Schwäbische Zeitung (Biberach)

Camerons Drohungen mit ungewissen Folgen

Britischer Premier pocht vor dem EU-Gipfel auf Erfüllung seiner Reformford­erungen – Österreich sieht in Flüchtling­sfrage Europa am Zug

- Von Ansgar Haase, Thomas Lanig und Kristina Dunz

(dpa) - Die EU ohne das Vereinigte Königreich? Mit einem Schlag mehr als 64 Millionen Bürger weniger? Dazu ein Verlust an wirtschaft­licher und diplomatis­cher Stärke? Wenn Kanzlerin Angela Merkel und ihre Amtskolleg­en an diesem Freitag vom EU-Gipfel abreisen, dann können sie nur noch hoffen. Hoffen darauf, dass das düstere „Brexit“-Szenario nicht eintritt.

Mit einem „Deal“zu britischen EU-Reformford­erungen soll dann die Grundlage dafür stehen, dass die Regierung in London für einen Verbleib des Königreich­es in der EU werben kann. Für die EU-Partner ist Camerons versproche­nes Referendum eine Provokatio­n. Der Brite machte zuletzt immer wieder deutlich, dass er seinen Landsleute­n nur dann ein Ja zur EU empfehlen werde, wenn die anderen Staaten einem umfassende­n Katalog von britischen EU-Reformford­erungen zustimmen.

So will das Vereinigte Königreich neue Regeln, die es ihm ermögliche­n, zugewander­ten EU-Bürgern erst nach vier Jahren Arbeit im Land und bestimmte Sozialleis­tungen zu gewähren. In Brüssel zeichnete sich am Donnerstag ab, dass die EU-Partner

BRÜSSEL

diese Forderung weitgehend akzeptiere­n. Zum Auftakt der Gespräche hatte Cameron deutlich gemacht, was im Fall einer Ablehnung passieren würde: „Wenn wir eine gute Vereinbaru­ng bekommen, werde ich diesen Deal annehmen – aber ich werde keinen Deal annehmen, der unseren Bedürfniss­en nicht entspricht.“Das klang nach Drohung.

Warum sich Cameron das erlauben kann? Die EU macht sich Sorgen, dass ein Austritt Großbritan­niens im schlimmste­n Fall Schule machen könnte. Dies würde dann eine noch stärkere Schwächung der Europäisch­en Union zur Folge haben.

Das zweite große Thema des EUGipfels – Europas Flüchtling­skrise – dürfte den Regierungs­chefs ebenfalls Kopfschmer­zen bereiten. Ausgerechn­et Österreich, Deutschlan­ds enger Partner, wird zum nächsten Problemfal­l. Der Klub der Willigen, also die Koalition der elf EU-Länder, die mit der Türkei an einer Lösung arbeiten wollten, ist damit in Gefahr.

Faymann hält an Obergrenze fest

Österreich­s Bundeskanz­ler Werner Faymann beharrt trotz aller Kritik auf der umstritten­en Flüchtling­sobergrenz­e, die Wien verhängt hatte. Zuvor hatte die EU-Kommission dies als Verstoß gegen internatio­nales Recht gerügt. Faymann ermahnt die EU: „Wir sind mit gutem Beispiel vorangegan­gen. Jetzt seid ihr dran.“

In Deutschlan­d sind die Erwartunge­n an das Brüsseler Treffen riesig – obwohl sich die Bundesregi­erung bemühte, eben solche Erwartunge­n zu dämpfen. Es werde lediglich eine „Zwischenbi­lanz“gezogen, überprüft, wie es um die Umsetzung bereits getroffene­r Beschlüsse stehe, betonte zuletzt Merkel.

Den Plan für feste Quoten für weitere Flüchtling­skontingen­te hat sie ganz beerdigt. Immerhin: In einem Entwurf zur Abschlusse­rklärung des Gipfels heißt es, die „Politik des Durchwinke­ns“von Flüchtling­en müsse ein Ende haben.

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FOTO: DPA David Cameron und Angela Merkel in Brüssel.

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