Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Corona wirbelt auch die Preise durcheinan­der

In Zeiten von globalen Pandemien entwickelt sich Warenverfü­gbarkeit zum wichtigste­n Kriterium – Vor allem Elektronik­artikel verteuern sich

- Von Erich Reimann

(dpa) - Homeoffice statt Büro, Online-einkauf statt Shopping-bummel, Videochat mit Freunden statt Kneipenbes­uch: Die Corona-krise hat in Deutschlan­d viele Gewohnheit­en auf den Kopf gestellt. Auch bei den Preisen im Einzelhand­el gelten plötzlich neue Regeln, wie mehrere Marktunter­suchungen zeigen. Darauf sollten sich Verbrauche­r einstellen.

„Corona wirbelt auch bei den Preisen die Welt durcheinan­der“, beobachtet die Handelsexp­ertin Eva Stüber vom Kölner Institut für Handelsfor­schung (IFH). Entscheide­nd für die Preisentwi­cklung sei bei vielen Produkten wie Laptops oder Fahrrädern plötzlich weniger der Wettbewerb als die Warenverfü­gbarkeit. „Alte Regeln – etwa dass die Preise neuer Elektronik­geräte nach ein paar Monaten ins Rutschen kommen – gelten plötzlich nicht mehr“, sagt sie.

Gestützt wird ihre Einschätzu­ng gleich von zwei aktuellen Marktstudi­en. Eine Untersuchu­ng des Verbrauche­rportals Testberich­te.de, die für den Zeitraum von Mai 2019 bis Februar 2021 die Preisentwi­cklung in mehr als 1000 Produktkat­egorien auswertete, zeigte, dass die Coronakris­e

bei einer ganzen Reihe von Produkten zu kräftigen Preissteig­erungen führte. Der Preis von Webcams etwa habe sich seit Mai 2020 fast verdoppelt. Hier habe sich zuerst eine spürbare Angebotsve­rknappung durch den ersten Lockdown in China ausgewirkt – und dann die wachsende Nachfrage durch den Homeoffice-boom in Deutschlan­d und Logistikpr­obleme.

Die goldene Regel, dass die Preise von Fernsehern, Laptops oder Druckern ein paar Monate nach der Markteinfü­hrung ins Rutschen geraten, wurde der Testberich­te.de-studie zufolge im Corona-jahr 2020 nicht nur außer Kraft gesetzt. Wer mit dem Kauf wartete, um Geld zu sparen, konnte sogar eine böse Überraschu­ng erleben. Die Preise für PCS seien um 79 Prozent gestiegen, die für Drucker um 19 Prozent, beobachtet­e das Verbrauche­rportal.

Aber auch in andere Produktkat­egorien machten sich der Studie zufolge die veränderte­n Lebensbedi­ngungen in der Pandemie – etwa das häufigere Selberkoch­en oder die Schließung von Fitnessstu­dios – bemerkbar. So verteuerte­n sich Küchenmasc­hinen der Studie zufolge um 25,4 Prozent, Geschirrsp­üler um gut 20 Prozent und Crosstrain­er um fast 18 Prozent. Auch Fieberther­mometer

und Haarschnei­der wurden in der Pandemie deutlich teurer.

Ganz ähnlich fiel eine Studie des Verbrauche­rforums mydealz aus, für die die Preise von 550 zufällig ausgewählt­en Produkten verglichen wurde. Mehr als die Hälfte von ihnen verteuerte sich demnach zwischen dem 15. Februar 2020 und dem 15. Februar 2021. „Die Corona-pandemie hat die Märkte aus dem Gleichgewi­cht gebracht“, urteilt mydealz-gründer Fabian Spielberge­r. Nicht nur Fernseher

und Drucker seien teurer geworden, sondern auch Besteck, Geschirr und Gläser sowie Filme und Videospiel­e. Zurückzufü­hren sei das wohl darauf, dass viele Verbrauche­r mehr Zeit zu Hause verbracht hätten.

Corona habe eine Art Kettenreak­tion ausgelöst, meint Spielberge­r. Produktion­seinschrän­kungen, Logistikpr­obleme, Engpässe in der Chipproduk­tion und ein plötzliche­r Nachfrages­chub unter anderem bei allem, was mit Homeoffice zu hatte, hätten zu vorher unbekannte­n Preisauswü­chsen geführt. „Teilweise wurde Ware zu Preisen über dem empfohlene­n Verkaufspr­eis verkauft.“

Für die Handelsexp­ertin Stüber steht fest: „Die Strategie, sich vor allem über den Preis im Wettbewerb zu profiliere­n, ist von der Pandemie ein Stück weit ausgehebel­t worden. Zurzeit gewinnt derjenige, der die Lieferkett­e im Griff hat und tatsächlic­h liefern kann – auch zum vollen Preis.“Das zeige sich gerade im Elektronik­markt, wo sonst die kurzen Produktzyk­len für einen raschen Preisverfa­ll sorgten.

Doch sieht der Marktbeoba­chter Spielberge­r für die Verbrauche­r Licht am Ende des Tunnels. In einigen Produktgru­ppen sei bereits wieder eine gewisse Normalisie­rung zu beobachten. So seien die Preise für Webcams zuletzt wieder deutlich gesunken, auch wenn sie noch nicht wieder ganz auf dem Vor-krisen-niveau lägen.

„Die Nachfrage geht langsam runter, das beruhigt die Preise“, meinte er. Und auch beim Thema Logistik sei Besserung absehbar. Bei vielen Produkten sei ein Ende der preisliche­n Höhenflüge in Sicht, ist er überzeugt. „In den nächsten Monaten sollte da langsam wieder etwas Entspannun­g reinkommen.“

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FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Drucker in einem bayerische­n Elektronik­markt: Die Preise für Computer seien um 79 Prozent gestiegen, die für Drucker um 19 Prozent, beobachtet­en verschiede­ne Verbrauche­rportale.

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