Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Für tot erklärter Mann erwacht nach Kopfschuss
Alptraum für Polizisten nach einem Suizidversuch – Staatsanwalt ermittelt gegen Notarzt
- Ein Mann schießt sich mit einer Pistole in den Kopf. Der herbeigerufene Notarzt stellt den Tod des Selbstmörders fest und eilt zum nächsten Einsatz. Kurz nach ihm kommt die Polizei an. Dann fängt der Tote an, sich wieder zu bewegen. Was sich liest, wie das Drehbuch zu einem mittelmäßigen Tatort, ist vergangenes Jahr so in Bad Waldsee passiert – und hat jetzt Folgen.
Informationen der „Schwäbischen Zeitung“zu dem Vorfall im Juli vergangenen Jahres in der Kurstadt haben jetzt Staatsanwaltschaft und Polizei auf Anfrage bestätigt. Laut Erster Staatsanwältin
Tanja Vobiller war es an einem Sommermorgen in Bad Waldsee zu diesem Notarzteinsatz gekommen. Der Mann wollte sich nach dem Stand der Ermittlungen töten und hatte sich mit der Schusswaffe eine schwere Kopfwunde beigebracht.
Laut der Staatsanwältin hatte der Notarzt, der zusammen mit dem Rettungsdienst schon vor der Polizei vor Ort eintraf, um 9.23 Uhr den vermeintlichen Tod des Mannes festgestellt und zudem schon eine entsprechende Todesbescheinigung ausgestellt.
Umso härter trifft der Schock die kurz danach ankommenden Polizisten: Beamte des Polizeireviers Weingarten und dazu ihre
Kollegen vom Kriminaldauerdienst. Diese Polizisten sind einiges gewohnt, doch dass sich bei einem Toten während der Untersuchung zu den genauen Todesumständen plötzlich die Bauchdecke hebt und senkt und der Mann auch andere Lebenszeichen zeigt, trifft sie hart.
Die erschütterten Polizisten verständigen darauf hin sofort wieder den Rettungsdienst sowie einen Notarzt. Der Mann mit der schweren Schusswunde am Kopf wird ärztlich versorgt und schnell ins Krankenhaus gebracht. Doch die Geschichte nimmt kein glückliches Ende: In der Klinik stirbt er kurz nach der Einlieferung.
Soweit der Fall, der jetzt ein Nachspiel hat. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg hat gegen den ersten Notarzt ein Ermittlungsverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung eingeleitet, bestätigt Staatsanwältin Tanja Vobiller auf Anfrage. Abgeschlossen ist das Verfahren bislang nicht, das Ende sei auch noch nicht absehbar.
Bei der Prüfung geht es vor allem auch um die Frage, ob der Mann bei einer früheren, rechtzeitigen Behandlung durch den Notarzt noch hätte gerettet werden können. Betroffen von dem Vorfall sind aber auch die Polizisten, die in Bad Waldsee an diesem Tag vor Ort waren. Das Thema
wird seit Monaten unter den Beamten in der Region diskutiert. „Schon der ,normale’ Umgang mit Leichen wird von unseren Kollegen oft als belastend erlebt.
Dieser außergewöhnliche Fall hat die eingesetzten Kräfte aber deshalb emotional so stark berührt, weil sie davon ausgegangen waren, dass die Person tot war“, sagt Ravensburgs Polizeipräsident Uwe Stürmer.
Das Geschehen sei mit Unterstützung der psychosozialen Beratung und der Polizeiseelsorge aufgearbeitet worden. Stürmer: „Wir haben den Kollegen weitergehende Unterstützung angeboten.“