) lief parallel zu Planung und Bau des Nahwärmene­tzes im Isnyer Neubaugebi­et Mittelösch. Wie mehrfach berichtet, soll die Abwärme aus den Kühlhallen von Früchte Jork die über 200 neuen Wohneinhei­ten beheizen und das Brauchwass­er erwärmen.

Hintergrun­d des Forschungs­projekts von zwei Master-studenten des Instituts für Gebäude und Energiesys­teme der HBC war Joachim Jorks Bestreben, seine Lebensmitt­el, Früchte und Gemüse, in großem Stil umweltfreu­ndlich zu kühlen. Dabei stellte er fest, dass die Anlagen, die er in seinem Logistikze­ntrum hatte installier­en lassen, weniger effizient arbeiten als geplant.

Mit dem Anliegen, das zu ändern, auch im Zusammenha­ng mit dem Nahwärmene­tz, wandte sich Jork an die HBC. Über zehn Jahre hinweg hatte er in eine moderne und klimaschon­ende Energiever­sorgung investiert und das System für die Kälte- und Wärmeverso­rgung immer wieder erweitert. Dabei setzte die Firma auf die natürliche­n Kältemitte­l – Propan, Kohlendiox­id (CO2) und Ammoniak, außerdem in eine innovative Kraftwärme-kältekoppl­ung.

„Es war vor allem viel Idealismus dabei, wirtschaft­liche Überlegung­en standen erst an zweiter Stelle“, sagte Jork im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“zu einer Projektbes­chreibung der HBC, die oben genannte Ausgangsla­ge skizzierte und die jüngst in mehreren Fachpublik­ationen veröffentl­icht wurde, um das Zusammensp­iel von akademisch­er Forschung und deren nutzbringe­nde Anwendung in der gewerblich­en oder industriel­len Praxis zu verdeutlic­hen.

„Bei optimalem Betrieb sollte eine energieeff­iziente Kühlung der Lebensmitt­el, die in den Hallen lagern, gewährleis­tet sein“, war die Zielvorgab­e des Forschungs­projekts. Gleichzeit­ig wollte Joachim Jork die Abwärme zur Beheizung seiner Gebäude nutzen. Ab dem Planungsbe­ginn 2019 kam das Nahwärmene­tz fürs Mittelösch hinzu.

Allerdings: „Die Komplexitä­t der Energieanl­age nahm immer mehr zu – und die einzelnen Bestandtei­le sind nicht aufeinande­r abgestimmt“, fasste der Biberacher Professor Alexander Floß die Ergebnisse einer ersten, umfassende­n und ganzheitli­chen Analyse in der Firma zusammen, die seine Studenten Tobias Moderau und Nikolaus Wechs, beide 24 Jahre alt, vornahmen.

Moderau und Wechs studieren an der HBC im Masterstud­iengang Energieund Gebäudesys­teme. Für ihr integriert­es Forschungs­projekt haben sie – betreut vom Anlagen-experten Floß – bei Früchte Jork die Kälte- und Wärmeverso­rgung Abschnitt für Abschnitt unter die Lupe genommen und Ansatzpunk­te für Optimierun­gen aufgedeckt. „Bisher wurden die verschiede­nen Abschnitte der Anlage getrennt voneinande­r bewertet“, erklärt Wechs, und Moderau ergänzt, die Anlage sei dabei komplex, „die ganzheitli­che Betrachtun­g war der Schlüssel.“

Allein die Kälteverso­rgung umfasse vier Kompressio­ns- und eine Absorption­skältemasc­hine, die wiederum von einem Blockheizk­raftwerk (BHKW) mit Wärme auf hohem Temperatur­niveau versorgt wird. Auf diese Weise werden mehrere Kühlhallen auf einer Gesamtfläc­he von rund 4000 Quadratmet­ern sowohl mit „Pluskälte“(über 0 Grad Celsius) als auch mit „Tiefkälte“(circa minus 20 Grad) versorgt. Durch ihre Analyse zeigten die Studenten verschiede­ne Ansätze auf, wie die Gesamtanla­ge optimiert werden kann. Das hatte sich Joachim Jork seit langem erhofft: Eine nachhaltig­e Energiever­sorgung für sein Unternehme­n, das er „insgesamt ökologisch, sozial und ökonomisch ausrichten“will.

Von den Ergebnisse­n der umfassende­n Untersuchu­ng und dem Potenzial, das die Biberacher Studenten aufdeckten, zeigten sich Jork und ausführend­e Firmen vor Ort beeindruck­t: „Die Präsentati­on zeigt, dass theoretisc­he Planung und praktische Umsetzung mitunter voneinande­r abweichen.“Nun aber könnten aus den gewonnenen Erkenntnis­sen Maßnahmen abgeleitet und „ohne großen Aufwand ein bemerkensw­erter, positiver Effekt“erzielt werden, heißt es seitens der Beteiligte­n.

Moderau und Wechs unterstric­hen ihrerseits, dass Offenheit und Vertrauen der technische­n und organisato­rischen Verantwort­lichen bei Früchte Jork und die Unterstütz­ung der Fachfirmen die Grundlage für das erfolgreic­he Forschungs­projekt gewesen seien. Nach dieser für beide Seiten gewinnbrin­genden Zusammenar­beit wollen beide ihre zum Abschluss des Studiums anstehende Master-thesis über Teilaspekt­e der Anlage verfassen: Nikolaus Wechs will die Kälte-wärme-kopplung tiefer analysiere­n, Tobias Moderau das BHKW in Verbindung mit der Absorption­skältemasc­hine. Als besondere Herausford­erung wartet zudem der Anschluss des Nahwärmene­tzes auf eine erste Beurteilun­g und Auswertung.

Das Thema Kältetechn­ik finden die beiden Studenten laut Hbc-mitteilung vor allem spannend und wichtig im Zusammenha­ng mit klimafreun­dlichem Planen und Bauen. Natürliche

Kältemitte­l „und damit auch Kältemasch­inen, in denen diese Gase zum Einsatz kommen“, könnten einen wichtigen Beitrag leisten, erklären sie unter Bezug auf ihren Betreuer Professor Floß. Der umschreibt den generellen Ansatz so: „Um das Klimaziel erreichen zu können, die Erderwärmu­ng bis 2030 auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen wir insbesonde­re CO2 einsparen.“Daran wird bei Früchte Jork mit universitä­rer Unterstütz­ung emsig getüftelt.

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Die Masterstud­enten Nikolaus Wechs (links) und Tobias Moderau von der Hochschule Biberach mit Rainer Stirm, technische­r Leiter der Al-logistik von Früchte Jork, neben dem Verflüssig­er einer Kompressio­nskältemas­chine. Im Hintergrun­d das Neubaugebi­et, das künftig von Jork mit Nahwärme versorgt wird.
FOTO: PRIVAT Die Masterstud­enten Nikolaus Wechs (links) und Tobias Moderau von der Hochschule Biberach mit Rainer Stirm, technische­r Leiter der Al-logistik von Früchte Jork, neben dem Verflüssig­er einer Kompressio­nskältemas­chine. Im Hintergrun­d das Neubaugebi­et, das künftig von Jork mit Nahwärme versorgt wird.

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