Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Der Enzian blüht im Wurzacher Ried
Auch kalkreiche Niedermoorflächen bieten der geschützten Pflanze Lebensraum
(sz) - Blau blüht der Frühlings-enzian derzeit im Wurzacher Ried. Die meist nur wenige Zentimeter hohe Pflanze streckt ihre azurblauen Blüten der Sonne entgegen und bildet leuchtende Farbtupfer auf den Pfeifengraswiesen, teilt das Naturschutzzentrum mit.
Dieser Standort mag ungewöhnlich erscheinen für eine Pflanze, die man sonst von sonnenbeschienenen Almwiesen und kargen Magerrasen der Gebirge kennt. Doch auf kalkhaltigen, nährstoffarmen Böden kühler Standorte kann die Art auch bei uns bestehen. Im Wurzacher Ried finden sich solche Bedingungen auf den kalkreichen Niedermoorflächen, die durch regelmäßige Pflegeeinsätze vor Verbuschung und Nährstoffanreicherung geschützt werden und Raritäten wie dem Frühlings-enzian Lebensraum bieten.
Hier bildet die Art lockere Bestände zwischen Pfeifengras und Mehlprimel. Die Grundblätter des Frühlings-enzians sind in einer Rosette angeordnet, aus der sich der kantige Stängel mit einer einzelnen Blüte aus fünf blauen, ausgebreiteten Blütenzipfeln erhebt. Sie ist mehr durch Leuchtkraft als durch Größe zwischen dem dichten Bodenbewuchs erkennbar. Bei schlechtem Wetter oder niedrigen Temperaturen bleiben die Blüten geschlossen.
Die Blütenform der sogenannten Stieltellerblüte und die Farbgebung zeigen an, dass der Frühlings-enzian insbesondere von Tagfaltern oder Hummeln mit langen Saugrüsseln bestäubt wird. Die Ausbreitung der Samen erfolgt durch den Wind sowie durch Ameisen.
Der Frühlings-enzian trägt auch den Namen „Schusternägele“, da seine Blüte an die breitköpfigen Holznägel erinnert, die früher von Schustern verwendet wurden. Um die Art ranken sich viele Legenden. Je nach Region werden Sommersprossen ferngehalten, wenn man die Pflanze ins Badewasser von Kindern gibt, oder angezogen, wenn man an ihr riecht.
Im Volksmund waren auch die Namen Wetter- oder Blitznagel gebräuchlich, da man glaubte, die Pflanze würde Blitzeinschläge anziehen, wenn man sie nach Hause mitnimmt. Sogar der Tod eines Menschen wurde prophezeit, sollte man sie pflücken. Wer weniger abergläubisch ist, sollte den Frühlings-enzian dennoch nicht mitnehmen, denn er steht unter Naturschutz und darf daher weder gepflückt noch ausgegraben werden.
Das Naturschutzzentrum präsentiert unter der Rubrik „Moor-momente“regelmäßig Spannendes und Unterhaltsames aus der vielfältigen Tierund Pflanzenwelt des Wurzacher Rieds. Dabei werden Arten vorgestellt, die die Besucher aktuell im Ried antreffen können.