Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
U-bahn-fahrt in den Tod
Beim Einsturz einer Metrobrücke in Mexiko-stadt sterben mindestens 23 Menschen
- Es war eine der letzten Fahrten der U-bahnlinie 12 von Mexiko-stadt am späten Montagabend. Sie endete für mindestens 23 Menschen mit dem Tod, rund 80 wurden mit zum Teil schweren Verletzungen in die umliegenden Krankenhäuser gebracht. Es war kurz vor 22:30 Uhr, als ein Zug der „goldenen Linie“vom Metrosystem der mexikanischen Hauptstadt mit hoher Geschwindigkeit zwischen den Stationen Tezonco und Olivos im Südosten der Metropole unterwegs war und plötzlich ein Eisenträger des Brückensystems nachgab und mehrere Waggons rund 20 Meter in die Tiefe stürzten. Unter den Opfern befänden sich auch Kinder, sagte die Bürgermeisterin Claudia Sheinbaum, die sich umgehend zur Unglücksstelle begab. Ursachen des schwersten Unglücks in Mexiko-stadt seit dem Erdbeben vom 19. September 2017 könnten Pfusch am Bau und Behördennachlässigkeit gewesen sein.
An der Unfallstelle wird die Linie überirdisch über der Verkehrsader
Avenida Tláhuac geführt, die auch am späten Abend noch stark befahren war. Auf einem Überwachungsvideo sieht man, wie plötzlich ein Brückenpfeiler der Station Olivos kurz vor Einfahrt des Zuges nachgibt, Staub aufgewirbelt wird, darin zwei Waggons auf die Straße stürzen und mindestens einen Pkw unter sich begraben. Überlebende berichteten hinterher, der Zug sei für diese Uhrzeit ungewöhnlich voll gewesen, viele Passagiere mussten stehen.
Mit Mexikos U-bahn fahren jeden Tag zwischen fünf und sechs Millionen Passagiere, sie ist eines der meistgenutzten Metrosysteme der Welt. Allerdings sind die Waggons und die Infrastruktur schlecht gewartet. Unfälle, Brände und durch Baumängel verursachte vorübergehende Streckenschließungen gehören zur Metro von Mexiko-stadt wie die chronische Überfüllung. Die Linie 12 hat dabei eine besonders lange Geschichte von Mängeln aufzuweisen.
Zwei der orange-grün gestrichenen Waggons des Unglückszugs stürzten bei der Katastrophe wie ein V auf die Straße, und bis zum frühen
Dienstagmorgen konnten 20 Personen nur noch tot geborgen werden, drei starben später im Krankenhaus. Mindestens 79 Menschen wurden verletzt und in die nahe gelegenen staatlichen Krankenhäuser gebracht.
„Wir hörten plötzlich ein fürchterliches Geräusch und wurden beim Herabfallen des Waggons gegen die Decke geworfen“, sagte die 26-jährige Mariana, die das Unglück leicht verletzt überlebte, der Zeitung „El Universal“. Rund eine Viertelstunde seien die Passagiere in den U-bahnwagen eingeklemmt gewesen, bis Hilfe kam und sie die Fenster einschlagen konnten. Die rasch herbeigeeilten Retter versuchten, die Verletzten mit Leitern aus den Unglückswaggons zu bergen. Zwischenzeitlich wurden die Rettungsarbeiten abgebrochen, aus Angst vor weiter kollabierenden Strukturen.
Die Linie 12 ist die jüngste Erweiterung des großen mexikanischen Ubahnnetzes. Sie wurde in den Jahren 2006 bis 2012 unter dem damaligen Bürgermeister Marcelo Ebrard gebaut, der heute Außenminister der Linksregierung Mexikos ist. Nach
Fertigstellung der Linie gab es Ermittlungen gegen 30 Beamte wegen Korruption beim Bau.
Nach dem Erdbeben vom September 2017 klagten Anwohner nahe der Unglücksstelle darüber, dass die Brückenstruktur der U-bahn durch die Erdstöße Schäden erlitten habe. 2018 wurde dann offensichtlich der jetzt kollabierte Pfeiler repariert. Noch vor einem Jahr sei die Struktur der Linie 12 an dieser Stelle erneut überprüft worden, sagte Bürgermeisterin Sheinbaum in der Nacht und versprach eine internationale Untersuchung zu den Unfallursachen. Bereits 2014 war der Betrieb der Linie 12 für Reparaturen monatelang unterbrochen worden.
Präsident Andrés Manuel López Obrador nannte den Einsturz eine „schreckliche Tragödie“und sprach den Opfern und deren Familien seine Solidarität zu. „Absolut nichts wird unter den Teppich gekehrt werden, das Volk muss die Wahrheit kennen“, sagte der Staatschef am Dienstag. Und: „Eine große Umarmung für die Angehörigen der Opfer und alle erdenkliche Hilfe für die Verletzten!“