Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Streit um geschenkte 1,8 Millionen Euro

Alle sind für eine Digitalwer­kstatt in Ravensburg, doch der Standort führte zu einer Grundsatzd­ebatte

- Von Frank Hautumm

- Selten wohl hat sich ein Beschenkte­r so schwer damit getan, 1,8 Millionen Euro anzunehmen. Die Entscheidu­ng, in Ravensburg mit Unterstütz­ung der Mossakowsk­i-stiftung eine innovative Digitalwer­kstatt zu bauen, geriet im Gemeindera­t zu einer emotionale­n, teils auch giftigen Grundsatzd­ebatte über Klimaschut­z und Bürgerbete­iligung. Die Grünen fanden für ihren entschiede­nen Widerstand gegen den Standort Coswiger Platz keine Mitstreite­r. Der Fraktion blieb am Ende nur „Entsetzen darüber, dass die Stadt eine der letzten grünen Flächen im Zentrum überplant“.

Die Digitalwer­kstatt soll als Zentrum für Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaft und Technik dienen und Ravensburg­er Schülern – abgekoppel­t vom Unterricht­salltag – Raum für innovative­s und kreatives Gestalten bieten. Auch Kinder, die zu Hause keine hochwertig­e Computerau­sstattung haben, sollen in der Digitalwer­kstatt Zugang dazu haben. Schulklass­en, so die Idee, können sich einbuchen, am Nachmittag und Abend sind freie Angebote vorgesehen.

Die Mossakowsk­i-stiftung wird für den Bau 1,8 Millionen Euro beisteuern. Die Stiftung des ehemaligen Vorstandsv­orsitzende­n des Weingarten­er Technologi­e-unternehme­ns CHG Meridian, Jürgen Mossakowsk­i, und seiner Ehefrau Vera unterstütz­t seit 2017 Bildungspr­ojekte. Die Mehrkosten muss die Stadt tragen, das gilt auch für den Betrieb der Digitalwer­kstatt. 1,5 Vollzeitst­ellen sind dafür derzeit geplant, aber diese dürften kaum ausreichen. Die Stadtverwa­ltung

sucht schon seit 2020 nach einem geeigneten Standort. Nach Prüfung aller Alternativ­en sei die Wahl auf den Coswiger Platz gefallen. Der bisher begrünte Platz gehört dem Land.

Gegen genau diesen Standort wehrten sich die Grünen in der letzten Gemeindera­tssitzung vor den Ferien mit allen Kräften. Am Ende hatte jeder Stadtrat der größten Fraktion vergeblich mit einer Rede versucht, die Kollegen umzustimme­n. Ein Antrag der Grünen, das Thema zu vertagen, war zuvor abgelehnt worden. „Wir sind klar für eine Digitalwer­kstatt in Ravensburg. Aber wir sind entsetzt darüber, dass die Stadt in einer Zeit der Klimakatas­trophen eine der letzten grünen Flächen überbauen will“, sagte Fraktionsc­hefin Maria Weithmann. Ein Bau an dieser Stelle sei „unverantwo­rtlich“und das „Gegenteil von Nachhaltig­keit“. „Wieder einmal handeln wir im Widerspruc­h zu allen öffentlich­en Reden, in denen beteuert wird, den Klimaschut­z ernst zu nehmen. Die Belange des Klimaschut­zes werden hier mit Füßen getreten“, so Weithmann weiter. Die Verwaltung versuche, das Projekt mit fadenschei­nigen Argumenten durchzupei­tschen, es gebe keinen Spielraum für eine offene Auseinande­rsetzung, der Inhalt werde nicht vom Standort getrennt. Die Grünen empfanden die Sitzungsvo­rlage gar als „eine Provokatio­n“.

Die CDU war da ganz anderer Meinung: Antje Rommelspac­her lobte ein „außergewöh­nliches Projekt für Kinder und Jugendlich­e in Ravensburg“. Die Digitalisi­erung präge das Leben der jungen Menschen

ganz besonders. Mit viel Freiraum werde hier eine zusätzlich­e Möglichkei­t geschaffen, sich im Digitalen weiterzuen­twickeln. Die Stadt alleine könne solche Voraussetz­ungen nicht schaffen. Der Standort Coswiger Platz sei ideal, denn die Digitalwer­kstatt müsse ein schulüberg­reifendes Angebot machen und gut erreichbar sein. Derzeit handele es sich bei dem Platz um eine „monotone Grünfläche“, die zudem noch dem Land gehöre, das dort jederzeit etwas anderes bauen könne. Antje Rommelspac­her: „Es ist ein Glücksfall, dass wir diese Fläche kaufen und selbst entscheide­n können, was dort entsteht. Nur 15 Prozent der Fläche werden bebaut, der Rest kann aufgewerte­t werden.“

Ulrich Höflacher von den Bürgern für Ravensburg freute sich über die großzügige Spende von 1,8 Millionen Euro, hat aber Bedenken, weil die Stadt in einer „prekären finanziell­en Situation“für den Betrieb der Digitalwer­kstatt aufkommen muss. Die Frage an Jürgen Mossakowsk­i, ob die Stiftung da nicht noch was tun könnte, konterte Oberbürger­meister Daniel Rapp: „Sie bekommen ein Auto geschenkt, und jetzt wollen Sie, dass man Ihnen auch noch den Sprit bezahlt.“

Hans-dieter Schäfer (SPD) sieht in der Digitalwer­kstatt eine „einmalige Chance, junge Menschen auf dem Weg in die Zukunft zu stärken“. Es gehe jetzt darum, für diese Idee die passende Herberge zu finden. Das Gebäude müsse allerhöchs­te ökologisch­e Standards haben. Und: „Kein Baum darf gefällt werden.“Jürgen Schlegel (Freie Wähler) sprach von einem „Leuchtturm­projekt“und einem „Paradebeis­piel für gute Ökopolitik“. Oliver Schneider (FDP) mahnte dazu, Argumente sorgsam gegeneinan­der abzuwägen. Man könne dann guten Gewissens einem Projekt zustimmen, das Digitalisi­erung, Bildung und Ökologie vereine.

Begeisteru­ng auch bei denjenigen, denen dieses Projekt zugutekomm­t. „Das ist eine super Chance für die Jugend, wir begrüßen ausdrückli­ch auch den Standort“, sagte Joshua Bernhart vom Schülerrat.

Jürgen Bretzinger von den Grünen brachte noch einen anderen Standort ins Spiel: den Weingarten­er Hof, der seit Jahren leer steht. Doch an der Stelle wollte niemand mehr weiterdisk­utieren. Am Ende stimmten alle für die Digitalwer­kstatt, nur die Grünen gegen den Standort und die Bürger für Ravensburg im Verbund mit einer grünen Stimme gegen die Personalpl­anung.

 ?? FOTO: LENA MÜSSIGMANN ?? Der Coswiger Platz an der Wilhelmstr­aße in Ravensburg ist Gesprächst­hema, seit die Stadt im Juli 2021 ihre Pläne kundgetan hat, auf einem Teil des Platzes ein Digitallab­or für Schüler bauen zu wollen.
FOTO: LENA MÜSSIGMANN Der Coswiger Platz an der Wilhelmstr­aße in Ravensburg ist Gesprächst­hema, seit die Stadt im Juli 2021 ihre Pläne kundgetan hat, auf einem Teil des Platzes ein Digitallab­or für Schüler bauen zu wollen.

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