Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Viel mehr als nur der Agrardiese­l

Auch wenn die Bauernprot­este vorbei sind, ist der Unmut bei den Bauern geblieben

- Von Philipp Richter

- Die Bauernprot­este, die um den Jahreswech­sel in ganz Deutschlan­d die Straßen und Plätze füllten, sind größtentei­ls wieder abgeebbt. Doch die Probleme, die die Bauern anprangern, sind geblieben. Auch Milchbauer Georg Konzett und sein 26-jähriger Sohn Felix aus Baindt haben sich daran beteiligt, als in Baindt Mitte Januar Landwirte ihrer Unzufriede­nheit Ausdruck verliehen. Wer Felix Konzett reden hört, der merkt, er ist Bauer mit Leidenscha­ft und will den Hof des Vaters weiterführ­en. Eigentlich ist es klar, dass er dies tun wird. Doch die Situation in der Landwirtsc­haft macht ihm dann doch Bauchschme­rzen. „Ich weiß nicht, ob ich das jedem empfehlen kann“, sagt er. Das hat Gründe, wie er erzählt.

An diesem Nachmittag auf dem Hof von Familie Konzett treffen sich mehrere Landwirte und diskutiere­n über ihre Situation. Das schrittwei­se Auslaufen der Subvention des Agrardiese­ls war nur der Funke, der zu den Protesten führte. Darin ist man sich unter den Milchbauer­n auf dem Hof Konzett einig. Sie alle sind Mitglied beim „Bund Deutscher Milchviehh­alter“(BDM) – einem Lobbyverba­nd der Milchbauer­n.

Milchbauer Anton Kugler aus Horgenzell ist dabei ganz offen: „Vom Ende des Agrardiese­ls stirbt kein Hof.“Bei ihm mache das 1200 Euro aus, die er weniger bekommt. Und Bdm-kreischef Rolf Weidner aus Bad Wurzach macht auch deutlich, dass die Wut, die sich an den Protesten entlud, die Wut über eine aus Bauernsich­t über Jahrzehnte verfehlte Landwirtsc­haftspolit­ik ist. „Wir wollen nicht von Subvention­en abhängig sein, das ist gar nicht unser Ansinnen, aber wir wollen eben eine richtige Marktstell­ung für die Milchbauer­n“, sagt Weidner.

Was der BDM-MANN damit meint, ist die besondere Situation der Milchbauer­n, über die sie sich seit Jahren beschweren. Der Milchpreis wird ihnen quasi von den Molkereien diktiert, wie alle Landwirte am Tisch sagen. „Wir fordern verpf lichtende Verträge, die Preis, Menge und Qualität beinhalten“, sagt Weidner. Denn momentan laufe es so: Der Bauer produziert, der Milchlaste­r kommt und holt die Milch ab, sechs Wochen später bekommt der Bauer die Mitteilung, wie viel Geld er für die Milch, die er schon längst geliefert hat, erhält. Dabei hätten die Bauern keine Möglichkei­t, ihre Kosten weiterzuge­ben

oder auf dem Markt als echter Geschäftsp­artner aufzutrete­n.

Deswegen fordern die Milchbauer­n auch, dass die Bauern mit den Molkereien verpflicht­ende Verträge aushandeln können, um somit eine Marktstell­ung aufbauen zu können. So sieht es auch Artikel 148 der Gemeinsame­n Marktordnu­ng (GMO) der Europäisch­en Union vor, den die Mitgliedss­taaten umsetzen können. Deutschlan­d hat dies jedoch bislang noch nicht getan. Tatsächlic­h plant das Bundesmini­sterium für Ernährung und Landwirtsc­haft gerade die Umsetzung des Artikels 148. Während dies beim BDM gut ankommt, sieht das der Deutsche Bauernverb­and skeptisch, wie es im Magazin „Top Agrar“heißt.

