Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Neue Protestfor­m, die wir hier so noch nicht hatten“

Polizeispr­echer erklärt: Klimaaktiv­isten in der Region stehen in Verbindung mit „Hambacher Forst“-szene

- Von Wolfgang Heyer

- Die Protestakt­ion der unabhängig­en Klimaaktiv­isten, die vergangene­n Donnerstag die Zufahrten zu den Kiesgruben in Roßberg und Mennisweil­er blockiert haben, sorgt für Diskussion­en – vor allem die Art und Weise des Protests. So ordnet Polizeispr­echer Oliver Weißflog die Aktion ein.

Dass sich Demonstran­ten selbst in Gefahr bringen, indem sie quer über die Straße gespannte Seile, die den Weg versperren, als tragendes Element an ihren Hängematte­n im Baum anbringen und der Polizei im Nachgang vorwerfen, bei der Räumung mutwillig Menschenle­ben gefährdet zu haben, ist ein Vorgehen, das dem langjährig­en Polizeibea­mten Weißflog bislang nicht untergekom­men ist, wie er im Sz-gespräch selbst sagt: „Es ist eine neue und aggressive Protestfor­m, die wir hier bei uns in der Region so in den letzten Jahren nicht gehabt haben.“

Ein derartiges Vorgehen sei dem Polizeiprä­sidium allerdings bekannt, da es in anderen Regionen Deutschlan­ds bereits ähnlich gelagerte Fälle gegeben hat (Stichwort: Hambacher Forst) und die Dienststel­len sich darüber austausche­n. Die Polizei geht außerdem davon aus, dass es einen engen Austausch mit Aktivisten der „Hambacher Forst“-szene in der Region Oberschwab­en gebe und Erfahrungs­werte der dortigen Baumbesetz­ungen und Protestakt­ionen hier einfließen. Das habe sich auch bei den Vernehmung­en und Überprüfun­gen im Polizeirev­ier gezeigt. „Die aggressive bis militante Protestfor­m“des vergangene­n Donnerstag­s weise zudem darauf hin, wie Weißflog erläutert.

Dabei spricht sich der Erste Polizeihau­ptkommissa­r nicht generell gegen Demonstrat­ionen aus, „solange man sich an die rechtsstaa­tlichen Mittel hält“, sondern kritisiert vielmehr die Art und Weise des Protests: „Es hat sich eine militante Aktionsfor­m abgeleitet, die wir mit Sorge betrachten.“

Diese sorgenvoll­en Blicke richtet so mancher Beobachter auch in Richtung Waldbesetz­er-szene im Altdorfer Wald. Obgleich die unabhängig­en Klimaaktiv­isten, die die Protestakt­ion am Donnerstag durchgefüh­rt haben, und die Baumbesetz­er im Altdorfer Wald sich zunächst selbst nicht miteinande­r in Verbindung bringen wollten, geht die Polizei von einer gemeinscha­ftlichen, „größeren zusammenhä­ngenden Szene“aus, wie Weißflog erklärt.

Die Polizei geht laut dem Leiter der polizeilic­hen Pressestel­le davon aus, dass die Szene sie weiter beschäftig­en wird, und daher „werden alle Maßnahmen ergriffen, um auf Augenhöhe zu bleiben“.

Den Vorwurf der Demonstran­ten, dass die Einsatzkrä­fte während der Räumung Menschenle­ben gefährdete­n, entkräftet Weißflog am Dienstag neuerlich vehement (die SZ berichtete: „Schwere Vorwürfe der Polizei gegen Klimaaktiv­isten“, 4. Mai). Die Klimaaktiv­isten teilten beispielsw­eise zur Baumbesetz­ung im Kieswerk in Mennisweil­er mit, dass ein Aktivist beinahe herunterge­fallen wäre, „als ein Seil, an dem ein Mensch hing, einfach gehalten, abgeschnit­ten und umgeknotet wurde. Hätten die Polizisten losgelasse­n, wäre der Mensch herunterge­fallen. Es gab keine Sicherung oder Ähnliches.“Hierzu berichtet Weißflog, dass es bei der Neupositio­nierung des Seils durch die eingewiese­nen Feuerwehra­ngehörigen nichts zu beanstande­n gegeben habe. „Die Feuerwehr ist tagtäglich mit Situatione­n konfrontie­rt, in denen sie Menschen aus gefährlich­en Situatione­n befreit.“Alle einschlägi­gen Unfallverh­ütungsvors­chriften seien beachtet worden.

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FOTOS: HEY Ein Demonstran­t besetzt einen Baum am Kieswerk in Mennisweil­er.
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Sieben Feuerwehra­ngehörige helfen mit, das Seil umzuhängen.

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