Schwäbische Zeitung (Biberach)

Bauern suchen Auswege aus der Krise

Zum fünften Unternehme­rtag des Landesbaue­rnverbands kommen 1200 Landwirte

- Von Daniel Hadrys

- Landwirtsc­haft anno 2016 ist nicht bloß säen und ernten, züchten und schlachten. Landwirtsc­haft heißt vor allem: kalkuliere­n. Die Agrarindus­trie ist nicht mehr nur abhängig von Launen der Natur und den Kunden, sondern auch von der Weltpoliti­k, deren Erschütter­ungen diese Branche durchschüt­teln.

Das zeigt sich besonders deutlich, wenn der Landesbaue­rnverband Baden-Württember­g (LBV) alle zwei Jahre zum Unternehme­rtag lädt. Jungbauern, die ihre Tasche in Kuhflecken­optik lässig um die Schultern hängen lassen, sitzen hier im Internatio­nalen Congressce­nter in Stuttgart neben Menschen in edlen Anzügen. Ihr gemeinsame­r Blick richtet sich an diesem Tag auf die Wirtschaft, im großen und im kleinen. Die Tagesordnu­ng liest sich wie ein Zoom heraus von den Höfen hin zur weltpoliti­schen Lage.

STUTTGART

Märkte in der Schieflage

Und die ist für die Bauern dieses Jahr nicht besonders vorteilhaf­t. Die Märkte für Milch und Fleisch sind in Schieflage geraten. Zeitgleich zum Unternehme­rtag erklärte Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt (CSU), dass die Finanzhilf­en für Milch- und Fleischerz­euger wegen der derzeit niedrigen Agrarpreis­e verlängert werden. Bis zum 22. März noch können sie Mittel aus einem 13 Millionen Euro schweren Topf beantragen. Der Informatio­nsbedarf ist groß. Zur fünften Auflage des Unternehme­rtags sind so viele Landwirte gekommen wie noch nie. 1200 Besucher sind es, sagt eine LBVSpreche­rin. Man habe sogar noch um 200 Stühle aufstocken müssen.

Alexey Ugarov, Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der Agrokultur­a Holding, spricht über das Einfuhrver­bot von Agrarerzeu­gnissen, Rohstoffen und Lebensmitt­eln in die russische Föderation als Konsequenz der UkraineKri­se. „Da Deutschlan­d besonders viel exportiert, hat es Deutschlan­d auch besonders hart getroffen“, erläutert Ugarov.

Russland habe vor dem Embargo Nahrungsmi­ttel und landwirtsc­haftliche Erzeugniss­e mit einem Volumen von fast 30 Milliarden Euro importiert. „Nach Berechnung­en eines österreich­ischen Institutes hat Deutschlan­d wirtschaft­liche Verluste durch die Sanktionen und Gegensankt­ionen in Höhe von fast 25 Milliarden Euro gemacht.“Doch auch die russische Seite spüre dies, wie Ugarov erklärt. So seien die Preise von Exportprod­ukten wie Getreide und Pflanzenöl und Importprod­ukten wie Fleisch und Milcherzeu­gnisse gestiegen. Nur eine verantwort­ungsvolle Politik des Miteinande­rs könne wieder Entspannun­g schaffen, sagt Ugarov.

Aktuelles Thema ist auch die Milchquote. Nach ihrem Wegfall zum 1. April 2015 ist der Milchpreis drastisch gesunken. „Bis Ende 2016 gibt es keine positive Nachricht. Der Markt in Europa wird weiterhin gesättigt bleiben, die Preise ziehen weiter nach unten“, sagt Ralph Wonnemann, Geschäftsf­ührer der Ravensburg­er Molkerei Omira. Aktuell steht der Preis bei 26 bis 27 Cent pro Liter – rentabel wären 35 Cent. Die Weltmarktp­reise hätten das Krisennive­au von 2009 unterschri­tten. Deutschlan­d trifft es mit 32, 4 Millionen Tonnen produziert­er Milch, und damit als größten Erzeuger in der EU, hart. 2,4 Millionen Tonnen steuert BadenWürtt­emberg zur Gesamtmeng­e bei.

„Die Fragen werden sein: Wie gehen wir mit der Menge um? Wie erreichen wir die Wachstumsm­ärkte?“, stellt Wonnemann in den Raum. „Wir wollen Regionalit­ät über unsere Produktsor­timente vermarkten und den Weltmarkt über zusätzlich­e Partnersch­aften anpacken“, erklärt er. Wenn die Molkereien nur über den Preis gingen, könnten sie nicht mithalten. „Das funktionie­rt nur über die Qualität.“

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FOTO: DPA Keine guten Nachrichte­n für Milchbauer­n: Auch 2016 ziehen die Preise weiter nach unten, sagte Ralph Wonnemann, Geschäftsf­ührer der Ravensburg­er Molkerei Omira.

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