Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Kommunen sollen mithelfen

Es gibt immer mehr Haushalte im Allgäu, bezahlbare­r Wohnraum ist knapp, auch die Preise fürs Bauen steigen

- Von Simone Härtle

- Die Bevölkerun­gszahl wächst im Allgäu, noch rapider steigt die Zahl der Haushalte. Kaum etwas ist derzeit in der Region so begehrt wie bezahlbare­r Wohnraum – die Nachfrage ist weit größer als das Angebot. Obwohl derzeit viel gebaut wird, bleibt die Lage angespannt. Genossensc­haften und andere Wohnungsun­ternehmen setzen auf die Zusammenar­beit mit den Städten und Gemeinden.

Etwa 700 Mietintere­ssenten stehen im Schnitt auf der Warteliste der Memminger Siebendäch­er Baugenosse­nschaft, sagt Vorstand Markus Sonntag. Aktuell errichtet das Unternehme­n im Osten der Stadt 78 Wohnungen mit Bewohner-treff und Büro für einen Quartiersm­anager, die Hälfte davon ist sozialer Wohnraum. Weitere Projekte laufen. Eine Antwort auf die Frage, ob und wann sich die Situation entspannt, hat Sonntag nicht. „Das wäre ein Blick in die Glaskugel.“Das Problem: „Die Grundstück­spreise sind heute weit höher als noch vor zehn Jahren, zudem steigen wegen knapper Rohstoffe die Kosten für Baumateria­l und auch die vielen gesetzlich­en Auflagen für Neubauten machen sich finanziell bemerkbar“, sagt Sonntag. Vorgaben beispielsw­eise für den Schall- und Brandschut­z würden immer komplexer, über kurz oder lang flössen diese Kosten in den Mietpreis ein.

Ein Weg, dem entgegenzu­treten, sei eine spezielle Förderung der Regierung von Schwaben. Hier würden die Mieten entspreche­nd des Einkommens der Mieter subvention­iert. Zudem sei es für die Baugenosse­nschaften wichtig, von den Kommunen als Partner gesehen zu werden.

„Es geht darum, Flächen zur Verfügung zu stellen, um bezahlbare­n Wohnraum zu schaffen.“

„Die Städte und Gemeinden müssen mit den Wohnungsun­ternehmen zusammenar­beiten, sonst wird es in Zukunft schwer“, sagt auch Bernhard Dopfer, geschäftsf­ührender Prokurist des Siedlungsw­erks Füssen. Das Unternehme­n habe vor nicht allzu langer Zeit zwei Projekte abgeschlos­sen, bei denen die Stadt Grundstück­e über Erbpacht angeboten hatte. „Günstig zu bauen ist mittlerwei­le sehr schwierig, sogar fast unmöglich“, sagt auch Dopfer.

Die Sozialbau, das kommunale Wohnungsun­ternehmen der Stadt Kempten, hat in den vergangene­n fünf Jahren etwa 600 Wohnungen fertiggest­ellt, sagt Geschäftsf­ührer Herbert Singer. „Wir bräuchten aber viel mehr.“Eine Erleichter­ung in puncto Wohnungsno­t sei erst zu erwarten, wenn es einen gewissen Überhang gebe. Das sei aber frühestens 2025 denkbar. „Das Schaffen von Baurecht ist wie ein schwerfäll­iger Hochseetan­ker.“Dazu kommt: In den bereits bestehende­n Wohnungen finde kaum ein Wechsel statt. „Vor zehn Jahren lag die Fluktuatio­nsrate bei zehn Prozent, jetzt sind es fünf.“Und die wenigsten verließen ihre Wohnung freiwillig, oft würden die Räumlichke­iten erst nach Todesfälle­n oder nach Umzügen der bisherigen Mieter in ein Seniorenhe­im frei.

Etwa 673 000 Menschen leben derzeit in 341 500 Haushalten im bayerische­n Allgäu. Im Jahr 2030 werden es wohl 684 000 Personen in 359 400 Haushalten sein. Das geht aus einer Studie zum Wohnraumbe­darf in der Region hervor, die die Allgäu Gmbh in Auftrag gegeben hat. Dass die Zahl der Haushalte im Vergleich zur Einwohnerz­ahl rasanter steigt, liegt demnach daran, dass es immer mehr alleinsteh­ende Senioren gibt, zudem sei ein Trend hin zur „Versingelu­ng“zu beobachten. „Führer haben in einer Dreizimmer­wohnung oft Familien gewohnt, heute sind es eher Alleinsteh­ende oder Ehepaare“, sagt auch Bernhard Dopfer.

Im Oberallgäu­er Wildpoldsr­ied hat man sich für dieses Problem eine kreative Lösung ausgedacht. Die Gemeinde hat ein Wohn- und Geschäftsh­aus mit sechs barrierefr­eien Wohnungen errichtet. Diese bietet sie nicht zum Kauf an, sondern zum Tausch gegen ein altes Haus oder ein Grundstück. „Die Idee dabei ist, dass Häuser, die nur von einer Person bewohnt werden, für eine Familie oder mehrere Parteien nutzbar gemacht werden“, sagt Bürgermeis­terin Renate Deniffel. Mittlerwei­le seien bereits zwei Neubau-wohnungen

gegen ein Reiheneckh­aus und ein Einfamilie­nhaus getauscht worden.

Dass sich die Wohnsituat­ion verändert, zeigt ein Blick in die Zahlen. Laut des Daten-dienstes „Statista“standen jedem Einwohner in Bayern 1991 etwa 37,5 Quadratmet­er Wohnfläche zur Verfügung, 2019 waren es bereits 48,2 Quadratmet­er. „Das hat auch mit Wohlstand zu tun, die Leute konnten sich größere Wohnungen leisten“, sagt Markus Sonntag. Er geht allerdings davon aus, dass sich die Wohnfläche wieder verringern wird – auch mit Blick auf die steigende Zahl an Singlehaus­halten. „Zurzeit werden vor allem kleinere Wohnungen gebaut.“

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FOTO: MATTHIAS BECKER Trotz größerer Wohnungsba­uprojekte gibt es in der Region weiterhin zu wenig bezahlbare­n Wohnraum.

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