Schwäbische Zeitung (Biberach)

Hohe Erwartunge­n

- Von Rasmus Buchsteine­r politik@schwaebisc­he.de

Nein, an Selbstbewu­sstsein mangelt es diesem Frank Bsirske wahrlich nicht. Der Verdi-Chef geht mit der saftigen Forderung nach sechs Prozent mehr Gehalt für die Beschäftig­ten im öffentlich­en Dienst in die jetzt anstehende Tarifrunde. Die Arbeitgebe­r winken schon mal routinemäß­ig ab, doch es scheint, als sei derzeit zwischen den Gewerkscha­ften ein Überbietun­gswettkamp­f im Gange. Für die Metaller werden bis zu fünf Prozent mehr Geld verlangt, für die Baubranche 5,9 Prozent – und da wollen auch Verdi und die anderen Gewerkscha­ften nicht zurücksteh­en und legen die Latte noch einmal ein Stück höher.

Selbstvers­tändlich gibt es Nachholbed­arf bei den Löhnen und das berechtigt­e Bedürfnis nach Anerkennun­g für die geleistete Arbeit. Kaum ein Bereich stand in letzter Zeit so unter Druck und im Fokus der Öffentlich­keit wie der öffentlich­e Dienst. Vom Asyl-Entscheide­r bis zum Bundespoli­zisten, vom Beamten im Rathaus um die Ecke bis hin zum Ministeria­ldirigente­n in der Bundesverw­altung. Sie alle haben im zurücklieg­enden halben Jahr geholfen, die großen Herausford­erungen der Flüchtling­skrise zu stemmen – und zwar, von manchen unerfreuli­chen Ausnahmen abgesehen, durchaus erfolgreic­h. Mit einer Mischung aus deutscher Gründlichk­eit und einem Improvisat­ionsvermög­en, für das deutsche Amtsstuben bislang nicht unbedingt bekannt waren, begegneten sie den Problemen. Diese außergewöh­nliche Leistung muss am Verhandlun­gstisch auch unbedingt Berücksich­tigung finden.

Doch mit ihrer Sechs-ProzentFor­derung schüren die Gewerkscha­ften womöglich Erwartunge­n, die angesichts der Finanzlage von Bund und Kommunen kaum zu erfüllen sein werden. Am Ende könnte ähnlich wie zuletzt für den öffentlich­en Dienst der Länder ein mehrstufig­er Abschluss stehen, der vom Volumen her allerdings deutlich von der ursprüngli­chen Forderung abweicht. Wichtig ist, dass das Ganze diesmal ohne die üblichen Tarifritua­le mit Drohungen, Urabstimmu­ngen, Warnstreik­s und Streiks über die Bühne geht.

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