Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Die Kommunen sollen mithelfen
Es gibt immer mehr Haushalte im Allgäu, bezahlbarer Wohnraum ist knapp, auch die Preise fürs Bauen steigen
- Die Bevölkerungszahl wächst im Allgäu, noch rapider steigt die Zahl der Haushalte. Kaum etwas ist derzeit in der Region so begehrt wie bezahlbarer Wohnraum – die Nachfrage ist weit größer als das Angebot. Obwohl derzeit viel gebaut wird, bleibt die Lage angespannt. Genossenschaften und andere Wohnungsunternehmen setzen auf die Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden.
Etwa 700 Mietinteressenten stehen im Schnitt auf der Warteliste der Memminger Siebendächer Baugenossenschaft, sagt Vorstand Markus Sonntag. Aktuell errichtet das Unternehmen im Osten der Stadt 78 Wohnungen mit Bewohner-treff und Büro für einen Quartiersmanager, die Hälfte davon ist sozialer Wohnraum. Weitere Projekte laufen. Eine Antwort auf die Frage, ob und wann sich die Situation entspannt, hat Sonntag nicht. „Das wäre ein Blick in die Glaskugel.“Das Problem: „Die Grundstückspreise sind heute weit höher als noch vor zehn Jahren, zudem steigen wegen knapper Rohstoffe die Kosten für Baumaterial und auch die vielen gesetzlichen Auflagen für Neubauten machen sich finanziell bemerkbar“, sagt Sonntag. Vorgaben beispielsweise für den Schall- und Brandschutz würden immer komplexer, über kurz oder lang flössen diese Kosten in den Mietpreis ein.
Ein Weg, dem entgegenzutreten, sei eine spezielle Förderung der Regierung von Schwaben. Hier würden die Mieten entsprechend des Einkommens der Mieter subventioniert. Zudem sei es für die Baugenossenschaften wichtig, von den Kommunen als Partner gesehen zu werden.
„Es geht darum, Flächen zur Verfügung zu stellen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“
„Die Städte und Gemeinden müssen mit den Wohnungsunternehmen zusammenarbeiten, sonst wird es in Zukunft schwer“, sagt auch Bernhard Dopfer, geschäftsführender Prokurist des Siedlungswerks Füssen. Das Unternehmen habe vor nicht allzu langer Zeit zwei Projekte abgeschlossen, bei denen die Stadt Grundstücke über Erbpacht angeboten hatte. „Günstig zu bauen ist mittlerweile sehr schwierig, sogar fast unmöglich“, sagt auch Dopfer.
Die Sozialbau, das kommunale Wohnungsunternehmen der Stadt Kempten, hat in den vergangenen fünf Jahren etwa 600 Wohnungen fertiggestellt, sagt Geschäftsführer Herbert Singer. „Wir bräuchten aber viel mehr.“Eine Erleichterung in puncto Wohnungsnot sei erst zu erwarten, wenn es einen gewissen Überhang gebe. Das sei aber frühestens 2025 denkbar. „Das Schaffen von Baurecht ist wie ein schwerfälliger Hochseetanker.“Dazu kommt: In den bereits bestehenden Wohnungen finde kaum ein Wechsel statt. „Vor zehn Jahren lag die Fluktuationsrate bei zehn Prozent, jetzt sind es fünf.“Und die wenigsten verließen ihre Wohnung freiwillig, oft würden die Räumlichkeiten erst nach Todesfällen oder nach Umzügen der bisherigen Mieter in ein Seniorenheim frei.
Etwa 673 000 Menschen leben derzeit in 341 500 Haushalten im bayerischen Allgäu. Im Jahr 2030 werden es wohl 684 000 Personen in 359 400 Haushalten sein. Das geht aus einer Studie zum Wohnraumbedarf in der Region hervor, die die Allgäu Gmbh in Auftrag gegeben hat. Dass die Zahl der Haushalte im Vergleich zur Einwohnerzahl rasanter steigt, liegt demnach daran, dass es immer mehr alleinstehende Senioren gibt, zudem sei ein Trend hin zur „Versingelung“zu beobachten. „Führer haben in einer Dreizimmerwohnung oft Familien gewohnt, heute sind es eher Alleinstehende oder Ehepaare“, sagt auch Bernhard Dopfer.
Im Oberallgäuer Wildpoldsried hat man sich für dieses Problem eine kreative Lösung ausgedacht. Die Gemeinde hat ein Wohn- und Geschäftshaus mit sechs barrierefreien Wohnungen errichtet. Diese bietet sie nicht zum Kauf an, sondern zum Tausch gegen ein altes Haus oder ein Grundstück. „Die Idee dabei ist, dass Häuser, die nur von einer Person bewohnt werden, für eine Familie oder mehrere Parteien nutzbar gemacht werden“, sagt Bürgermeisterin Renate Deniffel. Mittlerweile seien bereits zwei Neubau-wohnungen
gegen ein Reiheneckhaus und ein Einfamilienhaus getauscht worden.
Dass sich die Wohnsituation verändert, zeigt ein Blick in die Zahlen. Laut des Daten-dienstes „Statista“standen jedem Einwohner in Bayern 1991 etwa 37,5 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung, 2019 waren es bereits 48,2 Quadratmeter. „Das hat auch mit Wohlstand zu tun, die Leute konnten sich größere Wohnungen leisten“, sagt Markus Sonntag. Er geht allerdings davon aus, dass sich die Wohnfläche wieder verringern wird – auch mit Blick auf die steigende Zahl an Singlehaushalten. „Zurzeit werden vor allem kleinere Wohnungen gebaut.“