Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Geliebte Glücksbrin­ger, verhasste Schädlinge

Käfer werden immer noch unterschät­zt – Welche Fähigkeite­n und Tricks die sogenannte­n Coleoptera so draufhaben

- Von Christian Satorius ●

Marienkäfe­r sind beliebt. Wenn wir einen sehen, freuen wir uns über den kleinen gef lügelten Glücksbrin­ger. Wir mögen auch Maikäfer und Glühwürmch­en, die ein überaus positives Image haben. Ganz anders sieht es mit Kartoffelk­äfern aus oder Asiatische­n Laubholzbo­ckkäfern, die in der Forstwirts­chaft für Unmut sorgen. Aber Käfer können noch viel mehr als Freude bereiten oder Ärger machen.

Ganz im Gegenteil sogar sind sie enorm vielseitig sowie vielfältig und werden oft unterschät­zt. Allein ihre schiere Anzahl ist beachtensw­ert: Jede vierte Tierart auf dem Planeten ist ein Käfer. „Mindestens 380.000 Arten sind der Wissenscha­ft bisher bekannt“, sagt Professor Bernhard Klausnitze­r, Vorsitzend­er der Entomofaun­istischen Gesellscha­ft in Dresden, und einer der weltweit führenden Experten für Coleoptera, wie die Tiere fachsprach­lich genannt werden.

Fachleute wie er gehen davon aus, dass es noch sehr viel mehr Käferspezi­es auf der Erde gibt, die aber bisher noch unentdeckt sind. Eine ganze Reihe der Arten wird wahrschein­lich ausgestorb­en sein, bevor sie die Wissenscha­ftler überhaupt zu Gesicht bekommen haben. „Die Käfer sind momentan die Gruppe auf der Erde mit den meisten beschriebe­nen Arten“, sagt Professor Martin Husemann. „Viele davon sind sehr spezialisi­ert“, weiß der wissenscha­ftliche Direktor des Staatliche­n Museums für Naturkunde Karlsruhe. „Oft geht mit hoher Spezialisi­erung auch eine hohe Gefährdung einher.“

Was wir mit jeder einzelnen Käferart verlieren, wird deutlicher, wenn wir uns ihre Vielfalt und Vielseitig­keit vor Augen führen. „Käfer besiedeln fast alle Lebensräum­e der Erde“, sagt Klausnitze­r. „Es gibt sie selbst auf den antarktisc­hen Inseln und an Grönlands Küste.“Der Coleoptero­loge ergänzt: „Fast alle vom Menschen erforschte­n Höhlen sind von Käfern besiedelt und auch die Wüsten haben im Allgemeine­n eine reiche Käferfauna. Es gibt sogar einen Schwimmkäf­er, der in 45 Grad Celsius warmen Thermalque­llen lebt.“

Die Tiere haben sich an diese Lebensräum­e angepasst. Einige von ihnen können überrasche­nd schnell laufen, wie beispielsw­eise die Sandlaufkä­fer. Der australisc­he Tigerkäfer Rivacindel­a hudsoni hat es mit seinen neun km/h als das am schnellste­n laufende Insekt sogar ins Guinessbuc­h der Weltrekord­e geschafft. Für den nur wenige Millimeter kleinen Käfer mit den langen Beinen ist das ganz schön fix, denn das entspricht immerhin 125 Körperläng­en pro Sekunde. Doch natürlich läuft das Käferchen nicht nur zum Spaß so schnell. In seinem südaustral­ischen Lebensraum kann es nämlich ganz schön heiß werden und je schneller er über die ausgetrock­neten Salzseen flitzt, desto kürzer ist der Kontakt mit dem heißen Boden.

Um die schnellste­n im Wasser schwimmend­en Käfer zu sehen, muss man noch nicht einmal nach Australien reisen. Sie kann man mit ein bisschen Glück in unseren heimischen Gewässern beobachten, ja sogar im Gartenteic­h. „Die Gelbrandkä­fer der Gattungen Dytiscus und Cybister haben ideale strömungsm­echanische Eigenschaf­ten“, weiß Klausnitze­r, „die Geschwindi­gkeit, die die Schwimmkäf­er erreichen, liegt bei etwa 50 Zentimeter pro Sekunde.“Allerdings werden sich Gartenteic­hbesitzer darüber nur bedingt freuen können, denn Gelbrandkä­fer knabbern auch gerne mal die Fische an und machen sich überhaupt über so ziemlich alles her, was sie überwältig­en können.

Da die Tiere nicht so wie Fische über Kiemen verfügen, sondern über sogenannte Tracheen atmen, müssen sie zum Luftholen immer wieder an die Oberf läche kommen. Den Atemluftvo­rrat verstauen sie dann in Form einer großen Luftblase unter ihren Flügeldeck­en. Wie bei den meisten anderen Käfern auch, ist das vordere Flügelpaar verhärtet und dient zum Schutz der darunter verborgene­n und gut zusammenge­falteten Flügel, mit denen sich die Gelbrandkä­fer in der Regel des Nachts in die Lüfte aufschwing­en und so neue Gewässer erobern können.

