Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Frust, Freudentränen und neue Freunde
Deborah Dantele hat die erste Etappe ihrer Radtour von Tarifa zum Nordkap gepackt
- Deborah Dantele hat am 11. März ihr Elternhaus in der Ravensburger Weststadt verlassen, um das erste Ziel ihrer Traumreise, Tarifa in Spanien, anzusteuern. Auf ihrer bisherigen Tour erlebte die 21-Jährige viel Freude, aber auch Frust. Außerdem lernte sie neue Freunde kennen.
Mit dem Zug ging es los nach Karlsruhe, von dort mit dem Flixbus nach Barcelona. Nächste Ziele waren – wiederum per Zug – Valencia, Madrid und Algeciras. Dort gönnte sie sich nach den Anstrengungen der Hinreise ein Päuschen und bastelte in Ruhe ihr orangefarbenes Gravel-bike zusammen. Das hatte sie bis dahin in einer Spezialfahrradtasche in Einzelteile zerlegt mit sich geführt. Am 15. März startete sie dann mit dem Rad ihre große Tour nach Tarifa, dem südlichsten Punkt des europäischen Festlands.
Die ersten Überraschungen hatten bereits am Bahnhof von Barcelona auf Deborah gewartet: Alle Infotafeln nur auf Spanisch, der Bahnhof riesig, verwirrende und strenge Sicherheitskontrollen vor den Zügen wie sonst nur an Flughäfen. Als erstes war ihr Küchenmesser dem Sicherheitscheck zum Opfer gefallen. Das Taschenmesser hatte sie behalten dürfen.
Als nächstes, vor der Fahrt von Madrid nach Algeciras, hatte sie auch ihre Gaskartusche (für den Camping-kocher) hergeben müssen. Und das Fahrrad in der Tragetasche ging nicht durch, zu groß! Als erste Tränen f lossen, ging es auf einmal doch, allerdings nur mit der Mahnung, in Zukunft kleineres Gepäck mitzunehmen.
Spätabends an diesem 15. März kommt Deborah radelnd und voller Erwartung in Tarifa an. Das Ziel ihrer mehrtägigen Hinreise und der Ausgangspunkt ihrer Tour durch ganz Europa ist erreicht. Die unförmige Radtasche schickt sie am nächsten Tag nach Hause zurück. Die lang ersehnte Traumreise kann beginnen.
Von Tarifa radelt sie nach Norden, vorbei an Algeciras, von wo sie den zauberhaften Blick auf den Felsen von Gibraltar und nach Marokko genießt. Und das Gefühl unendlicher Freiheit und großer Freude. Das Wetter könnte besser sein, als sie in einem Naturschutzgebiet nach steilem Anstieg eine Verschnaufpause einlegt. Nur eine Ziegenfamilie mit Zicklein und Bock nähert sich ihr, die arglos sitzenbleibt und sich beschnuppern lässt.
Als der Ziegenbock beginnt, sie zu schubsen, flieht sie zu einer nahen Schafherde, der aggressive Bock hinterher. „Ich war richtig in Panik“, sagt sie. Sie mischt sich unter die Herde, bis der Ziegenbock das Interesse an
ihr verliert. Ihr Fahrrad steht noch an Ort und Stelle, als sie unversehrt aber mit klopfendem Herzen zurückkehrt.
Ihre erste Zeltübernachtung nach 73 geradelten Kilometern klappt gut. Die Luftmatratze ist luxuriös weich, sie schläft herrlich. Bislang hat sie meist in Hostels übernachtet. Ausnahme: Das Bett im Studentenzimmer von Salome in Valencia, das sie deren Ravensburger Vater zu verdanken hatte. Der war durch den Zeitungsartikel über Deborah auf sie und ihre Tour aufmerksam geworden.
Weiter geht es vorbei an Gibraltar, über Marbella, Malaga, Granada nach Almeria. 55 bis 80 Kilometer schafft sie am Tag, je nach Steigungen und Wetterlage. Mehr als 1000 Höhenmeter sind mitunter zu bewältigen und Strecken über rutschig-matschige Feldwege. Hässliche Bettenburgen wechseln mit traumhaften Aussichten auf Berge und Meer. Nicht immer klappt es, die an der Strecke liegenden Sehenswürdigkeiten, wie die Alhambra in Granada, anzuschauen. Einen Eindruck der Städte entlang ihrer von Osmand-maps geführten Route nimmt sie in jedem Fall mit. Aufbauend und interessant sind die Begegnungen mit anderen Radlern, Zug- oder Busreisenden, Trampern oder jungen Menschen, die im „Work and Travel“programm unterwegs sind. Sie kommen aus Österreich, England, Kanada, USA, Brasilien, Holland, Griechenland, Spanien, Norwegen oder Deutschland. Einige davon werden ihr vielleicht als Freunde erhalten bleiben. Sie
alle sind allein oder zu zweit unterwegs, getragen von Abenteuerlust und großer Neugier auf die Welt. So wie auch der Deutsche, der schon zwei Jahre um die Welt radelt, darüber Buch und Film produziert hat („Besser Welt als nie“von Dennis Kailing) und nun nach Südafrika „runterradeln“will.
Zuhause in Ravensburg ist vor allem Deborahs Mutter in den ersten Tagen sehr aufgeregt. „Wenn Deborah anruft und fröhlich klingt, geht’s uns gut“, sagt sie. Einmal am Tag meldet sich die Tochter. Dann bekommt sie – wenn nötig – moralische Unterstützung. Als ihr am 13. Reisetag nach 85 Kilometern von Almerias nach San José etwas wehmütig ums Herz wird, weil sie an die Osternacht und das Osterfest zuhause mit der Familie denkt, kauft sie sich einfach im nächsten Supermarkt einen einsamen, grünen Osterhasen.