Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Seine Stimme wird in der Stadt fehlen
Sz-nachruf auf den langjährigen evangelischen Pfarrer von Aulendorf
- Gerade jetzt in diesen Zeiten wird seine Stimme fehlen: Am Aschermittwoch hat der langjährige evangelische Pfarrer i. R. Gebhardt Gauß nach längerer Krankheit seine Augen für immer geschlossen. Im Glauben an die Auferstehung ist der 72-jährige Familienvater in einem Ravensburger Klinikum friedlich eingeschlafen. Viele Aulendorfer werden sich gerne an diesen meinungsstarken Mann erinnern, der 22 Jahre lang an der Spitze der Thomaskirchengemeinde stand, bevor er 2016 seinen Ruhestand antrat.
Als Gauß 1994 nach dreijähriger Aufbauarbeit in Italien für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) das Pfarrhaus in Aulendorf bezog, geriet der Start holpriger, als es seine späteren Dienstjahre hier werden sollten. „Das Erste, was passierte, war, dass die Ortspolizei kam und, an unseren Container auf der Straße gewandt, sagte: Das geht so nicht“, hatte sich Gauß zu Beginn seines Ruhestandes mit einem Lächeln auf den Lippen daran zurückerinnert. Was zunächst ebenfalls nicht ging, war das Telefon – in weniger digitalen Zeiten als heute eine sehr wichtige Einrichtung in einem Pfarramt. „Geholfen hat mir damals sicher, dass es in Sizilien noch schwieriger war.“
Diese aufregende Zeit in der wuseligen Metropole Catania hat Gauß resilient gemacht gegen viele Schwierigkeiten, die sich einem Pfarrer an der Spitze einer Kirchengemeinde naturgemäß in den Weg stellen. So bedauerte er, der den Kalten Krieg und die Friedensbewegung der 1970er-jahre miterlebte und für den Diskussionen
über Entwicklungspolitik in Tübinger Hörsälen einfach dazugehörten, dass die Kirche eine immer weniger politische Rolle spielt in der Gesellschaft. Sie werde nur noch auf ihre „katechetische Dienstleistung“reduziert.
Diese Entwicklung schmerzte Gauß sehr, weil sein Verständnis von „Kirche in der Welt“bedeutete,
sich einzumischen, eine Meinung zu bilden, sie an die christlichen Grundsätze zurückzubinden und öffentlich zu vertreten. Er selbst lebte dies zeitlebens so aus und eckte damit gelegentlich ordentlich an.
„Ich habe immer versucht, zu bestimmten Dingen Stellung zu beziehen, immer mit der Bereitschaft,
auch Kritik auszuhalten“, betonte er bei seinem Auszug 2016 aus dem Pfarrhaus gegenüber der SZ. Danach meldete er sich gerne in den sozialen Netzwerken öffentlich zu Wort, wenn ihm mal wieder der Hut hochging aufgrund von Ungerechtigkeiten aller Art.
In seiner langen Amtszeit hat Gauß der evangelischen Kirchengemeinde deutliche Impulse gegeben. Stellvertretend für viele Entscheidungen seien die Namensgebung „Thomaskirchengemeinde“sowie der Umbau des Kircheninnenraumes und die Erneuerung des Pfarrhauses genannt. Besonders am Herzen lagen dem Vater zweier Kinder auch die Konfirmanden und natürlich die Gestaltung von Gottesdiensten und Predigten. So hob der gebürtige Tübinger die „Thomasmessen“aus der Taufe, die er als „Gottesdienst für Zweif ler und andere gute Christen“in unregelmäßigen Abständen anbot.
In einem Nachruf des Kirchengemeinderates auf Gauß, der in Sachen Ökumene eine klar evangelisch geprägte Position einnahm, wird das Wirken des umtriebigen Seelsorgers als das eines Menschen gewürdigt, der „die Gemeinde und die einzelnen Menschen zum Glauben gereizt hat und sie bestärkt hat, theologisch zu denken. Er begleitete sie darin und war als meinungsstarke Persönlichkeit immer im Dialog mit den Menschen seiner Gemeinde.“
Aufgrund seiner vielfachen Begabungen – so war er im Ruhestand dank Erststudium der Pharmazie in der Aulendorfer Apotheke am Alten Rathausplatz tätig und als begeisterter Hobbyfotograf im Einsatz – initiierte Gauß zahlreiche Gemeindefeste, wo er als Koch und Mundschenk in seinem Element war. Besonders am Herzen gelegen haben ihm auch Kindertaufen, Beerdigungen, Filmabende, Unterricht, Bibelabende, der Kindergarten und die Kirchenmusik. In der Erinnerung von Martin Elsässer, der sich jahrzehntelang im evangelischen Kirchengemeinderat engagierte, war Gauß „ein nahbarer Pfarrer, der sich intensiv um theologische Inhalte auch in äußeren Zeichen kümmerte“und er habe „das Bild der Aulendorfer Thomaskirche im Innern und nach außen ganz entscheidend und für eine lange Zeit geprägt“. Mit seinem Tod sei nun eine wichtige Stimme verloren gegangen, die in der derzeitigen Aufgeregtheit der Welt so dringend gebraucht würde.
Die Trauerfeier für Gebhardt Gauß beginnt am Freitag, 23. Februar, um 10.30 Uhr in der Thomaskirche Aulendorf, anschließend Urnenbeisetzung auf dem Friedhof.