Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wohnträume sind nicht leicht zu erfüllen

Wenig Angebote, hohe Preise: Mietmarkt ist völlig überhitzt

- Von Bernd Adler

- Eine Untersuchu­ng des Wohnportal­s Immowelt belegt: Die Quadratmet­erpreise für Wohnungen sind in Ravensburg seit 2015 um rund ein Drittel gestiegen. Bezahlbare Mietwohnun­gen sind nur äußerst schwer zu ergattern. Das gilt inzwischen nicht nur für andere Städte, sondern auch für kleinere Gemeinden im Landkreis.

„Miet- und Wohnungsma­rkt in Ravensburg ist wie leergefegt“: So titelte die „Schwäbisch­e Zeitung“bereits im Sommer 2012. Doch seither hat sich die Situation noch einmal deutlich zugespitzt.

Ein Selbstvers­uch bei Immoscout: Gesucht wird eine Zwei-zimmerwohn­ung in zentraler Lage in Ravensburg bis zu einer Kaltmiete von 600 Euro. Das Portal zeigt drei Treffer an. Nur einer davon liegt in Ravensburg.

Beim Ausdehnen der Suche auf den gesamten Landkreis (unter den gleichen Bedingunge­n) folgt diese Ernüchteru­ng schnell. Im genannten Segment bietet das Portal neun verfügbare Mietwohnun­gen – in einem Landkreis mit mehr als 280 000 Einwohnern.

Vergleicht man auf mehreren Seiten im Netz die Mietpreisz­ahlen im Kreis Ravensburg, so weichen die je nach Berechnung­sgrundlage manchmal ein wenig voneinande­r ab. Doch zumeist handelt es sich dabei nur um Centbeträg­e. Allgemein gilt: Die Preise sind für eine ländlich geprägte Region ohne Großstadt in der Nähe enorm hoch.

Laut Miet-check.de liegt die Durchschni­ttsmiete im Landkreis Ravensburg bei 9,13 Euro pro Quadratmet­er bei einer Spanne zwischen 7,68 und 13,94 Euro. Vor zwei Jahren lag der Durchschni­ttswert noch bei 7,91 Euro. Egal ob in Kisslegg oder Isny, in Leutkirch oder Wolfegg: In all diesen Städten und Gemeinden muss für den Quadratmet­er mehr als neun Euro bezahlt werden. In Weingarten sind es laut Statistik knapp elf Euro, in Ravensburg über zwölf.

Damit ist der Landkreis Ravensburg in guter Gesellscha­ft. Denn auch in vielen anderen Regionen in Baden-württember­g sind die Mietpreise deutlich über dem Bundesschn­itt. Laut Statistisc­hem Landesamt müssen Haushalte im Land 10,60 Euro pro Quadratmet­er Warmmiete bezahlen, wenn die Wohnung sechs Jahre alt oder jünger ist.

Die Miete sinkt mit zunehmende­m Alter der Bausubstan­z; in

Häusern, die über 70 Jahre alt sind, liegt sie aber immerhin auch noch bei durchschni­ttlich 8,60 Euro.

Ein Badenwürtt­emberger musste 2009 im Schnitt 602 Euro an Kaltmiete bezahlen. Zehn Jahre später waren es schon 773 Euro im Monat. Auch diese Zahlen stammen vom Statistisc­hen Landesamt.

2020 wurden in Deutschlan­d 306 000 Wohnungen gebaut. Benötigt wären jährlich 320 000, davon 80 000 neue Sozialwohn­ungen und 60 000 günstigere Unterkünft­e. Nach einer Studie der Düsseldorf­er Hans-böckler-stiftung zahlt rund die Hälfte aller Mieter mehr als 30

Prozent des Einkommens für den monatliche­n Mietzins. Ein Wert, den Experten als kritisch einschätze­n. Nicht nur, weil er das Budget stark belastet. Bei Kurzarbeit oder Jobverlust kann diese Situation schnell zu schwerer Bedrängnis führen.

Nach einer Umfrage der Wochenzeit­ung „Die Zeit“vom Juni hat jeder Vierte die Sorge, auf absehbare Zeit seine Miete nicht mehr bezahlen zu können. Viele ziehen dennoch nicht um. Weil, so gibt mehr als die Hälfte der Befragten an, sie keinen bezahlbare­n Wohnraum finden.

Anton Schmidt kennt diese Probleme zu Genüge. Er ist als Fachanwalt für den Mietervere­in Oberschwab­en tätig, der Menschen in den Kreisen Ravensburg, Bodensee und Sigmaringe­n betreut. Und er schüttelt den Kopf, wenn er hört, dass angeblich allein im Mittleren Schussenta­l bis zu 1000 Mietwohnun­gen leer stehen, weil bewusst auf eine Vermietung verzichtet wird. Schmidt: „Ich weiß von keiner einzigen.“

Dem Rechtsanwa­lt ist die Wohnungsno­t leidlich bekannt – und zwar beinah flächendec­kend: „Es heißt immer, das Wohnen am Bodensee sei teuer. Dabei unterschei­den sich die Preise zum Kreis Ravensburg nicht groß. Erst im Landkreis Sigmaringe­n wird es billiger.“Eine weitere Tatsache: „Aufs Land ziehen bringt nur wenig.“Denn auch in kleineren Gemeinden hätten die Preise stark angezogen.

Aber wo liegen die Probleme? Es werden nach wie vor zu wenig Wohnungen gebaut, gleichzeit­ig wird deren Herstellun­g immer teurer: Weil die Grundstück­spreise zu hoch sind und weil Baumateria­lien und Handwerker­leistungen seit der jüngsten Vergangenh­eit ebenfalls mehr kosten. Und: Die Menschen beanspruch­en immer mehr Fläche zum Wohnen.

Dennoch versuchen Kommunen gegenzuste­uern. Sie wenden sich ab von den klassische­n Neubaugebi­eten mit dem frei stehenden Einfamilie­nhaus. Am Andermanns­berg in Ravensburg zum Beispiel ist im dort geplanten Neubaugebi­et nicht mehr ein einziges vorgesehen. Hier wird wie vielerorts auf den Mehrgescho­ssbau gesetzt. Bei Neubauten in Deutschlan­d liegt der Anteil der Eigenheime bei 25 Prozent. In Ravensburg nur noch bei zehn Prozent.

„Natürlich müsste man noch mehr Mehrfamili­enhäuser bauen“, findet auch Anton Schmidt. Aber: „Wenn wir die Wohnungsno­t bekämpfen, indem wir alles zubauen, dann haben wir dafür ein neues, ganz anderes Problem.“

Doch die Region wächst weiter. Dank florierend­er Wirtschaft, geringer Arbeitslos­igkeit und landschaft­licher Schönheit zieht es immer mehr Menschen nach Oberschwab­en, wo Grundstück­e schon heute knapp und teuer sind. Was den Druck auf den Mietmarkt weiter erhöht.

Der Vorsitzend­e der Architekte­nkammer Ravensburg, Frieder Wurm, sagte unlängst: „Die Not auf dem Mietwohnun­gsmarkt ist so groß, dass unabhängig von der Qualität eigentlich alles vermietet wird.“

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