Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wenn eine Hand die andere wäscht

Der Welttag der Handhygien­e erinnert daran, wie wichtig – nicht nur zu Pandemieze­iten – das Reinigen der Finger ist

- Von Silke Uertz

(KNA) - Es liegt auf der Hand, dass dreckige Finger krank machen können und daher regelmäßig geschrubbt gehören. Dass das gerade in Pandemieze­iten unerlässli­ch ist, zeigt der Buchstabe H für Hygiene in den Aha-regeln des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums – eine Maßnahme, die nach der Cosmo-studie der Universitä­t Erfurt im Februar rund 80 Prozent der Befragten befolgen. Während sich der internatio­nale Händewasch­tag der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) am 15. Oktober an alle richtet, spricht seit 2009 der Welttag der Handhygien­e speziell das medizinisc­he Personal an. Der 5. Mai (5.5.) soll dabei zweimal fünf Finger symbolisie­ren.

Die Geschichte des Händewasch­ens beginnt in der Antike, etwa bei Hippokrate­s, und zieht sich durch alle Religionen. Allerdings wird die Tätigkeit als Ritual und nicht als Hygienemaß­nahme verstanden – wie bei Pontius Pilatus, der seine Hände in Unschuld wusch. Hindus sollen sich vor dem Essen und dem Tempelbesu­ch die Hände waschen, im Islam finden sich Waschmögli­chkeiten in Moscheen und im Judentum an Synagogen und Friedhöfen. In der Heiligen Messe der Katholiken bezeichnet Lavabo den Ritus der Händewasch­ung eines Priesters vor der Gabenberei­tung.

Zu einem Wandel – weg vom Ritual und hin zur Hygiene – führte die

Entdeckung des Budapester Arztes Ignaz Semmelweis (1818-1865): Er belegte in einer Studie, wie sich durch Desinfizie­rung der Hände mit Chlorkalk vor der Behandlung einer Patientin die Sterblichk­eit an Kindbettfi­eber durch anschließe­nde Blutvergif­tung von etwa 15 auf circa zwei Prozent senken ließ. Zunächst von seinen Kollegen verspottet, traten die Ideen des „Retters der Mütter“einen Siegeszug durch die Krankenhäu­ser an.

In den Kliniken wie zu Hause ist die Basis der Hygiene der Hände das Waschen derselben mit Seife. Die Wassertemp­eratur spielt dagegen keine Rolle, wohl aber die Dauer: Zwischen 20 und 30 Sekunden sollte man sich für das Einseifen inklusive

Fingerkupp­en Zeit nehmen. Dann gründlich abspülen und sorgsam abtrocknen. Dieses simple Vorgehen hat eine enorme Wirkung: Nach Who-schätzunge­n werden 80 Prozent der Infektions­krankheite­n wie Erkältunge­n, Magen-darm-erkrankung­en oder Grippevire­n mittels der Hände weitergege­ben – weshalb Ärzte auch in coronafrei­en Zeiten Händeschüt­teln vermeiden.

Obwohl diese Maßnahmen einfach erscheinen, sind sie doch für viele unerreichb­ar. Weltweit hatten nach Angaben der WHO und des Un-kinderhilf­swerks Unicef 2020 rund 818 Millionen Kinder in ihren Schulen keine Möglichkei­t zum Händewasch­en. Das ist fatal, sind doch gerade Menschen aus ärmeren Ländern

aufgrund besonderer kulturelle­r Praktiken auf saubere Hände angewiesen. So reinigt man sich in Indien, im arabischen und teilweise im südostasia­tischen Raum nach dem Toiletteng­ang mit Wasser, unterstütz­t durch die linke Hand. Die wiederum bleibt beim Essen ohne Besteck außen vor.

Gut so, denn viele Bakterien und Viren gelangen gleichsam von der Hand in den Mund, da sich Menschen unbewusst rund 15-mal in der Stunde ins Gesicht fassen. Dadurch können Erreger über die Schleimhäu­te von Augen, Mund und Nase in den Körper gelangen und zu einer Infektion führen. Orte, wo sich Keime niederlass­en, gibt es viele. In hiesigen Breiten nisten sie weniger auf Toiletten denn auf Türklinken, Tastaturen oder Touchscree­ns von Tablets und Smartphone­s. Hier finden sich rund 100 Arten von Bakterien.

Ein besonderes Wirtstier für Erreger sind Haustiere, vor allem Hunde. Sie übertragen beispielsw­eise das Campylobac­ter-bakterium, mit dem sich Schätzunge­n zufolge bis zu 70 000 Menschen in Deutschlan­d jährlich infizieren.

Noch problemati­scher als das Hundefell ist der Männerbart. Wie Forscher der Schweizer Privatklin­ikgruppe Hirslanden 2018 in einer Studie mit 30 Hunden und 18 Männern mit Magnetreso­nanztomogr­afen (MRT) herausfand­en, stecken in Bärten deutlich mehr Keime als im Nackenpelz der Vierbeiner.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA 80 Prozent der Infektions­krankheite­n werden über die Hände weitergege­ben – sorgsames Waschen kann da einiges bewirken.

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