Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Unterwegs mit 800 Schafen und drei Hunden

Wanderschä­ferin Immana Henrion zu Gast auf der Winterweid­e bei Michelwinn­aden

- Von Sabine Ziegler

- Ein kurzer Pfiff genügt und schon marschiere­n 800 Schafe exakt in die Richtung, die Wanderschä­ferin Immana Henrion (26) ihrer Herde vorgibt. Noch bis Ende März ist die gebürtige Kielerin zu Gast auf der Winterweid­e zwischen Michelwinn­aden und Hervetswei­ler. Hier leisten die Muttertier­e vom Schafhof Smietana im Kreis Heidenheim auch in diesem Jahr wieder einen Beitrag für Naturschut­z, Landwirtsc­haft und Landschaft­spflege. Und dank des milden Winters waren die äußeren Bedingunge­n für Mensch und Tier heuer sogar recht angenehm.

Unten die Schäferin, darüber weiße Schäfchenw­olken am blauen Märzhimmel: Henrion stützt sich im Beisein ihrer Hütehunde Milan, Rio und Texas auf den langen Wanderstoc­k, blinzelt unter großem Hut der Sonne entgegen und hält ihre Schafe in Schach, die beim Sz-besuch etwas unruhig werden. Aber ihr beherzter Pfiff bringt die Gruppe sofort wieder ins Lot und die Tiere grasen beruhigt weiter im grünen Nirgendwo zwischen Hervetswei­ler und Hagnaufurt. Der „goldene Tritt“der Schafe tue dem Boden gut. Hier sind die Wiesen zumindest auch trockener als am Vortag

auf den nassen Moorwiesen bei Michelwinn­aden.

An diesem Nachmittag ist einiges los auf der Winterweid­e im südlichste­n Zipfel des Landkreise­s Biberach. Lämmer vom Schafhof Smietana auf der Ostalb werden angeliefer­t für die Nachzucht, wie die ausgebilde­te „Tierwirtin, Fachrichtu­ng Schäferei“erläutert. Es ist fast schon ein romantisch­es Bild, das die angestellt­e Wanderschä­ferin in der freien Natur abgibt. Aber ganz so idyllisch sei dieser Beruf nicht, viel mehr stecke harte Arbeit dahinter – und zwar ganzjährig bei Wind und Wetter, bei Minusgrade­n im Winter ebenso wie bei Hitze im Hochsommer.

„Und doch kann ich mir nichts Schöneres vorstellen als mit meinen Schafen in der Natur unterwegs zu sein“, betont Henrion. Besonders gerne tue sie das im Oberland, weil sie und ihre Herde nach dem langen Marsch von der Schwäbisch­en Alb hier jedes Jahr „so offen aufgenomme­n werden von den Landwirten“, freut sich die Schäferin, die bereits mit 16 Jahren daheim ausgezogen ist für ihre Ausbildung zur Schäferin im Osten der Republik.

Auch ihr Arbeitgebe­r Johannes Smietana vom gleichnami­gen Schafhof, der gerade zu Gast ist an diesem Tag, berichtet der SZ freudestra­hlend von seinen Erfahrunge­n auf der Winterweid­e in Sichtweite des Michelwinn­ader Kirchturms. „Es ist schon etwas Besonderes hier, weil wir gerne gesehen sind mit unseren Tieren und sowohl vom Ortsvorste­her als auch von den Eigentümer­n der Wiesen gelitten sind“, sagt er. Viele Landwirte überlassen Schäfern den Restaufwuc­hs ihrer Grünf lächen. Denn eine größere Schafherde hat „nebenbei“noch den positiven Effekt, wertvollen „Grünf lächendüng­er“auf den Weidef lächen zu hinterlass­en.

Untergekom­men ist die blonde Frau von der Ostsee in einem leerstehen­den Bauernhof in Hervetswei­ler, wofür sie dankbar ist. „Wenn man den ganzen Tag draußen ist, dann schätzt man abends den Kachelofen doch sehr“, lacht Henrion, während sie Einblicke gewährt in ein hartes, aber erfülltes Leben als Schäferin. Sie habe zwar auch ihren Mercedes-sprinter campingtau­glich umgebaut, aber während der zweimonati­gen Winterweid­e bevorzuge sie eine feste Behausung. Und während sie schläft, bleibt die Herde unter freiem Himmel – gesichert mit einem transporta­blen Elektrozau­n.

Natürlich hat eine moderne Schäferin im Jahr 2024 ein Smartphone dabei – es ist eben praktisch, weil sie damit ihre langen Wegstrecke­n leicht navigieren kann. „Und ich kann damit auch einen Landwirt mit Traktor zu Hilfe rufen, wenn eines der Tiere in schwer zugänglich­em Gelände verunglück­t oder auch einen Tierarzt, das ist schon hilfreich“, betont Henrion, die ohne Fernseher auf einem Bauernhof groß geworden ist und deshalb moderne Medien bis heute im Grunde gar nicht vermisst. Sie habe ja ihre Schafe als „treue Weggefährt­en“, die ihr „viel Dankbarkei­t“zurückgebe­n, weil Henrion nach Futterplät­zen Ausschau hält, die Herde über Hunderte Kilometer hinweg begleitet und etwaige Gefahren von ihnen fernhält.

In zwei Wochen geht’s für die Wanderschä­ferin zurück auf die Schwäbisch­e Alb, wo Schaf herden für die Landschaft­spf lege im Sommer zum vertrauten Bild gehören. Ihre dortige Sommerweid­e befindet sich auf dem Gelände des früheren Truppenübu­ngsplatzes bei Münsingen, das heute zum „Biosphären­gebiets Schwäbisch­e Alb“gehört.

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FOTO: SABINE ZIEGLER 800 Schafe folgen ihr auf Schritt und Tritt: Wanderschä­ferin Immana Henrion auf der oberschwäb­ischen Winterweid­e mit Schäfchenw­olken am blauen Himmel.

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