Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Das sagen Naturschützer zur Petition gegen Windkraft
Bund-vertreter äußern sich zur Kritik zu den Planungen östlich von Aulendorf
- Die geplanten Windräder rund um Tannhausen sowie bei Lippertsweiler stoßen bei vielen Bürgern auf Kritik. So wurde auf der Online-plattform chang.org eine Petition gegen die Pläne östlich von Aulendorf gestartet. Zwischenzeitlich hat das Gesuch mehr als 800 Unterzeichner. Adressaten sind die Stadt, der Regionalverband mit Sitz in Ravensburg sowie der Petitionsausschuss des Landtags. Die Petition hat Vertreter des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), der sich wie andere Naturschutzverbände bundesweit grundsätzlich für Windenergie unter Einhaltung von Vorgaben im Sinne des Natur- und Artenschutzes ausspricht, auf den Plan gerufen.
Ginge es nach den Forderungen der Petition, sollen fast alle der theoretisch neun möglichen Windräder nicht gebaut werden dürfen und am besten sogar das gesamte Gebiet für Windkraft gestrichen werden. Als ein Grund wird genannt, dass Windräder zu einem Austrocknungseffekt der Moorf lächen führen könnten, die es in dem Gebiet gibt. „Windenergieanlagen erzeugen selbst keinen Wind, sorgen aber durch ihre Rotoren für Verwirbelungen hinter den Anlagen und dadurch für eine Durchmischung bodennaher Luftschichten. So kann es dazu kommen, dass sich kalte Oberflächen erwärmen und Feuchtigkeit verlieren. Uns liegen keine Daten über die Größe des Effekts vor, der wiederum von der Größe des Windparks und anderen Faktoren abhängt. Es ist schwer, die Relevanz von Windenergieanlagen für die Feuchte verschiedener Bodentypen zu beurteilen“, erklärt Fritz Mielert, Referent für Umweltschutz, Klima und Energie beim Bund-landesverband, auf Sz-anfrage.
Zu den genannten Befürchtungen, dass die geplanten Windräder die im Gebiet lebenden Schwarzstörche gefährden würden,
erklärt Mielert, dass sich diese früher fast ausgestorbene Art vor 60 Jahren wieder in Deutschland ansiedelte. Vom Ausbau der Windenergie sei der Schwarzstorch gemäß Untersuchungen nur in geringem Maße betroffen. Sinnvoll sei ein Mindestabstand zwischen Horst und Windrad von 1000 Metern. Die in der Petition genannte Waldschnepfe gelte als nicht besonders von Windrädern gefährdete Art, wenngleich ihre Störungsempfindlichkeit durch die Anlagen umstritten sei.
Negative Auswirkungen von Windrädern auf Menschen kommen in der Petition ebenfalls vor. Mielert verweist dabei auf existierende Vorgaben für sinnvolle Abstände zu Wohnbebauungen. Was den Infraschall angeht, dem schädliche Folgen auf das Herzkreislauf-system
unterstellt werden: „Hier waren, auch unterstützt durch das Bundeswirtschaftsministerium unter Minister Altmaier, lange falsche Zahlen im Umlauf, die auf einem Rechenfehler beruhten. Das Wind-turbinen-syndrom ist durch wissenschaftliche Studien als Einbildung entlarvt“, führt Mielert aus.
Der Bund-referent geht zudem auf in der Petition genannte Ängste ein, dass durch den Bau von Windradfundamenten natürliche Wasservorkommen im Wald beschädigt werden und nicht mehr als Trinkwasserquelle genutzt werden könnten. In seltenen Fällen würden Betonpfähle im Rahmen von Tiefgründungen eingesetzt. In der Regel sei es im Rahmen der Bauplanung auszuschließen, dass grundwasserführende
Schichten betroffen sind.
