Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Genossenschaft erhöht Anzahl ihrer Wohnungen
Ravensburger Bau- und Sparverein zeigt aktuell, was bei effektiver Nutzung von Flächen rauszuholen ist
- In Ravensburg herrscht Wohnraummangel und auch Bauplätze sind knapp. Neue Baugebiete werden wegen des Flächenverbrauchs mittlerweile kritisch gesehen. Teil der Lösung soll auch in Ravensburg nach Vorstellung der Stadt die „verträglich Nachverdichtung“sein – ein Wort, das für viele Bürger nach Sardinenbüchse klingt. Doch das muss es nicht sein. In Ravensburg zeigt derzeit eine Genossenschaft, wie man auf ein und derselben Fläche die Zahl der Wohnungen fast verdreifacht werden kann. Mit Enge hat das nichts zu tun.
Im Ravensburger Wohngebiet Galgenhalde, das zur Weststadt gehört, besitzt die Genossenschaft „Bau- und Sparverein“39 Mehrfamilienhäuser. Zwei davon, die in den 1950er-jahren gebaut wurden, werden Ende des laufenden Jahres abgerissen, 33 Wohnungen fallen dadurch weg. Gleichzeitig entstehen aber in diesem Bereich 103 neue Wohnungen. Wie das geht, erklären die Vorstände Lothar Reger und Jörg Seiffert bei einem Rundgang.
Direkt an der Meersburger Straße stehen schon seit Monaten Bauzäune, dahinter wird fleißig gearbeitet. Entlang der Straße entstehen drei Gebäudeteile, die am Ende miteinander verbunden sein werden. In den ersten Gebäudeteil sollen bereits zum 1. Juni 2021 Mieter einziehen können.
Das zweite Gebäude, mit dessen Bau Anfang dieses Jahres begonnen wurde, soll nach Angaben des Bauund Sparvereins bis zum 31. Januar 2022 bezugsfertig sein. In einem dritten Bauabschnitt wird eine Tiefgarage gebaut und der dritte und mittlere Teil des Längsgebäudes an der Straße ergänzt. Zwei dahinterliegende Gebäude (hellgelber Anstrich) aus den 1950er-jahren werden Ende dieses Jahres abgerissen und durch zwei Neubauten ersetzt. Das ganze Projekt kostet den Bau- und Sparverein 23 Millionen Euro.
Die Zahl der Wohnungen in diesem Bereich wird sich am Ende verdreifacht haben. Wo der Längsbau entlang der Meersburger Straße entsteht, befanden sich laut Bau- und Sparverein zuletzt Garagen, eine Gasumspannstation und eine eingeschossige Malerei. Die Bebauung freier oder nicht optimal genutzter Flächen innerhalb der Stadt – genau das ist mit dem abstrakten Begriff der Nachverdichtung gemeint. Das zu fördern, ist Forderung von Klimaaktivisten, aber bereits auch Agenda auf verschiedenen politischen Ebenen. Das baden-württembergische Wirtschaftsministerium hat zum Beispiel mit einigen Partnern bereits eine Preis ausgelobt für sogenanntes Flächenrecycling. Das heißt vor allem, dass auch brachliegende Industrie- oder anderweitig ungenutzte Grundstücke für Wohnungsbau genutzt werden.
Und Lothar Reger vom Bau- und Sparverein sagt: „In Zukunft funktioniert Nachverdichtung durch das Bauen in die Höhe, das ist für mich das A und O.“Die Genossenschaft verfolgt diese Strategie schon länger: In den vergangenen Jahren habe man zehn Wohnungen in der Galgenhalde durch Aufstockungen von Wohnhäusern gebaut, „ohne einen Quadratmeter Baugrund zusätzlich zu versiegeln“, so Reger. Auch die Stadt Ravensburg selbst hat mit ihrem Eigenbetrieb Städtische Wohnungen ähnliches vor: Sie will Wohngebäude der Stadt, zum Beispiel in der Grünlandsiedlung, aufstocken und somit die Anzahl dringen benötigten günstigen Wohnungen erhöhen.
