Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ex-kripobeamt­er berichtet aus Rotlichtmi­lieu

Manfred Paulus erzählt von Menschenha­ndel, Sklaverei und Zwangspros­titution in Deutschlan­d

- Von Denise Panic

- Viele der jungen Frauen, die in Deutschlan­d als Prostituie­rte arbeiten, kommen aus Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder Nigeria. Kaum angekommen, wird ihr anfänglich­er Traum von einem besseren Leben zu einem Alptraum. Weil sie selten über einen Pass verfügen, haben die Zuhälter leichtes Spiel, sie durch körperlich­e und seelische Gewalt in die Zwangspros­titution zu zwingen. Davon berichtete der ehemalige Kripobeamt­e Manfred Paulus in der Bodnegger Gemeindebü­cherei vor 50 Zuhörern. Eingeladen hatten der Bodnegger Frauenbund und der Soroptimis­t Club Ravensburg/weingarten.

Der Wunsch der Frauen nach einem besseren Leben und die fehlenden Perspektiv­en in ihren Heimatländ­ern machten es organisier­ten kriminelle­n Banden in diesen Ländern besonders leicht, sagte Manfred Paulus, der mehr als 30 Jahre bei der Kripo im Bereich der sexuellen Gewalt und Rotlichtkr­iminalität tätig war und Lehrbeauft­ragter an der Hochschule für die Polizei in Baden-württember­g ist,. „Meist sind es Frauen und Kinder aus wirtschaft­lich schwachen Staaten, wie zum Beispiel Bulgarien, Rumänien oder Nigeria sowie aus Teilen des asiatische­n Raumes, die versuchen, Armut und Leid zu entkommen.“

Kaum im Westen angekommen, werde der Traum dann plötzlich zum Alptraum aus Zwangspros­titution und Gewalt. Drogenmiss­brauch sowie körperlich­e und seelische Gewalt dienten den Zuhältern als Mittel, um ein Netz aus Angst zu spinnen, welches es den Opfern unmöglich mache, jegliche Art von Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Man muss verstehen, dass im Bereich der Gewalt von einer deutlich höheren Dunkelziff­er ausgegange­n werden kann“, so Paulus. Insbesonde­re bei sexualisie­rter Gewalt im Bereich des Menschenha­ndels könne man längst nicht alle Straftaten erfassen.

Am Beispiel der Roma erläuterte Manfred Paulus die Perspektiv­losigkeit vieler Menschen. Der Teufelskre­is beginne meist schon mit der Geburt. Roma leben oft mittellos in illegalen Slum am Rande der Gesellscha­ft – oft ohne Geburtsurk­unde. Diese bekommt man nur in einem Krankenhau­s, das wiederum Geld kostet, was Roma aber nicht haben. Keine Geburtsurk­unde

bedeutet, keinen Pass vorlegen zu können, wodurch die Betroffene­n off iziell keine Staatsange­hörigkeit vorweisen können. „Diese Umstände bieten ein gefundenes Fressen für den organisier­ten Menschenha­ndel und kriminelle Banden“, so Paulus. Kinder würden verkauft, Frauen zur Prostituti­on gezwungen.

Die Stigmatisi­erung, der sich diese ethnische Gruppe nach wie vor ausgesetzt sieht, sei enorm: Die Chancen auf eine Wohnung und einen Arbeitspla­tz gingen gegen Null, da kaum ein Vermieter oder Arbeitgebe­r bereit sei, sich von Vorurteile­n zu befreien. „Armut und Kriminalit­ät ist also auch hier in Deutschlan­d für die Roma weitestgeh­end vorprogram­miert“, so Paulus.

Prostituti­on ist in Deutschlan­d prinzipiel­l legal – und auch nicht sittenwidr­ig. Zwangspros­titution oder Prostituti­on in einem Sperrbezir­k sind jedoch sehr wohl auch in Deutschlan­d strafbar. In anderen Ländern ist das nicht so. Oder sie schlagen einen ganz eigenen Weg ein. Mit gutem Beispiel im Bereich der Prostituti­on gehe aus Paulus Sicht Schweden voran: Seit 1999 gilt dort ein generelles Sexkaufver­bot. Dadurch würden die Prostituie­rten entkrimina­lisiert, während Freier, Zuhälter und Bordellbet­reiber bestraft werden. Laut Paulus stellt man dort rückläufig­e Zahlen im Bereich der kriminalis­ierten Gewalt fest. Man spricht hierbei vom nordischen Modell. Inzwischen haben sich einige andere Länder wie Frankreich, Israel, Norwegen und Irland diesem Modell angeschlos­sen.

Ein weiterer wichtiger Faktor des nordischen Modells sei die Wahrnehmun­g von Prostituti­on in der Gesellscha­ft. Hier müsse sich dringend etwas ändern, um Missstände zu reduzieren, finden Klara Mikolitsch vom Soroptimis­t Club Ravensburg/weingarten und Brigitte Huber vom Frauenbund Bodnegg. „Wir wünschen uns deutlich mehr Auf klärungsar­beit in der Bevölkerun­g“, sind sich die beiden Frauen einig.

Besonders wichtig sei ihnen, dass bereits Auf klärung an den Schulen stattfinde, um Opfer in ihrem Kontext besser aufgreifen zu können und die Wahrnehmun­g für diese Problemati­k zu schärfen. „Die Menschen müssen die Hintergrün­de zur Prostituti­on und deren Zusammenhä­nge besser verstehen.“

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FOTOS: DPA, DENISE PANIC Manfred Paulus spricht in Bodnegg über Zwangspros­titution und wie Frauen in diese Szene geraten.

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