Eine grundsätzliche Bund-kritik gibt es an landauf-landab häufig genannten Gründen gegen Windenergie, die zumeist aus einem Informations-pool stammen würden, der viele nicht haltbare Argumente beinhalte, wie Rainer Schick erklärt. „Neuere Erkenntnisse finden oft kein Gehör. Die alten Narrative werden immer wieder hervorgeholt. Falschaussagen bleiben dadurch bestehen“, sagt der stellvertretende Vorsitzender des Bund-kreisverbands Biberach. Das sieht auch Bruno Sing, Vorsitzender der Bundortsgruppe Aulendorf, grundsätzlich so. „Es sind oft dieselben Argumente, die meistens überholt sind.“
Gemeint ist beispielsweise, dass Windräder vor allem Vogelschredder-anlagen
seien. Die Zahl der getöteten Vögel ist laut Rainer Schick aber vergleichsweise gering – zwischen 10.000 und 100.000 Vögel pro Jahr. Das entspräche bundesweit einer Quote von ein bis vier Vögeln pro Windrad und Jahr. „Andere menschengemachte Faktoren sind für Vögel wesentlich fataler: 100 bis 115 Millionen getötete Vögel jedes Jahr in Deutschland nur durch Glasflächen an Gebäuden, etwa 70 Millionen im Straßen- und Bahnverkehr, 20 bis 100 Millionen Vögel werden Opfer von Hauskatzen“, erklärt Schick.
Was die Versorgungssicherheit anbelangt, die von Gegnern häufig nicht anerkannt werde, erklärt der Bund-vertreter aus Ochsenhausen: Auf Wind- und Solarenergie könnte laut internationaler und deutscher Studien eine sichere Energieversorgung basieren. Ein Beleg sei die deutsche Stromversorgung selbst: Im ersten Halbjahr 2019 hätten die erneuerbaren Energien rund 44 Prozent des gesamten Stromverbrauchs gedeckt.
Fritz Mielert vom Bund-landesverband betont, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien hierzulande absolut notwendig sei. Dafür müsse zwischen verschiedenen Schutzgütern abgewogen werden. „Eine rein lokale Betrachtung nach dem Motto ,Bei mir geht es aber nicht’ mit beliebigen und immer neu generierten Gesundheits- und Naturschutzargumenten führt zu einem Scheitern der Energiewende und damit direkt in die Klimakatastrophe“, sagt er deutlich. Deshalb sei der aktuell laufende Prozess einer Regionalplanung für Windenergie und Photovoltaik-freiflächenanlagen von besonderer Bedeutung.
Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Der Regionalverband Bodensee-oberschwaben (RVBO) ist bekanntlich derzeit dabei, im Rahmen des Teilregionalplans Energie die Flächen für Windräder und Freif lächen-solaranlagen auszuweisen. Dazu zählt das Gebiet zwischen Tannhausen und Tannweiler sowie bei Lippertsweiler und Haslach. Bürger hatten bis vor Kurzem die Möglichkeit, ihre Stellungnahmen beim RVBO abzugeben. Noch bis 29. April können das Träger öffentlicher Belange tun. Der BUND Oberschwaben und Bodensee wird laut Bruno Sing gemeinsam mit dem Naturschutzbund (Nabu) sowie dem Landesnaturschutzverband (LNV) eine ausführliche Stellungnahme abgeben.
Während Rainer Schick vom Bund-kreisverband Biberach die Tannweiler Petition vor allem inhaltlich als „kritisch“betrachtet, hält es der Aulendorfer Bruno Sing im Sinne des demokratischen Prozesses für verständlich, dass sich Bürger einbringen. Wie er bestätigt, gebe es in dem Gebiet besonders schützenswerte Waldbestände, allerdings werde es seiner Ansicht nach nicht zum von vielen Anwohnern erwünschten Effekt kommen, dass östlich von Aulendorf gar keine Windräder gebaut werden. Wichtig seien wissenschaftlich fundierte Argumente oder beispielsweise präzise Artenschutzkartierungen, wie sie der BUND habe und in die Stellungnahme an den RVBO einbringe. Es gehe darum, eine Abwägung zwischen verschiedenen Bedürfnissen von Menschen und Tieren und dem Landschaftsschutz zu finden und genau zu schauen, wo Standorte für Windräder möglich sind.
Weil Windpark-planungen meist mit mehr Windrädern starten, als letztlich dann gebaut werden, hält Sing neun Windräder für unrealistisch, er geht von maximal vier bis sechs Anlagen aus, die es schließlich werden könnten. Unter anderem auch wegen der wertvollen Waldbestände. Der Investor selbst, die Firma Uhl Windkraft aus Ellwangen, hatte in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung bereits in Aussicht gestellt, nicht auf neun Anlagen beharren zu wollen und die Zahl sieben in den Raum gestellt.