Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Viel mehr als nur der Agrardiesel
Auch wenn die Bauernproteste vorbei sind, ist der Unmut bei den Bauern geblieben
- Die Bauernproteste, die um den Jahreswechsel in ganz Deutschland die Straßen und Plätze füllten, sind größtenteils wieder abgeebbt. Doch die Probleme, die die Bauern anprangern, sind geblieben. Auch Milchbauer Georg Konzett und sein 26-jähriger Sohn Felix aus Baindt haben sich daran beteiligt, als in Baindt Mitte Januar Landwirte ihrer Unzufriedenheit Ausdruck verliehen. Wer Felix Konzett reden hört, der merkt, er ist Bauer mit Leidenschaft und will den Hof des Vaters weiterführen. Eigentlich ist es klar, dass er dies tun wird. Doch die Situation in der Landwirtschaft macht ihm dann doch Bauchschmerzen. „Ich weiß nicht, ob ich das jedem empfehlen kann“, sagt er. Das hat Gründe, wie er erzählt.
An diesem Nachmittag auf dem Hof von Familie Konzett treffen sich mehrere Landwirte und diskutieren über ihre Situation. Das schrittweise Auslaufen der Subvention des Agrardiesels war nur der Funke, der zu den Protesten führte. Darin ist man sich unter den Milchbauern auf dem Hof Konzett einig. Sie alle sind Mitglied beim „Bund Deutscher Milchviehhalter“(BDM) – einem Lobbyverband der Milchbauern.
Milchbauer Anton Kugler aus Horgenzell ist dabei ganz offen: „Vom Ende des Agrardiesels stirbt kein Hof.“Bei ihm mache das 1200 Euro aus, die er weniger bekommt. Und Bdm-kreischef Rolf Weidner aus Bad Wurzach macht auch deutlich, dass die Wut, die sich an den Protesten entlud, die Wut über eine aus Bauernsicht über Jahrzehnte verfehlte Landwirtschaftspolitik ist. „Wir wollen nicht von Subventionen abhängig sein, das ist gar nicht unser Ansinnen, aber wir wollen eben eine richtige Marktstellung für die Milchbauern“, sagt Weidner.
Was der BDM-MANN damit meint, ist die besondere Situation der Milchbauern, über die sie sich seit Jahren beschweren. Der Milchpreis wird ihnen quasi von den Molkereien diktiert, wie alle Landwirte am Tisch sagen. „Wir fordern verpf lichtende Verträge, die Preis, Menge und Qualität beinhalten“, sagt Weidner. Denn momentan laufe es so: Der Bauer produziert, der Milchlaster kommt und holt die Milch ab, sechs Wochen später bekommt der Bauer die Mitteilung, wie viel Geld er für die Milch, die er schon längst geliefert hat, erhält. Dabei hätten die Bauern keine Möglichkeit, ihre Kosten weiterzugeben
oder auf dem Markt als echter Geschäftspartner aufzutreten.
Deswegen fordern die Milchbauern auch, dass die Bauern mit den Molkereien verpflichtende Verträge aushandeln können, um somit eine Marktstellung aufbauen zu können. So sieht es auch Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) der Europäischen Union vor, den die Mitgliedsstaaten umsetzen können. Deutschland hat dies jedoch bislang noch nicht getan. Tatsächlich plant das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gerade die Umsetzung des Artikels 148. Während dies beim BDM gut ankommt, sieht das der Deutsche Bauernverband skeptisch, wie es im Magazin „Top Agrar“heißt.
„Grundsätzlich begrüßen wir, dass das Ministerium diesen Weg gehen möchte. Das ist überfällig!“, sagt Hermann Fischer. Er ist Milchbauer aus Leutkirch und Vorstand beim Milch Board, das sich für bessere Milchpreise einsetzt. Es sollten bei der Milch die gleichen Marktgesetze gelten wie sonst auch. Allerdings sieht er noch Nachbesserungsbedarf bei der Umsetzung des Artikels 148 durch das Bundesministerium. „Bisher ist nur eine Angebotspf licht der Molkereien für 80 Prozent der Menge vorgesehen, wir wünschen uns 100 Prozent“, sagt Fischer. Außerdem soll es nicht nur eine Angebotspflicht, sondern auch eine Vertragspf licht geben, die Verbindlichkeit bei Lieferung und Preis herstellt.
Der Baindter Felix Konzett wusste schon seit Schulzeiten, dass er Bauer werden will. „Ich war immer gern daheim“, sagt er. Er wollte in die Natur, zu den Tieren und half seinem Vater. Doch inzwischen ist der ausgebildete Landwirt selbst fest im Geschäft und weiß, was es heißt, selbstständiger Landwirt zu sein. Denn das ist weit mehr als nur Kühe zu füttern und zu melken, das bedeutet auch viel Büroarbeit. „Wenn ich damals das Wissen von heute gehabt hätte, weiß ich nicht, ob ich mit 16 eingestiegen wäre“, sagt Konzett. Würde man alle tatsächlichen Kosten heranziehen, käme man schnell zum Schluss, dass man seine Milch unter Mindestlohn produziere.
Damit meint er die Bürokratie, die die Milchbauern belasten würde. Dazu zählt Felix Konzett beispielsweise die Düngeverordnung, die aufwendige Dokumentation der Arbeitsschritte, die Vorschriften für die Tierwohleinstufung, den Medikamentenaufschrieb für die Tiere, das Weidetagebuch, die Fruchtfolge auf den Feldern, den Pf lanzenschutz oder die Anträge für die Flächenstilllegung, für die die Landwirte Subventionen bekommen. „Jedes Jahr haben wir neue Auf lagen und wenn die Betriebskontrolle kommt, müssen wir alles nachweisen können“, sagt Konzett.
Dabei versichern die Landwirte, dass sie verstehen können, dass sie beim Bezug von öffentlichen Geldern in Form von Subventionen
auch Nachweise erbringen müssten. Doch sei der Aufwand enorm gestiegen. Jedes ausgebrachte Güllefass müsse dokumentiert sein. Dann berichten sie von der Diskussion um neue Vorschriften für die sogenannte „bodennahe Gülleausbringung“. Dafür bräuchte man ein neues Güllefass, das die Jauche durch Schläuche auf das Feld leitet. Doch so ein neues Fass koste schnell bis zu 120.000 Euro.
Die harte Arbeit und die ungewisse Entlohnung seien zwei wesentliche Gründe, warum es gerade bei kleinen Höfen wie jene im Landkreis Ravensburg mit dem Nachwuchs hapert. Aber auch das Ansehen in der Gesellschaft sei nicht sonderlich hoch, weshalb so mancher junge Mensch sich gegen den Beruf entscheide. „Man kann sagen, dass immer, wenn ein Generationswechsel ansteht, die Betriebe auf hören“, berichtet Rolf Weidner. So sei es auch bei seinem Sohn, der derzeit ein Duales Studium absolviere. Und er kann es verstehen: „Ich möchte keinen Subventionen nachlaufen. Wir brauchen eine andere Agrarpolitik als die, die über die letzten 30 Jahre aufgebaut wurde.“
Felix Konzett hat den Weg zum Milchbauern eingeschlagen und will ihn auch weitergehen, weil der Beruf seine Leidenschaft ist. Denn noch immer ist er gerne draußen, auf dem Hof und bei seinen Kühen. Und Vater Georg Konzett ist stolz darauf.