Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Gasmotoren für die Energiewende
Wie Rolls-royce Power Systems von der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung profitieren will
- Der Motorenbauer Rolls-royce Power Systems (RRPS) erhofft sich von der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung kräftige Impulse für das eigene Geschäft. Das erklärten Daniel Chatterjee, Direktor für Nachhaltigkeits- und Technologiestrategie, sowie Michael Stipa, Vize-präsident für Geschäftsentwicklung und Produktmanagement, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Konkret geht es dabei um den Bau und den Betrieb von kleineren Gaskraftwerken zur Netzstabilisierung, die aber nicht – wie heute üblich – mit Gasturbinen, sondern mit Gasmotoren arbeiten – eine Domäne des Friedrichshafener Unternehmens.
Von den containergroßen Aggregaten, die eine Leistung von 2,5 Megawatt haben, ließen sich den Rrps-managern zufolge mehrere zusammenschalten, sodass eine Kraftwerksleistung zwischen 60 und 100 Megawatt erreicht werden könne. Zum Vergleich: Ein konventionelles Gaskraftwerk verfügt über eine Nennleistung von etwa 500 Megawatt.
„Aktuell dreht sich die Diskussion vor allem um den Bau großer Gaskraftwerke“, erklärt Michael Stipa. Mit der voranschreitenden Energiewende und dem Ausbau erneuerbarer Energien bei vorhandenen Engpässen im Stromnetz würden aber die Anforderungen an flexibel einsetzbare Energie steigen – insbesondere in sogenannten Dunkelflauten, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. In diesen Situationen könnten Gasmotorenkraftwerke gegenüber Gasturbinenkraftwerken punkten.
Die Vorteile aus Sicht von RRPS: Sie sind viel schneller zu planen und zu bauen und kosten obendrein weniger. Sie können modular betrieben werden, was heißt, dass in einem Kraftwerk von angenommen 30 Gasmotoren nur so viele Aggregate laufen müssen, wie gerade Energie benötigt wird. Vor allem aber können sie viel schneller hoch- und wieder heruntergefahren werden. „Innerhalb von 120 Sekunden laufen Gasmotorenkraftwerke unter Volllast und damit deutlich früher als Gasturbinenkraftwerke“, sagt Stipe.
Ob die Argumentation der Rrps-manager verfängt und Gasmotoren im künftigen Kraftwerksmix der Bundesrepublik eine Rolle spielen, ist jedoch offen. Fix ist bislang nur, dass die Bundesregierung zunächst einmal Gaskraftwerke mit einer Gesamtkapazität von bis zu zehn Gigawatt ausschreiben und deren Bau voraussichtlich mit einem Investitionskostenzuschuss fördern will.
Frühestens 2028 sollen die Kraftwerke dann in einen sogenannten Kapazitätsmarkt überführt und die Betreiber für die Bereitstellung der Kraftwerksleistung entlohnt werden. Die Funktionsweise ist analog einer Versicherung und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Gaskraftwerke immer seltener benötigt werden und sie sich für die Betreiber deshalb nicht mehr rechnen würden.
Deshalb sollen die Versorger künftig dafür bezahlt werden,
dass sie bereit sind, schnell Strom zu produzieren und zu liefern, wenn er gebraucht wird. Sie werden aber nicht nur für den Strom bezahlt, den sie erzeugen, sondern auch dafür, dass sie im Bedarfsfall liefern können – zum Beispiel, wenn Wind und Sonne nicht ausreichend Energie produzieren. Durch die ständig in Bereitschaft gehaltenen Kraftwerkskapazitäten soll gewährleistet werden, dass es immer genügend Strom gibt.
Zwischen 2035 und 2040 sollen alle Gaskraftwerke dann komplett auf klimafreundlichen Wasserstoff umgestellt werden und kein fossiles Erdgas mehr nutzen. Eine Vorgabe, die die Rrps-gasmotoren der Baureihe mtu-4000 bereits heute erfüllen.
In der Energiebrache geht man davon aus, dass die ersten Ausschreibungen voraussichtlich im zweiten Halbjahr dieses Jahres erfolgen. Vor diesem Hintergrund
fordert Rrps-manager Chatterjee: „Die dafür nötigen Regeln sollten aus unserer Sicht so gefasst sein, dass sie auch Gasmotorenkraftwerke ermöglichen.“Denn unter Berücksichtigung des künftigen Nutzungsprofils zur temporären Abdeckung von Spitzenlasten hätten diese gegenüber Gasturbinenkraftwerken nicht nur einen Kostenvorteil. Die Megawattstunde Strom könne günstiger produziert werden als bei einem Gasturbinenkraftwerk. Die Planungsund Genehmigungsverfahren sowie der Bau würde mit drei bis vier Jahren auch deutlich weniger Zeit in Anspruch nehmen.
Außerdem könnten Gasmotorenkraftwerke helfen, ein besonders für Süddeutschland drängendes Problem zu lösen: Gemessen am Strombedarf gibt es nach der Abschaltung der letzten Atommeiler und dem bevorstehenden Ausstieg aus der Kohleverstromung nämlich nicht nur viel zu wenig Kraftwerke. Allein Baden-württemberg benötigt nach Schätzungen von Experten neue Gaskraftwerke mit einer Leistung von wenigstens 6,5 Gigawatt. Diese neuen Kraftwerke sollen auch an sogenannten systemdienlichen Standorten entstehen – also dort, wo aktuell besonders viele Eingriffe zur Stabilisierung der Stromnetze für Mehrkosten im System sorgen. Und das ist im Süden Deutschlands der Fall.
Dass Gasmotorenkraftwerke bereits heute eine wichtige Rolle im Energiesystem spielen, zeigen Polen und Großbritannien. Auf der Insel beispielsweise hat Rollsroyce bereits 500 solche Anlagen in Betrieb genommen. Auch einen Kapazitätsmarkt gebe es dort schon. Aus den gewonnenen Erfahrungen sehe man, dass sich die Systeme in der Praxis bewährten, sagt RRPS-MANN Stipa.