Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Der Mann, der immer dienstags kommt
Seit sieben Jahren spendet ein 77-Jähriger der Weingartener Tafel jeden Monat Waren für 170 Euro
- Jeden zweiten Dienstag steht er mit einem großen Paket vor der Tür des Weingartener Tafelladens Carisatt: Sechs Mal Mehl, sechs Mal Zucker, sechs Mal Würstchen, sechs Mal Thunfisch und sechs Mal Milch. Lange Zeit hat Simone Prommer, Ehrenamtskoordinatorin im Fairkauf-center in Weingarten, gerätselt, wer der gute Spender sei. Doch seinen Namen gab er ihr nicht preis. Bis sie ihm eines Tages eine kleine, nette „Falle“stellte. „Prommer“, sagte sie und streckte ihn die Hand entgegen. Es war wohl eher ein freundlicher Reflex, dass der Mann ihre Hand nahm und seinen Namen sagte. Bis zu diesem Zeitpunkt war er „der Mann, der immer dienstags kommt“.
Das Geheimnis, wer dieser Mann ist, wird auch in diesem Artikel nicht preisgeben. Denn Harald P. – so soll er hier heißen – will anonym bleiben und auch kein Bild von sich in der Zeitung sehen. „Ich will nicht als Held dargestellt werden“, sagt der 77-Jährige. „Helden sind anders als die Masse. Ich bin ein ganze normaler Mensch.“
Klar sei es etwas Besonderes, jeden Monat Waren im Wert von fast 170 Euro an die Weingartener Tafel zu spenden. Und das mittlerweile seit sieben Jahren. Warum er sich dennoch zu einem Gespräch bereit erklärt hat, sei einfach zu erklären. „Vielleicht denkt jemand, der das liest, das könnte ich auch tun“, sagt der 77-Jährige. Natürlich sei ihm bewusst, dass nicht jeder 170 Euro für eine Warenspende ausgeben könne. Aber: Vielen gehe es in der Region Oberschwaben sehr gut und eine kleine Spende wäre auch hilfreich. „Ich glaube das ist eine gute Sache“, sagt er. Harald P. hat sich, wie es ein gelernter Maschinenbautechniker eben gewohnt ist, einen Plan gemacht.
Bei seiner Auswahl hat er nicht nur berücksichtigt, was im Tafelladen besonders gebraucht wird. Er kauft auch das ein, was er selbst isst, wie Tunfisch, Brathering oder die Waldfruchtmarmelade, die er gerne mag. Sechs Mal „Bärenmilch“sind an einem Tag auch immer dabei. „Meine Frau hat die immer in ihren Kaffee gemacht“, erzählt er.
Es ist ein kleiner Tribut an seine Frau, die vor zwölf Jahren gestorben ist. Seitdem lebt er allein. Der Verlust wiegt schwer, sagte er. Er kann ihren Tod nicht verwinden. Immer noch nicht. Über 40 Jahre waren die beiden verheiratet. Kinder haben sie keine. „Es ist für mich ein Unding, dass sie nicht mehr da ist“, sagt der 77-Jährige.
Die Spende gebe ihm ein gutes Gefühl. „Es tut gut, etwas zu geben“, sagt er, „Es beruhigt mich, dass ich etwas Gutes tue, auch wenn ich weiß, meine Spende ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“Er habe damals einen Artikel in der „Schwäbischen Zeitung“über Carisatt gelesen und sich dann entschieden, Lebensmittel zu spenden.
Auf Spenden wie diese ist Carisatt angewiesen. Gerade in Coronazeiten, sind Mehl, Reis, Nudeln oder andere länger haltbare Lebensmittel knapper geworden. „Wir haben zurzeit nicht mehr die Aktionen ’Kauf eins mehr’“, erklärt Simone Prommer den Mangel. Nachfrage sei in den vergangen vier bis sechs Wochen noch einmal gestiegen.
„Wir haben mehr Neukunden“, sagt Prommer und das bei einem schmaleren Angebot. Das macht sich insbesondere bei Obst und Gemüse bemerkbar. Es muss limitiert werden, das heißt, niemand kann so viel kaufen wie er gerne möchte oder braucht. Viele Migranten, aber auch Rentner und Alleinerziehende gehören zu den Tafel-kunden. Dreimal in der Woche hat Carisatt geöffnet: Dienstag von 14.15 bis 16.30 Uhr, Donnerstag von 9.30 bis 11.30 Uhr, Freitag von 14.15 bis 16.30 Uhr. Mittwochs gibt es zusätzlich für zwei Euro ein Mittagessen zum Mitnehmen.
Im September sind es acht Jahre, in denen Harald P. spendet. „Ich habe noch keinen Tag gehungert, trotz alldem was ich bislang gespendet habe“, sagt er.
Aktuell sucht Carisatt einen ehrenamtlichen Fahrer, der alle zwei Wochen am Freitagmorgen die Bäckertour macht. Interessenten können sich bei Simone Prommer unter der Telefonnummer 0751 / 7646320 oder per E-mail unter prommer.s@caritas-bodensee-oberschwaben.de melden.