Dass der Begriff Nachverdichtung auch Ängste auslösen kann, zeigen Äußerungen von Fürsprechern der Bürger in der Weststadt. Cdu-stadtrat Rolf Engler sprach in einer politischen Debatte zum Thema Wohnbau im Januar davon, die Menschen in der Galgenhalde fühlten sich „überfahren“. Reger hingegen schildert glaubhaft, dass der Bau- und Sparverein bemüht ist, die Bewohner bei dieser Entwicklung mitzunehmen. Wer in den Häusern gelebt hat, die abgerissen werden sollen, habe die Möglichkeit erhalten, innerhalb des Quartiers umzuziehen. Auch mit der Agenda-gruppe Weststadt stehe man in Kontakt.
Und Reger versucht, mit Argumenten mögliche Ängste abzubauen. Die Bestandshäuser, die noch abgerissen werden, seien dreigeschossig gewesen, künftig baue man viergeschossig. Höher werde das künftige Gebäude durch ein zusätzliches Wohngeschoss aber nicht, weil mit Flachdach gebaut wird. Somit könne man einfach den Raum besser ausnutzen und verliere selbst im obersten Stockwerk kein Platz durch Dachschrägen.
Zur Befürchtung, mehr Bewohner würden mehr Verkehr in die Galgenhalde bringen, erklärt er, dass man von der Meersburger Straße in die Tiefgarage einfahren werde. „Es werden sogar weniger Autos ins Gebiet
„In Zukunft funktioniert Nachverdichtung durch das Bauen in die Höhe, das ist für mich das A und O.“
reinfahren als bisher.“Er wünscht sich sogar, dass künftig noch weniger Stellplätze für Wohnungen vorgeschrieben werden – so spare man beim Bauen weiteren Platz und Kosten. Wo die Bushaltestelle vor der Haustüre liege, wie in der Meersburger Straße, sei das unproblematisch. Ohnehin habe gar nicht jeder Mieter des Bauund Sparvereins ein Auto.
Dauerthema in Ravensburg sind auch die außergewöhnlich hohen Mieten. Im Eigenbetrieb der Stadt sollen Sozialwohnungen entstehen, doch bisher ist noch keine einzige zusätzliche solche Wohnung gebaut worden.
Damit die Stadt diesen Mangel beheben kann, sind auch private Partner wichtig, die das Bündnis für Bezahlbaren Wohnraum mittragen. Der Bau- und Sparverein zählt dazu, der ohnehin nicht im Luxussegment baut, sondern ohnehin schon auf mäßige
Lothar Reger,
Bau- und Sparverein Ravensburg Mieten setzt. Mit dem Galgenhalde-projekt wird die bisher vermutlich noch ein- oder niedrig zweistellige Zahl von bereits fertigen Bündniswohnungen deutlich steigen. Von den 103 Wohnungen in der Galgenhalde werden 21 Stück mit Mietabschlag angeboten.
Nachverdichtung, enger als im Einfamilienhaus mit anderen zusammenzuleben, darin erkennen viele Bewohner auch einen Vorteil. „Mir gefällt das Konzept gut, dass in einer Zeit der totalen Individualisierung Wert auf gemeinsames Wohnen und Leben gelegt wird“, sagt Rudolf Hagmann, Prälat im Ruhestand, der erst kürzlich in ein Haus des Bau- und Sparvereins in der Galgenhalde eingezogen ist. Er empfinde das als sprichwörtlichen Blick über den Gartenzaun.
Dass es unter den Bewohnern sogenannte Hauspaten gibt, die als Bindeglied zwischen Bewohnern und Genossenschaft fungieren, hält der pensionierte Pfarrer für richtig. „Der Hauspate ist Anwalt dieses Miteinanders.“Die wird es, wenn der Bau- und Sparverein bei diesem Konzept bleibt, wohl auch in den neuen Häusern geben.