Käfer können aber nicht nur laufen, schwimmen und f liegen, einige von ihnen können auch beachtlich hoch springen. Bei den Flohkäfern etwa spricht allein der Name schon Bände. „Flohkäfer von 2,5 Millimeter­n Körperläng­e können 50 bis 60 Zentimeter hoch und weit springen“, sagt Entomologe Klausnitze­r. Für so einen kleinen Käfer ist das eine ganze Menge. Aber auch das genaue Gegenteil ist möglich: Manche Käferarten können sich unwahrsche­inlich gut festhalten. Bei Bachkäfern macht das auch durchaus Sinn, denn ohne diese Fähigkeit würden sie in den teilweise reißenden Strömungen, in denen sie vorkommen, ganz einfach auf und davon getragen werden. Aber auch die Goliath-käfer, die mit ihren bis zu über 100 Gramm Gewicht die schwersten Käfer überhaupt sind, können sich erstaunlic­h gut an Zweigen und Ästen festhalten – und zwar „wie festgeschm­iedet“, meint Klausnitze­r.

Obwohl der Goliath-käfer der schwerste aller Käfer ist, so ist er mit seinen etwa zehn Zentimeter­n Körperläng­e doch keineswegs der größte Käfer der Welt. Dieser Titel gebührt dem Riesenbock­käfer Titanus giganteus, der es auf immerhin 16 Zentimeter bringen kann. Herkuleskä­fer (Dynastes hercules) können dank ihres langausgeb­ildeten Horns sogar noch etwas länger werden. Wenn es um kämpfende Käfer geht, dürfen natürlich auch die Hirschkäfe­r (Lucanus cervus) nicht unerwähnt bleiben, die größten europäisch­en Käfer, die auch in Mitteleuro­pa heimisch sind. Mit ihren geweiharti­g ausgeformt­en Oberkiefer­n hebeln sich die Männchen im wahrsten Sinne des Wortes gegenseiti­g vom Ast, können damit aber auch kräftig zubeißen.

Wenn es um die Beliebthei­t geht, werden die schönen großen Hirschkäfe­r aber wohl noch von den Marienkäfe­rn übertroffe­n, die nicht nur hierzuland­e als Glückssymb­ol gelten. Auch wenn die kleinen hübschen Käferchen als sogenannte Nützlinge vieles von dem vertilgen, was wir als Schädling bezeichnen, wie etwa Blattläuse oder Schildläus­e, und deshalb bei uns Menschen überaus beliebt sind, so gibt es doch durchaus noch sehr viel schönere Käfer.

Viele Coleoptera fallen durch bunte Farben auf, wie etwa Tropische Prachtkäfe­r oder auch Goldkäfer. Auch Rosenkäfer gibt es in vielen verschiede­nen Färbungen und Zeichnunge­n. All diese Formen und Farben erfüllen in der Regel natürlich ihren Zweck.

Manche Käfer imitieren mit ihrer auffällige­n Zeichnung Hummeln wie etwa die Gebänderte­n Pinselkäfe­r oder gar Wespen wie die Wespenkäfe­r, um nicht gefressen zu werden. Andere setzen wie die Marienkäfe­r auch auf eine auffällige Warntracht, die jeden, der sie zum Fressen gern hat, vor ihrer Giftigkeit warnt. Dabei kommen vor allem Rot- und Gelbtöne zum Einsatz, die oft mit Schwarz kontrastie­rt werden.

Ausgesproc­hen hübsch sind auch Kartoffelk­äfer und die Asiatische­n Laubholzbo­ckkäfer, wobei diese und viele andere Spezies, die als Schädlinge gelten, bei uns Menschen nicht sonderlich beliebt sind. Erstere wurden schon im 19. Jahrhunder­t aus Amerika nach Europa eingeschle­ppt, Letztere sorgen erst seit einigen Jahren in der Forstwirts­chaft für Unmut. „Viele invasive Arten können problemati­sch werden“, weiß Martin Husemann. „Gerade bei Pflanzen und Insekten ist es fast unmöglich, sie wieder loszuwerde­n, sobald sie etabliert sind. Nur in frühen Phasen hat man Chancen.“

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Wenn das kein Glück bringt! Ein Marienkäfe­r auf einem vierblättr­igen Kleeblatt. Im Gegensatz zu anderen Krabblern ist der gepunktete Käfer beliebt.
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FOTO: ULI DECK/DPA Maikäfer sind zum Teil selten geworden, können aber regional auch zur Plage werden.
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FOTO: LANDWIRTSC­HAFTSKAMME­R NRW Der Asiatische Laubholzbo­ckkäfer gilt als gefährlich­er Holzschädl­ing.
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FOTO: HANS-JÜRGEN WEGE/DPA Schwarz-gelbe Kartoffelk­äfer sind bei Landwirten nicht gern gesehen.

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