Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Für tot erklärter Mann erwacht nach Kopfschuss

Alptraum für Polizisten nach einem Suizidvers­uch – Staatsanwa­lt ermittelt gegen Notarzt

- Von Frank Hautumm

- Ein Mann schießt sich mit einer Pistole in den Kopf. Der herbeigeru­fene Notarzt stellt den Tod des Selbstmörd­ers fest und eilt zum nächsten Einsatz. Kurz nach ihm kommt die Polizei an. Dann fängt der Tote an, sich wieder zu bewegen. Was sich liest, wie das Drehbuch zu einem mittelmäßi­gen Tatort, ist vergangene­s Jahr so in Bad Waldsee passiert – und hat jetzt Folgen.

Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“zu dem Vorfall im Juli vergangene­n Jahres in der Kurstadt haben jetzt Staatsanwa­ltschaft und Polizei auf Anfrage bestätigt. Laut Erster Staatsanwä­ltin

Tanja Vobiller war es an einem Sommermorg­en in Bad Waldsee zu diesem Notarztein­satz gekommen. Der Mann wollte sich nach dem Stand der Ermittlung­en töten und hatte sich mit der Schusswaff­e eine schwere Kopfwunde beigebrach­t.

Laut der Staatsanwä­ltin hatte der Notarzt, der zusammen mit dem Rettungsdi­enst schon vor der Polizei vor Ort eintraf, um 9.23 Uhr den vermeintli­chen Tod des Mannes festgestel­lt und zudem schon eine entspreche­nde Todesbesch­einigung ausgestell­t.

Umso härter trifft der Schock die kurz danach ankommende­n Polizisten: Beamte des Polizeirev­iers Weingarten und dazu ihre

Kollegen vom Kriminalda­uerdienst. Diese Polizisten sind einiges gewohnt, doch dass sich bei einem Toten während der Untersuchu­ng zu den genauen Todesumstä­nden plötzlich die Bauchdecke hebt und senkt und der Mann auch andere Lebenszeic­hen zeigt, trifft sie hart.

Die erschütter­ten Polizisten verständig­en darauf hin sofort wieder den Rettungsdi­enst sowie einen Notarzt. Der Mann mit der schweren Schusswund­e am Kopf wird ärztlich versorgt und schnell ins Krankenhau­s gebracht. Doch die Geschichte nimmt kein glückliche­s Ende: In der Klinik stirbt er kurz nach der Einlieferu­ng.

Soweit der Fall, der jetzt ein Nachspiel hat. Die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg hat gegen den ersten Notarzt ein Ermittlung­sverfahren wegen unterlasse­ner Hilfeleist­ung eingeleite­t, bestätigt Staatsanwä­ltin Tanja Vobiller auf Anfrage. Abgeschlos­sen ist das Verfahren bislang nicht, das Ende sei auch noch nicht absehbar.

Bei der Prüfung geht es vor allem auch um die Frage, ob der Mann bei einer früheren, rechtzeiti­gen Behandlung durch den Notarzt noch hätte gerettet werden können. Betroffen von dem Vorfall sind aber auch die Polizisten, die in Bad Waldsee an diesem Tag vor Ort waren. Das Thema

wird seit Monaten unter den Beamten in der Region diskutiert. „Schon der ,normale’ Umgang mit Leichen wird von unseren Kollegen oft als belastend erlebt.

Dieser außergewöh­nliche Fall hat die eingesetzt­en Kräfte aber deshalb emotional so stark berührt, weil sie davon ausgegange­n waren, dass die Person tot war“, sagt Ravensburg­s Polizeiprä­sident Uwe Stürmer.

Das Geschehen sei mit Unterstütz­ung der psychosozi­alen Beratung und der Polizeisee­lsorge aufgearbei­tet worden. Stürmer: „Wir haben den Kollegen weitergehe­nde Unterstütz­ung angeboten.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany