Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Streit um geschenkte 1,8 Millionen Euro
Alle sind für eine Digitalwerkstatt in Ravensburg, doch der Standort führte zu einer Grundsatzdebatte
- Selten wohl hat sich ein Beschenkter so schwer damit getan, 1,8 Millionen Euro anzunehmen. Die Entscheidung, in Ravensburg mit Unterstützung der Mossakowski-stiftung eine innovative Digitalwerkstatt zu bauen, geriet im Gemeinderat zu einer emotionalen, teils auch giftigen Grundsatzdebatte über Klimaschutz und Bürgerbeteiligung. Die Grünen fanden für ihren entschiedenen Widerstand gegen den Standort Coswiger Platz keine Mitstreiter. Der Fraktion blieb am Ende nur „Entsetzen darüber, dass die Stadt eine der letzten grünen Flächen im Zentrum überplant“.
Die Digitalwerkstatt soll als Zentrum für Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik dienen und Ravensburger Schülern – abgekoppelt vom Unterrichtsalltag – Raum für innovatives und kreatives Gestalten bieten. Auch Kinder, die zu Hause keine hochwertige Computerausstattung haben, sollen in der Digitalwerkstatt Zugang dazu haben. Schulklassen, so die Idee, können sich einbuchen, am Nachmittag und Abend sind freie Angebote vorgesehen.
Die Mossakowski-stiftung wird für den Bau 1,8 Millionen Euro beisteuern. Die Stiftung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Weingartener Technologie-unternehmens CHG Meridian, Jürgen Mossakowski, und seiner Ehefrau Vera unterstützt seit 2017 Bildungsprojekte. Die Mehrkosten muss die Stadt tragen, das gilt auch für den Betrieb der Digitalwerkstatt. 1,5 Vollzeitstellen sind dafür derzeit geplant, aber diese dürften kaum ausreichen. Die Stadtverwaltung
sucht schon seit 2020 nach einem geeigneten Standort. Nach Prüfung aller Alternativen sei die Wahl auf den Coswiger Platz gefallen. Der bisher begrünte Platz gehört dem Land.
Gegen genau diesen Standort wehrten sich die Grünen in der letzten Gemeinderatssitzung vor den Ferien mit allen Kräften. Am Ende hatte jeder Stadtrat der größten Fraktion vergeblich mit einer Rede versucht, die Kollegen umzustimmen. Ein Antrag der Grünen, das Thema zu vertagen, war zuvor abgelehnt worden. „Wir sind klar für eine Digitalwerkstatt in Ravensburg. Aber wir sind entsetzt darüber, dass die Stadt in einer Zeit der Klimakatastrophen eine der letzten grünen Flächen überbauen will“, sagte Fraktionschefin Maria Weithmann. Ein Bau an dieser Stelle sei „unverantwortlich“und das „Gegenteil von Nachhaltigkeit“. „Wieder einmal handeln wir im Widerspruch zu allen öffentlichen Reden, in denen beteuert wird, den Klimaschutz ernst zu nehmen. Die Belange des Klimaschutzes werden hier mit Füßen getreten“, so Weithmann weiter. Die Verwaltung versuche, das Projekt mit fadenscheinigen Argumenten durchzupeitschen, es gebe keinen Spielraum für eine offene Auseinandersetzung, der Inhalt werde nicht vom Standort getrennt. Die Grünen empfanden die Sitzungsvorlage gar als „eine Provokation“.
Die CDU war da ganz anderer Meinung: Antje Rommelspacher lobte ein „außergewöhnliches Projekt für Kinder und Jugendliche in Ravensburg“. Die Digitalisierung präge das Leben der jungen Menschen
ganz besonders. Mit viel Freiraum werde hier eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen, sich im Digitalen weiterzuentwickeln. Die Stadt alleine könne solche Voraussetzungen nicht schaffen. Der Standort Coswiger Platz sei ideal, denn die Digitalwerkstatt müsse ein schulübergreifendes Angebot machen und gut erreichbar sein. Derzeit handele es sich bei dem Platz um eine „monotone Grünfläche“, die zudem noch dem Land gehöre, das dort jederzeit etwas anderes bauen könne. Antje Rommelspacher: „Es ist ein Glücksfall, dass wir diese Fläche kaufen und selbst entscheiden können, was dort entsteht. Nur 15 Prozent der Fläche werden bebaut, der Rest kann aufgewertet werden.“
Ulrich Höflacher von den Bürgern für Ravensburg freute sich über die großzügige Spende von 1,8 Millionen Euro, hat aber Bedenken, weil die Stadt in einer „prekären finanziellen Situation“für den Betrieb der Digitalwerkstatt aufkommen muss. Die Frage an Jürgen Mossakowski, ob die Stiftung da nicht noch was tun könnte, konterte Oberbürgermeister Daniel Rapp: „Sie bekommen ein Auto geschenkt, und jetzt wollen Sie, dass man Ihnen auch noch den Sprit bezahlt.“
Hans-dieter Schäfer (SPD) sieht in der Digitalwerkstatt eine „einmalige Chance, junge Menschen auf dem Weg in die Zukunft zu stärken“. Es gehe jetzt darum, für diese Idee die passende Herberge zu finden. Das Gebäude müsse allerhöchste ökologische Standards haben. Und: „Kein Baum darf gefällt werden.“Jürgen Schlegel (Freie Wähler) sprach von einem „Leuchtturmprojekt“und einem „Paradebeispiel für gute Ökopolitik“. Oliver Schneider (FDP) mahnte dazu, Argumente sorgsam gegeneinander abzuwägen. Man könne dann guten Gewissens einem Projekt zustimmen, das Digitalisierung, Bildung und Ökologie vereine.
Begeisterung auch bei denjenigen, denen dieses Projekt zugutekommt. „Das ist eine super Chance für die Jugend, wir begrüßen ausdrücklich auch den Standort“, sagte Joshua Bernhart vom Schülerrat.
Jürgen Bretzinger von den Grünen brachte noch einen anderen Standort ins Spiel: den Weingartener Hof, der seit Jahren leer steht. Doch an der Stelle wollte niemand mehr weiterdiskutieren. Am Ende stimmten alle für die Digitalwerkstatt, nur die Grünen gegen den Standort und die Bürger für Ravensburg im Verbund mit einer grünen Stimme gegen die Personalplanung.