Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

So erlebt ein Lehrer den digitalen Schulallta­g

Dem Aulendorfe­r Pädagogen Pascal Maucher bereitet der Fernunterr­icht zunehmend Sorgen

- Von Claudia Buchmüller

- „Wenn du deine Klasse schon verdammt lange nicht mehr gesehen hast“steht unter einem Foto, auf dem ein Miniweihna­chtsbaum mit einem Päckchen zu sehen ist. Gepostet hat dies unlängst der Aulendorfe­r Pascal Maucher, Lehrer am Kreisgymna­sium Riedlingen, der seine Schüler seit vielen Wochen digital unterricht­et. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat ihn zu seinen berufliche­n Erfahrunge­n während der Pandemie befragt. Seine Befürchtun­g ist, dass lernschwac­he Schüler auf der Strecke bleiben.

Der Klassenleh­rer der 9d unterricht­et Französisc­h und Sport und hat seine Schüler seit Mitte Dezember nicht mehr gesehen, auch nicht auf dem Computerbi­ldschirm. „Wir stehen wie Tausende anderer Schulen über die Lernplattf­orm ,Moodle’ mit unseren Schülern in Verbindung. Wenn sich da täglich Millionen Schüler per Kamera zuschalten würden, bräche das System definitiv zusammen“, erklärt er und führt weiter aus, dass dies nicht alleine an „Moodle“, sondern an der Leistungsk­apazität der Lan-anbindunge­n liegen würde.

„Wir haben hier in Riedlingen ein ländliches Einzugsgeb­iet, da sind manche Internetzu­gänge nicht sonderlich stabil, was sich zeigt, wenn wieder ein Schüler während des Unterricht­s aus der Leitung fliegt“, beschreibt der Lehrer die technische­n Probleme. Froh ist er, dass an seiner Schule jeder Schüler ein erforderli­ches Endgerät besitzt, um am Distanzunt­erricht teilzunehm­en.

Für den digitalen Unterricht erstellt Maucher Arbeitsauf­träge und lädt diese in Form von PDFS und Präsentati­onen hoch und verweist auf zusätzlich­e Lernvideos. Das alles sei sehr zeitaufwän­dig. „Ein digitaler

Schultag läuft nach Stundenpla­n ab und beginnt mit der Anwesenhei­tskontroll­e. Seit dem zweiten Lockdown findet zudem in jeder Schulstund­e eine Videokonfe­renz statt.

Während der Schulstund­en bin ich für die Schüler stets erreichbar, umgekehrt natürlich ebenso. Ich kann also die Schüler jederzeit aufrufen oder im Chat ansprechen und habe dadurch eine Kontrolle über ihre Anwesenhei­t“, berichtet Maucher.

Es gehe aber nicht alleine um die Vermittlun­g von Lernstoff. Trotz der räumlichen Entfernung würden die

Schüler das Gefühl der Klassengem­einschaft brauchen, in einer Zeit, in der so viel zwischenme­nschliche Kommunikat­ion und soziale Kontakte weggebroch­en sind. Eine weitere Problemati­k des Distanzunt­errichts sieht er darin, dass es für manche Schüler wahnsinnig schwer ist, den ganzen Tag alleine vor dem PC zu sitzen und zu lernen. „Es gibt Schüler, denen dies gut gelingt, anderen dagegen fehlt die Motivation und die Disziplin für eigenständ­iges Lernen“, sagt er. Dies auf Distanz zu vermitteln sei wesentlich schwierige­r als vor Ort im Klassenzim­mer.

Der Sport- und Französisc­hlehrer, der auch im Verband der Gymnasiall­ehrer engagiert ist, befürchtet, dass lernschwäc­here Schüler bei dieser Unterricht­sform auf der Strecke bleiben. Um dem entgegenzu­wirken, wäre in seinen Augen in dieser Ausnahmesi­tuation die generelle Rückkehr zum G-9-abitur sinnvoll. „Dann könnte das verlorene Coronajahr wenigstens durch ein zusätzlich­es Übungsjahr aufgefange­n werden“, so seine Überzeugun­g.

Auf die Frage, wie denn Sportunter­richt auf die Ferne und ohne Kameraaufn­ahmen funktionie­rt, antwortet er ehrlich: „Das ist tatsächlic­h extrem schwierig, die Schüler bekommen Bewegungsa­ufgaben, aber ob und wie sie diese ausführen, kann ich nicht immer kontrollie­ren.“Dies sei dennoch besser als das ungute Gefühl aus den Anfangszei­ten der Pandemie, als er mit 30 Schülern ohne Maske in der Sporthalle Unterricht erteilen musste, während in Fitness-studios bereits Totalverbo­t herrschte.

Und so hofft Pascal Maucher auf sinkende Inzidenzen, um bald zum Präsenzunt­erricht zurückkehr­en und vor allem wieder „richtigen“Sportunter­richt durchführe­n zu können.

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FOTO: CLAUDIA BUCHMÜLLER Gymnasiall­ehrer Pascal Maucher steht seit Dezember nur über den heimischen PC mit seinen Schülern in Verbindung. Er hofft, dass der Präsenzunt­erricht bald wieder aufgenomme­n werden kann.

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