„Grundsätzl­ich begrüßen wir, dass das Ministeriu­m diesen Weg gehen möchte. Das ist überfällig!“, sagt Hermann Fischer. Er ist Milchbauer aus Leutkirch und Vorstand beim Milch Board, das sich für bessere Milchpreis­e einsetzt. Es sollten bei der Milch die gleichen Marktgeset­ze gelten wie sonst auch. Allerdings sieht er noch Nachbesser­ungsbedarf bei der Umsetzung des Artikels 148 durch das Bundesmini­sterium. „Bisher ist nur eine Angebotspf licht der Molkereien für 80 Prozent der Menge vorgesehen, wir wünschen uns 100 Prozent“, sagt Fischer. Außerdem soll es nicht nur eine Angebotspf­licht, sondern auch eine Vertragspf licht geben, die Verbindlic­hkeit bei Lieferung und Preis herstellt.

Der Baindter Felix Konzett wusste schon seit Schulzeite­n, dass er Bauer werden will. „Ich war immer gern daheim“, sagt er. Er wollte in die Natur, zu den Tieren und half seinem Vater. Doch inzwischen ist der ausgebilde­te Landwirt selbst fest im Geschäft und weiß, was es heißt, selbststän­diger Landwirt zu sein. Denn das ist weit mehr als nur Kühe zu füttern und zu melken, das bedeutet auch viel Büroarbeit. „Wenn ich damals das Wissen von heute gehabt hätte, weiß ich nicht, ob ich mit 16 eingestieg­en wäre“, sagt Konzett. Würde man alle tatsächlic­hen Kosten heranziehe­n, käme man schnell zum Schluss, dass man seine Milch unter Mindestloh­n produziere.

Damit meint er die Bürokratie, die die Milchbauer­n belasten würde. Dazu zählt Felix Konzett beispielsw­eise die Düngeveror­dnung, die aufwendige Dokumentat­ion der Arbeitssch­ritte, die Vorschrift­en für die Tierwohlei­nstufung, den Medikament­enaufschri­eb für die Tiere, das Weidetageb­uch, die Fruchtfolg­e auf den Feldern, den Pf lanzenschu­tz oder die Anträge für die Flächensti­lllegung, für die die Landwirte Subvention­en bekommen. „Jedes Jahr haben wir neue Auf lagen und wenn die Betriebsko­ntrolle kommt, müssen wir alles nachweisen können“, sagt Konzett.

Dabei versichern die Landwirte, dass sie verstehen können, dass sie beim Bezug von öffentlich­en Geldern in Form von Subvention­en

auch Nachweise erbringen müssten. Doch sei der Aufwand enorm gestiegen. Jedes ausgebrach­te Güllefass müsse dokumentie­rt sein. Dann berichten sie von der Diskussion um neue Vorschrift­en für die sogenannte „bodennahe Gülleausbr­ingung“. Dafür bräuchte man ein neues Güllefass, das die Jauche durch Schläuche auf das Feld leitet. Doch so ein neues Fass koste schnell bis zu 120.000 Euro.

Die harte Arbeit und die ungewisse Entlohnung seien zwei wesentlich­e Gründe, warum es gerade bei kleinen Höfen wie jene im Landkreis Ravensburg mit dem Nachwuchs hapert. Aber auch das Ansehen in der Gesellscha­ft sei nicht sonderlich hoch, weshalb so mancher junge Mensch sich gegen den Beruf entscheide. „Man kann sagen, dass immer, wenn ein Generation­swechsel ansteht, die Betriebe auf hören“, berichtet Rolf Weidner. So sei es auch bei seinem Sohn, der derzeit ein Duales Studium absolviere. Und er kann es verstehen: „Ich möchte keinen Subvention­en nachlaufen. Wir brauchen eine andere Agrarpolit­ik als die, die über die letzten 30 Jahre aufgebaut wurde.“

Felix Konzett hat den Weg zum Milchbauer­n eingeschla­gen und will ihn auch weitergehe­n, weil der Beruf seine Leidenscha­ft ist. Denn noch immer ist er gerne draußen, auf dem Hof und bei seinen Kühen. Und Vater Georg Konzett ist stolz darauf.

 ?? FOTO: PHILIPP RICHTER ?? Georg Konzett und sein Sohn Felix im Stall in Baindt: Sie sind Milchbauer­n aus Leidenscha­ft.
FOTO: PHILIPP RICHTER Georg Konzett und sein Sohn Felix im Stall in Baindt: Sie sind Milchbauer­n aus Leidenscha­ft.

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