Schwäbische Zeitung (Biberach)

Internet verschärft Rabattschl­acht bei Autohäuser­n

Händler verdienen trotz Abgas-Skandal gut – Deutsche gaben im Schnitt 28 600 Euro für einen Neuwagen aus

- Von Burkhard Fraune

(dpa) - Vom Motor bis zum Sitzbezug – ihr Auto konfigurie­ren viele Kunden im Internet und kaufen auch dort. Die Online-Konkurrenz verschärft den Druck auf die Autohäuser. Käufer dürften davon profitiere­n.

Müssen Kunden im Autohaus bald für die Probefahrt bezahlen? „Das wäre eigentlich richtig“, meint Jürgen Karpinski. Der Autohändle­r aus Frankfurt am Main ist nach Berlin gekommen, um seinem Ärger Luft zu machen. Seinem Ärger über Kunden, die im Internet ihr Auto kaufen – aber vorher bei ihm Probe fahren. „Beratungsd­iebstahl“könne man das nennen.

„Eigentlich“sollten Kunden dafür bezahlen, sagt Karpinski. „Ich glaube nicht, dass sich das durchsetze­n lässt.“Denn das Kfz-Gewerbe in Deutschlan­d steht unter gewaltigem Druck. Die Welt der Autokäufer ändert sich gerade rasant.

28 600 Euro gaben die Deutschen im vergangene­n Jahr durchschni­ttlich für einen Neuwagen aus – so viel wie nie und ein Fünftel mehr als noch vor zehn Jahren. Das Problem: Nur noch etwa jeder dritte Neuwagen geht an Privatkund­en, wie der Zentralver­band Deutsches Kraftfahrz­euggewerbe ermittelt hat, dessen Präsident Karpinski ist.

BERLIN

Rekordjahr bei Gebrauchtw­agen

Den Rest kaufen Großkunden, die für ihre Flotten kräftige Rabatte aushandeln. Oder es sind Händler- und Hersteller­zulassunge­n, die kurze Zeit deutlich billiger als junge Gebrauchte wieder in den Handel kommen. Die Rendite vieler Autohäuser ist bescheiden, denn der deutsche Markt gilt seit Jahren als gesättigt.

7,3 Millionen Gebrauchte wurden 2015 verkauft – so viele wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Das ist der wichtigste Grund für das Umsatzwach­stum auf rund 157 Milliarden Euro. Mit Neuwagen machen die Autohändle­r heute dagegen noch immer weniger Umsatz als zur Jahrtausen­dwende. Und jetzt gibt es auch noch Leute wie Alexander Bugge. Der Kaufmann vermittelt mit seinem Neuwagenpo­rtal meinauto.de Kunden an die Autohäuser – mit dem Verspreche­n, bundesweit große Rabatte für die Kunden rauszuhole­n. Bugge und andere Portale wie autohaus24.de und Carneoo drücken damit ebenso auf die Preise.

Eine gute fünfstelli­ge Zahl an Autoverkäu­fen habe er im vergangene­n Jahr vermittelt, sagt Bugge. Vorwürfe des stationäre­n Handels weist er aber zurück. „Wir schicken niemand in den Handel, um eine Probefahrt zu machen und dann bei uns zu kaufen.“Aber dass Kunden das tun, schließt er nicht aus. „So sind Kunden eben.“

Andere stehen mit dem Angebot aus dem Netz im Autohaus und verlangen dort diesen Preis oder einen bessern. „Der Kunde konfigurie­rt sein Auto nicht nur am Samstagabe­nd in Pantoffeln auf dem Sofa, er weiß auch mehr“, umschreibt ZDKVize Ulrich Fromme die Markttrans­parenz. Er ruft die Autohäuser auf, umzudenken. Kunden online an sich binden und dann offline zu verkau- fen, darin sei man noch nicht gut, bekennt Fromme. Um zwei Arten von Autohändle­rn macht er sich wenig Sorgen: die mit Häusern in kleineren Städten, wo der Verkäufer Hinz und Kunz kennt, und die ganz Großen. Für alles dazwischen werde es schwierig. Früher sei ein Kunde fünf oder sechsmal ins Geschäft gekommen, bevor er sich für ein Auto entschied, heute im Schnitt 1,4-mal. Statt ihr Geld nur in großartige Verkaufsrä­ume zu stecken, in „Steine und Erde“, sollten die Kollegen gemeinsam mit anderen in die digitale Welt investiere­n, rät Fromme. „Denn das ist die Zukunft, Steine und Erde nicht.“

Die Vorteile der festen Autohäuser sieht Online-Vermittler Bugge indes schon. „Ankauf des Gebrauchtw­agens, Finanzieru­ng, bei dem Kaufen, der nachher repariert – die Dinge sind wichtig für Kunden.“Er glaube, dass auch in zehn Jahren noch Autos offline gekauft werden, angebahnt werde das Geschäft aber online. „Es läuft dann nicht mehr wie in den 80er-Jahren.“

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FOTO:DPA 7,3 Millionen Gebrauchtw­agen wurden 2015 verkauft – so viele wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr.

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