Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
EU und Nato stärken
Früherer Generalinspekteur Schneiderhan zu aktueller Lage
- Im Studienkolleg Sankt Johann sprach der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan. Sein Thema lautete „Was macht uns Angst, was gibt uns Mut und Zuversicht“. Mehr als 140 Zuhörer waren der Einladung der Volksbank Altshausen zum Vortrag gefolgt.
Bis 2009 war Schneiderhan im Dienst als ranghöchster Offizier der Bundeswehr. Als Generalinspekteur beriet er den Verteidigungsminister sowie die Bundesregierung. Seit 2017 ist er Präsident des Volksbunds der Kriegsgräberfürsorge. Der Versöhnungsgedanke gefalle ihm daran besonders.
Der General außer Dienst sprach von einem Sicherheitsdilemma in Europa; das politische Kräfteverhältnis habe sich nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine verändert. Dazu komme, dass der Klimawandel angekommen sei und ganz allgemein die Wohlstandserwartungen der Bürger nicht mehr befriedigt werden können.
Angst und doch auch Hoffnung auf gute Entwicklungen bezeichnete Schneiderhan zwar als verständliche Reaktion, Ängste genau wie Hoffnung seien jedoch nicht zielführend, weil lähmend. Besser laut Schneiderhan: die Situation richtig einschätzen und im positiven Sinn darauf einwirken.
Russland werde eine politische Macht bleiben, für eine Demokratisierung sehe er keine Anzeichen. China verschaffe sich wirtschaftlichen Einfluss in Afrika und Südamerika. „Wir müssen Kompromisse machen, um Bündnisse zu schließen, damit wir weiter eine Rolle im Weltgeschehen spielen“, so der General a. D. weiter, man dürfe die Erwartungen nicht zu hoch setzen. Amerika sei
weiterhin wichtigster Partner, aber „Deutschland kann sich nicht mehr nur auf das eigene Wirtschaftswachstum konzentrieren“. „Wir ließen es uns gut gehen“, jetzt merke man überall, dass nicht investiert wurde, egal ob bei „Bahn, Straßen, Brücken, Kinderbetreuung …“.
In der Politik gehe die Angst um, dass die Bürger sich von der Demokratie abwenden, wenn es ihnen nicht immer besser geht. Doch trotz allem gäbe es auch erfreuliche Entwicklungen: Es rege sich gesellschaftlicher Widerstand gegen Extremismus und Demokratiemüdigkeit, die Möglichkeit des „Abrutschens“werde wahrgenommen.
Was tun als Gesellschaft? „Wer Frieden will, muss EU und Nato stärken.“Sicherheit habe eine
wirtschaftliche Dimension. Die Voraussetzung für dauerhaften Frieden sei am Ende eine Versöhnung der Kriegsparteien. Gespräche, Begegnungen und auf beiden Seiten ein Eingestehen von Schuld seien nötig.
Der Volksbund darf nach wie vor in Russland arbeiten, erzählte Schneiderhan, nach wie vor werden so von Freiwilligen Tausende Wehrmachtssoldaten geborgen und schließlich in russischer Erde beigesetzt. „Diese Geste der Versöhnungsbereitschaft, das dürfen wir nicht kaputtgehen lassen“, so Schneiderhan.
Mut mache ihm die ehrenamtliche Einsatzbereitschaft in Deutschland: Zehntausende engagierten sich bei der Freiwilligen Feuerwehr oder beim Technischen Hilfswerk. „Diese Gesellschaft
hat Zukunft, weil sie demokratisch ist“, sagte Schneiderhan, „wir müssen gut über Demokratie und Land reden, so gewinnen wir junge Menschen“.
Sich der Eigenverantwortung stellen, und ganz neu die Relationen erkennen, was wirklich wichtig ist, sei ebenso notwendig. Vom Schlechtreden über Bundeswehr und Regierung hält Schneiderhan nichts: Es gäbe Defizite beim Heer, aber „Bundeswehr ist mehr“.
„Die Fehler sauber ansprechen, nicht nur rumlamentieren, sondern anpacken, dann macht die Jugend mit“, ist sich Schneiderhan sicher. „Wir haben ein Riesenpotenzial in unserem Land“, aber andere schlecht machen und so Aggressionen wecken, diese Einstellung habe keine Zukunft.