Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
So erlebt ein Lehrer den digitalen Schulalltag
Dem Aulendorfer Pädagogen Pascal Maucher bereitet der Fernunterricht zunehmend Sorgen
- „Wenn du deine Klasse schon verdammt lange nicht mehr gesehen hast“steht unter einem Foto, auf dem ein Miniweihnachtsbaum mit einem Päckchen zu sehen ist. Gepostet hat dies unlängst der Aulendorfer Pascal Maucher, Lehrer am Kreisgymnasium Riedlingen, der seine Schüler seit vielen Wochen digital unterrichtet. Die „Schwäbische Zeitung“hat ihn zu seinen beruflichen Erfahrungen während der Pandemie befragt. Seine Befürchtung ist, dass lernschwache Schüler auf der Strecke bleiben.
Der Klassenlehrer der 9d unterrichtet Französisch und Sport und hat seine Schüler seit Mitte Dezember nicht mehr gesehen, auch nicht auf dem Computerbildschirm. „Wir stehen wie Tausende anderer Schulen über die Lernplattform ,Moodle’ mit unseren Schülern in Verbindung. Wenn sich da täglich Millionen Schüler per Kamera zuschalten würden, bräche das System definitiv zusammen“, erklärt er und führt weiter aus, dass dies nicht alleine an „Moodle“, sondern an der Leistungskapazität der Lan-anbindungen liegen würde.
„Wir haben hier in Riedlingen ein ländliches Einzugsgebiet, da sind manche Internetzugänge nicht sonderlich stabil, was sich zeigt, wenn wieder ein Schüler während des Unterrichts aus der Leitung fliegt“, beschreibt der Lehrer die technischen Probleme. Froh ist er, dass an seiner Schule jeder Schüler ein erforderliches Endgerät besitzt, um am Distanzunterricht teilzunehmen.
Für den digitalen Unterricht erstellt Maucher Arbeitsaufträge und lädt diese in Form von PDFS und Präsentationen hoch und verweist auf zusätzliche Lernvideos. Das alles sei sehr zeitaufwändig. „Ein digitaler
Schultag läuft nach Stundenplan ab und beginnt mit der Anwesenheitskontrolle. Seit dem zweiten Lockdown findet zudem in jeder Schulstunde eine Videokonferenz statt.
Während der Schulstunden bin ich für die Schüler stets erreichbar, umgekehrt natürlich ebenso. Ich kann also die Schüler jederzeit aufrufen oder im Chat ansprechen und habe dadurch eine Kontrolle über ihre Anwesenheit“, berichtet Maucher.
Es gehe aber nicht alleine um die Vermittlung von Lernstoff. Trotz der räumlichen Entfernung würden die
Schüler das Gefühl der Klassengemeinschaft brauchen, in einer Zeit, in der so viel zwischenmenschliche Kommunikation und soziale Kontakte weggebrochen sind. Eine weitere Problematik des Distanzunterrichts sieht er darin, dass es für manche Schüler wahnsinnig schwer ist, den ganzen Tag alleine vor dem PC zu sitzen und zu lernen. „Es gibt Schüler, denen dies gut gelingt, anderen dagegen fehlt die Motivation und die Disziplin für eigenständiges Lernen“, sagt er. Dies auf Distanz zu vermitteln sei wesentlich schwieriger als vor Ort im Klassenzimmer.
Der Sport- und Französischlehrer, der auch im Verband der Gymnasiallehrer engagiert ist, befürchtet, dass lernschwächere Schüler bei dieser Unterrichtsform auf der Strecke bleiben. Um dem entgegenzuwirken, wäre in seinen Augen in dieser Ausnahmesituation die generelle Rückkehr zum G-9-abitur sinnvoll. „Dann könnte das verlorene Coronajahr wenigstens durch ein zusätzliches Übungsjahr aufgefangen werden“, so seine Überzeugung.
Auf die Frage, wie denn Sportunterricht auf die Ferne und ohne Kameraaufnahmen funktioniert, antwortet er ehrlich: „Das ist tatsächlich extrem schwierig, die Schüler bekommen Bewegungsaufgaben, aber ob und wie sie diese ausführen, kann ich nicht immer kontrollieren.“Dies sei dennoch besser als das ungute Gefühl aus den Anfangszeiten der Pandemie, als er mit 30 Schülern ohne Maske in der Sporthalle Unterricht erteilen musste, während in Fitness-studios bereits Totalverbot herrschte.
Und so hofft Pascal Maucher auf sinkende Inzidenzen, um bald zum Präsenzunterricht zurückkehren und vor allem wieder „richtigen“Sportunterricht durchführen zu können.