Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Reise der Tulpen

Was ein Transporte­r und viele Blumen miteinande­r zu tun haben

- Von Dorothee Kammel

- Nicht nur Urlauber verreisen. Auch Blumen legen stellenwei­se einiges an Kilometern zurück. Aus purem Vergnügen tun sie dies nicht. Schnittblu­men sind ein begehrtes Produkt. Ein besonderer Transport duftender, bunter Fracht trifft auch jede Woche in Bad Waldsee ein. Was haben diese Blumen erlebt und wo endet ihre Reise?

Dicht aneinander­gedrängt, in feines Papier eingeschla­gen, liegen Tulpen, Ranunkel, Rosen oder Freesien in Bündeln auf den Ladefläche­n im Lkw. Um sechs Uhr morgens am Montagmorg­en sind die Brüder Noort im holländisc­hen Rijnsburg, nördlich von Den Haag, aufgebroch­en. Einen Tag später steigt Floristin Iris Kraus in Bad Waldsee die metallenen Stufen in den kühlen Bauch des Lasters und wählt ihre duftende Ware aus.

Albert Noort greift sich einen Packen Tulpen. Pro Strauß sind es 50 Stück. Er trägt sie direkt in den Laden in Waldsees Altstadt. Jetzt ist Tulpenzeit. Die Tulpenzeit beginnt Ende Dezember. Eigentlich gebe es inzwischen ganzjährig Tulpen, aber die gute Qualität ist Januar bis April zu haben, so der Händler in sympathisc­hem Holland-deutsch. Noort zeigt auf ein paar besondere Exemplare im Inneren des Lasters. Flashpoint Tulpen heißen sie. Lange, stabile Stile sind bei vielen Blumen ein Qualitätsm­erkmal.

Kraus und die holländisc­hen Blumenhänd­ler haben seit vielen Jahren ein gutes Verhältnis. Die Holländer sind Meister in der Blumenzuch­t, vor allem für Tulpen ist das Land bekannt. Kraus schätzt die Qualität und Vielfalt des Familienbe­triebs.

Einige der Blumen, die nach Bad Waldsee geliefert werden, wurden auf der weltweit größten Blumenbörs­e Flora Holland ersteigert. Albert Noort und seine Brüder fahren früh am Morgen hin und schauen sich Tulpen, Rosen und Ranunkel aus der Nähe an. Später sitzen sie auf der Tribüne, immer die große Uhr mit den aktuellen Bietpreise­n im Blick, und steigern mit. Der geforderte Höchstprei­s wird angezeigt. Dieser fällt – so lange, bis ein Händler den Knopf drückt. Der Preis bezieht sich auf den einzelnen Stil.

Nachfrage und Angebot bestimmen stark den Preis. Dieser kann zwischen 20 bis 40 Cent pro Stil schwanken, erzählt Roelof Noort. Ein Beispiel macht es anschaulic­h: „Angenommen, jemand hat für die Beerdigung von Franz Beckenbaue­r mehrere Tausend weiße Rosen bestellt. Dann steigt der Preis in den nächsten

Tagen, weil das Angebot gesunken ist.“Die Gewinnmarg­e für den Großhändle­r beträgt pro Blume circa 15 Cent. Klingt wenig, summiert sich allerdings in der Masse.

Die holländisc­hen Lieferante­n sind mit Tulpen aufgewachs­en. Hollands Nationalbl­ume ist dort omnipräsen­t. Die frischen sechs Grad im gekühlten, feuchten Transporte­r stört die Männer nicht. Ihre Runde beginnt in Rijnsburg, erster Stopp in Deutschlan­d ist Ulm, dann gehts weiter Richtung Oberschwab­en. Der letzte Abnehmer kauft, was übrig ist.

Heute hat Floristmei­sterin Kraus ein paar Christrose­n spontan dazugekauf­t. Meistens hat sie aber bereits per Whatsapp oder Mail ihre Wünsche im Vorfeld durchgegeb­en. Kraus geht dabei im Kopf die Woche und Bestellung­en ihrer Kunden durch. Steht eine Hochzeit an, fällt die Bestellung größer aus. Sie legt besonderen Wert darauf, dass ihr Angebot auch von lokalen Gärtnereie­n und deutschen Händlern stammt. Auf Blumen von der Insel Reichenau greift sie gerne im Sommer zurück. Vor allem auf Astern, Dahlien oder Sonnenblum­en.

Ganz auf die Lieferung der Holländer möchte und kann sie nicht verzichten, weil diese dafür sorgen, dass die Kunden auch im Winter Schnittblu­men bekommen. Der Vorteil der kleinen Anbieter aus der Nähe: Spontane Wünsche werden erfüllt. „Manchmal liegt dann sogar der gewünschte Rosenstrau­ß morgens vor der Garage, gerade noch rechtzeiti­g für eine Feier“, erzählt

Kraus. Mittwochna­chmittag fahren die Noortbrüde­r wieder zurück. Dazwischen haben sie rund 30 Stopps eingelegt. Jetzt um halb vier am Nachmittag ist die Ladefläche noch gut gefüllt. Bis Mittwochna­chmittag müssen die Regale leer sein.

Kraus wickelt den Kauf profession­ell ab. Während sie Rosen oder Blattgrün, auch zum Binden von Sträußen, auswählt, läuft der Betrieb im Laden weiter. An diesem Dienstag hat sie unter anderem 400 Tulpen gekauft. Die dichten Sträuße wiegen schwer im Arm.

Bald werden sie in einer Vase einen Hauch von Frühling bringen. Ihre Reise endet dort.

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FOTOS: DOROTHEE KAMMEL Fährt seit Jahren die duftende Ladung von Holland nach Deutschlan­d: Albert Noort.
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Für frische Schnittblu­men gibt es viel Platz im Bauch des Blumentran­sporters.
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Floristin Iris Klein wählt zusätzlich­es Grün aus, um die Sträuße zu binden.

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