Schwäbische Zeitung (Biberach)
Beschuldigter
Der lange Schatten der kommunistischen Vergangenheit sorgt in Polen für Aufregung. War ausgerechnet Friedensnobelpreisträger Führer des legendären Streiks der Danziger Arbeiter, Gründer der Gewerkschaft Solidarnosc, als „Agent Bolek“ein Spitzel des kommunistischen Sicherheitsapparates? Das Privatarchiv des einstigen Innenministers General Czeslaw Kiszczak scheint Walesa zu belasten.
Kiszczak ist im vergangenen November gestorben und scheint eine Altersvorsorge der besonderen Art getroffen zu haben. In einem Schrank bewahrte er Aktenpakete auf – Notizen, maschinengeschriebene Seiten, Fotografien. Seiner Frau soll er geraten haben, sich damit im Fall eines finanziellen Engpasses an das Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) zu wenden – jene Behörde, die für die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit zuständig ist. „Mein Mann hat gesagt, man müsse die Dokumente zum Wohle von Walesa, der doch ein Nationalheld ist, schützen“, sagte Maria Kiszczak am Donnerstag.
Lech Walesa
Lech Walesa,
Was Ermittler nun aus dem Schrank zutage förderten, hat Brisanz: „In einer Akte war ein handgeschriebener verschlossener Umschlag vom April 1996 an den Leiter des Zeitgeschichtlichen Archivs“, sagte IPNDirektor Lukasz Kaminski. Der Brief enthalte unter anderem die Verpflichtung Walesas als Geheimdienstmitarbeiter mit dem Decknamen „Bolek“.
Die Beschuldigungen sind nicht neu, seit Jahren gab es Behauptungen, Walesa habe falsche Angaben über seine Vergangenheit gemacht. Der Gewerkschaftsführer und ExPräsident stritt vor Gericht um seinen guten Namen und bekam im Jahr 2000 recht. Die Frage bleibt, warum die Dokumente ausgerechnet jetzt auftauchen. Für die regierenden Nationalkonservativen sind sie höchst willkommen. Eva Krafczyk/dpa