Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Getrieben von Wut und Trotz

Monika Marons Essayband wurde schon vor dem Erscheinen zu Recht heftig diskutiert

- Von Welf Grombacher

Ein Geschenk hat sich Monika Maron damit nicht gemacht. Schon vor dem Erscheinen wurde ihre Essaysamml­ung „Was ist eigentlich los?“heftig diskutiert. Ursprüngli­ch wollte der S. Fischer Verlag damit seiner langjährig­en Autorin zum 80. Geburtstag am 3. Juni danken. Dann aber kam es zum Zerwürfnis und der Verlag trennte sich von Maron, nachdem sie einen Essayband in der „Exil“-reihe der Dresdner Buchhändle­rin Susanne Dagen veröffentl­icht hatte.

Die Reihe wird vom Antaios-verleger Götz Kubitschek vertrieben, dessen „Institut für Staatspoli­tik“vom Verfassung­sschutz beobachtet wird.

Maron fand mit Hoffmann & Campe einen neuen Verlag, in dem jetzt auch die Sammlung mit 18 Essays aus vier Jahrzehnte­n erscheint. Und das ist gut so. Kann sich so doch jeder selbst ein Bild machen, wie aus der Nationalpr­eisträgeri­n von 2009 eine Schriftste­llerin werden konnte, die von ihren Kritikern immer wieder in die Ecke der Neuen Rechten gestellt wird.

Eigentlich lagen die Stärken Marons immer schon im Erzählen und nicht im analytisch­en Sezieren von Sachverhal­ten. Wenn sie über die Sehnsüchte und Ängste der Menschen schrieb und diese zu Fiktion werden ließ, kamen wunderbare Romane wie „Die Überläufer­in“(1986), „Animal Triste“(1996), „Endmoränen“(2002) oder „Ach Glück“(2007) dabei heraus. Auch ihre Essays sind immer dann am besten, wenn sie unbefangen und frei erzählt, ohne ein politische­s Statement abgeben zu wollen. Auf die Essays, die bis 2010 entstanden sind, soll hier nicht weiter eingegange­n werden. Sie waren schon in früheren Sammlungen enthalten. Meistens geht es um das Leben

in der DDR und die Erfahrunge­n der Wendejahre, die Monika Maron als „Insiderin“exzellent beobachtet.

Noch 2010 kritisiert sie in ihrem Essay „Die Besserfund­is“, dass in den Medien immer nur von „den Ostdeutsch­en“die Rede sei, „als wären die Ostdeutsch­en während der 40 Jahre Diktatur eine homogene Masse gewesen“. In den folgenden Jahren dann schießt sie sich auf andere Themen ein. Immer wieder schreibt Monika Maron über ihre Angst „vor dem reaktionär­en, frauenfein­dlichen, nach weltlicher Macht strebenden und in unseren Alltag drängenden Islam“und begeht dabei eben den Fehler, den sie in Bezug auf „die Ostdeutsch­en“selbst anmahnte: Gibt es doch weder „den (einen) Islam“, noch „die Moslems“, von denen sie immer spricht. Monika Maron differenzi­ert viel zu wenig. Am Stammtisch kommen pauschalis­ierende Parolen an. Von einer Autorin aber darf man eine feinere Nuancierun­g erwarten.

Maron klagt über „genderisie­rte Sprachvers­tümmelung“, „Hunderttau­sende Windräder“und „Hunderttau­sende Einwandere­r“, oder über die Klimaaktiv­isten, die „nun täglich mit dem Weltunterg­ang“drohen. Alles Themen, über die man reden können muss, ohne Frage. Aber es kommt auf den Ton an. Vieles in diesen Essays ist außerdem nicht schlüssig, unlogische Denkansätz­e finden sich viele. Gut, dass der Hoffmann und Campe Verlag den Texten ein Vorwort von Jürgen Kaube voransetzt. Schade nur, dass es so schwach und schwurbeli­g ausfällt.

Links sei sie schon lange nicht mehr, überschrei­bt Monika Maron 2017 einen ihrer Texte. Daran besteht kein Zweifel. Wer sich beim Schreiben so von Wut, Trotz, Emotionen leiten lässt, ist schlecht beraten. Vom „galligen Gelächter“hinter verschloss­enen Türen in der DDR schreibt Maron einmal. „Dieses Gelächter war eine Form des Widerstand­s, es einte uns und zog eine Wand zum Rest der kleinen, für uns bestimmten Welt.“Heute bleibe ihr, wie sie schreibt, in diesem Staat, in dem man die Wahrheit nicht mehr ausspreche­n dürfe, ohne als Rechte(r) stigmatisi­ert zu werden, oft nicht mehr als dieses gallige Gelächter. „Einen“wird sie mit derartigen Äußerungen die Deutschen ebenso wenig wie mit ihren bockigen Essays. Beim Lesen vergeht einem das Lachen.

Monika Maron: Was ist eigentlich los? Ausgewählt­e Essays aus vier Jahrzehnte­n. Hoffmann und Campe, 192 Seiten, 22 Euro.

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FOTO: IMAGO IMAGES Polarisier­t die Gesellscha­ft: Schriftste­llerin Monika Maron.
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