Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Wohnen soll wieder bezahlbar werden
Novelle des Baugesetzbuches passiert den Bundestag – Was das für Kommunen bedeutet
- Es betrifft die Kommunen, Mieter, Eigentümer, Landwirte, die Bevölkerung in der Stadt sowie im Dorf. Und es geht um ein Bedürfnis, das für Menschen fast so wichtig ist wie Essen und Trinken: Wohnen. Am Freitag hat der Bundestag das sogenannte Baulandmobilisierungsgesetz beschlossen. Bei der Opposition im Parlament fiel der Kompromiss der Großen Koalition durch. Doch was steckt in diesem Gesetz, das die Gemüter so erhitzt? Hier ein Überblick.
Welche Ziele sollen mit dem Baulandmobilisierungsgesetz erreicht werden?
Der Fokus des Gesetzesvorhabens liegt eindeutig auf den Kommunen. Sie sollen künftig mehr Möglichkeiten haben, Bauland zu erwerben oder Bauland auszuweisen. So soll es künftig für Kommunen leichter sein, via Vorkaufsrecht brachliegende oder geringfügig bebaute Grundstücke in Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt zum Verkehrswert zu erwerben. Mit dieser Änderung am Baugesetz sollen Spekulanten ausgehebelt werden, die Grundstücke kaufen, ohne sie zu bebauen, und beim Wiederverkauf große Gewinne abschöpfen. Zudem sollen die Kommunen bei Neubauprojekten in Innenstadtbereichen, in denen kein Bebauungsplan gilt, festlegen können, dass ein bestimmter Anteil an Sozialwohnungen gebaut wird. Aber auch der umstrittene Paragraf 13b Baugesetzbuch soll zur Folge haben, dass mehr Wohnraum entsteht. Er sieht vor, dass demnächst wieder an Ortsrandlagen im vereinfachten Verfahren bis zu 10 000 Quadratmeter große Baugebiete ausgewiesen werden können.
Warum ist der Paragraf 13b so umstritten?
Die Grünen nennen ihn schlicht „Flächenfraß-paragraf“. „Das rücksichtslose Bauen im Außenbereich ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und ohne hinreichende Bürgerund Öffentlichkeitsarbeit ist ungeheuerlich“, kritisiert Christian Kühn, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik. Vertreter der Union sehen dies komplett anders. Es sei den Kommunen überlassen, wie sie den Paragrafen 13b handhaben, sagt Axel Müller, Bundestagsabgeordneter für den
Wahlkreis Ravensburg. „Die Planungshoheit liegt bei den Kommunen. Sie können entscheiden, ob und was gebaut wird, ob ein Ausgleich und eine Umweltverträglichkeitsprüfung stattzufinden haben.“Er vertraue auf die Kommunen, dass sie die Möglichkeiten des 13b „auch in Zukunft sinnvoll nutzen und sich für Einfamilienhäuser ebenso wie Reihenhäuser oder Mehrgeschoss-wohnungsbauten entscheiden“.
Welche Veränderungen bringt das neue Gesetz im ländlichen Raum?
Für frühere Landwirte dürfte es interessant sein, dass im Außenbereich die Umnutzung von landwirtschaftlichen Gebäuden in Wohnungen erleichtert wird. Die Zahl der zulässigen Wohnungen je Hofstelle wird von drei auf fünf erhöht. Zudem sollen künftig auch Gebäude, die längere Zeit leer standen, wieder leichter als Wohnraum genutzt werden können. Die Novelle bringt auch eine neue Kategorie ins Baugesetz, die es bislang so nicht gab: das „dörfliche Wohngebiet“. In diesem Gebiet soll Wohnen neben handwerklichen oder landwirtschaftlichen Betrieben möglich sein. Eingeführt wurde diese Kategorie, um Streitereien zwischen Anwohnern und Landwirtschaft zu vermeiden. Auch in der Nähe von Ravensburg hat ein solcher Zielkonflikte bereits dazu geführt, dass ein Baugebiet nicht ausgewiesen wurde.
Inwiefern nutzt das Baulandmobilisierungsgesetz Mietern?
Ein Grund, warum die Gesetzesnovelle koalitionsintern umstritten war, ist der Paragraf 250 Baugesetz. Darin geht es weniger um Bauland als um Miet- und Eigentumswohnungen. Nach langen Verhandlungen hat die SPD die Regelung durchgesetzt, dass in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen erschwert wird. Hausbesitzer brauchen künftig eine behördliche Genehmigung, wenn sie dies vorhaben. Im Vergleich zu einem früheren Entwurf wurde dieses Verbot allerdings abgeschwächt. Für Gebäude mit fünf Wohnungen gelten Ausnahmen, zudem sieht das Gesetz einen Korridor von drei bis 15 Wohnungen vor. In der Praxis bedeutet das: In Stuttgart könnte bereits bei drei Wohnungen eine Umwandlung verboten sein, in anderen Städten dagegen erst bei 15. Die Entscheidung, ob der Wohnungsmarkt angespannt ist und somit ein Umwandlungsverbot gilt, liegt bei den Ländern. Der Paragraf 250 ist befristet bis Ende 2025.
Was kritisiert die Opposition?
Neben den Grünen haben sich alle anderen Oppositionsparteien deutlich gegen das Gesetz ausgesprochen. Die AFD bezeichnet es als „Etikettenschwindel“, da es nicht zu mehr Bauland, sondern zu mehr Rechtsunsicherheit führe. Die Liberalen stoßen sich vor allem am Paragraf 250, indem sie ein Hindernis sehen, zu einer eigenen Immobilie zu kommen. „Was Sie machen, ist, den Menschen diese Möglichkeit zu nehmen“, kritisiert Daniel Föst, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der Fdp-fraktion. Den Linken wiederum geht das Gesetz nicht weit genug. Es werde die „Bodenpreise nicht begrenzen und den Ausverkauf der Städte nicht stoppen“, sagt Caren Lay. Die Koalitionäre hingegen verteidigen den lang umkämpfte Kompromiss vehement: „Das ist ein Gesetz, wie gemacht für unsere baden-württembergische Heimat“, sagt Axel Müller überzeugt. Die Kommunen brauchten genau die Freiheiten, die darin enthalten seien.