Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die Mischung macht’s
13. Art Karlsruhe erneut im Spannungsfeld zwischen Klassikern und Zeitgenossen
- Unter dem Motto „Mensch, Markt, Kunst“präsentiert die Art Karlsruhe in diesem Jahr 211 Galeristen aus 13 Ländern. Darunter sind viele bekannte Aussteller – auch aus unserer Region – sowie einige Neuzugänge. Zu sehen gibt es vor allem Malerei, Skulptur, Zeichnung und Fotografie, während der Video-Hype vorbei zu sein scheint. Stilistisch ist die Bandbreite groß. Sie reicht vom Expressionismus bis zur Gegenwartskunst, vom Gegenständlichen bis zum Konkreten.
Woran erkennt man, wie lange ein Besucher bereits durch die Hallen in Karlsruhe geschlendert ist? An seinen Schuhen. Denn je länger ein Kunstfreund auf der Messe unterwegs ist, umso weißer sind seine Absätze. Irgendein Bestandteil scheint sich durch den Abrieb beim Laufen aus dem Teppich zu lösen. Auf jeden Fall sorgt dieses Phänomen für Schmunzeln und Gesprächsstoff – und eh man sich versieht, ist man mit wildfremden Menschen in Kontakt.
Das wiederum passt zum Profil der Messe, die auf Dialog zwischen Künstlern, Kunsthändlern, Sammlern und Kunstinteressierten setzt. Angelegt sind die vier Hallen wieder wie eine Stadt. „Im Zentrum stehen die großen Boulevards mit den etablierten Schwergewichten, während sich drum herum die avantgardistischen Boutiquen angesiedelt haben“, erklärt Messegründer und Galerist Ewald Schrade aus Mochental bei Ehingen. Neu ist ein Farbleitplan, der den Besuchern die Orientierung erleichtern soll.
Schwerpunkt in Halle 1 ist die Fotografie. In Halle 2 und 3 schließt sich eine Mischung aus Gegenwartskunst und Klassischer Moderne an. In Halle 4 folgen dann vor allem die jungen, wilden Positionen der Nachwuchskünstler. Und zwischendrin gibt es zwei museale Aspekte zu entdecken: Fotografien von Ernst Ludwig Kirchner aus dem gleichnamigen Museum in Davos sowie Werke des unbekannten Schweizers André Evard aus der
KARLSRUHE
Sammlung Messmer am Kaiserstuhl. „Damit wollen wir ganz bewusst das private Engagement im Kunstbereich würdigen“, sagt Schrade.
Was die Art Karlsruhe von anderen unterscheidet, sind die von Tageslicht durchfluteten Hallen, die angenehm lockere Gruppierung der Kojen und besonders ihre Skulpturenplätze. 19 sind es diesmal. Allerdings fällt ihre Inszenierung enttäuschend aus. Statt ausdrucksstarker Werke im raumfüllenden Format ist oft ein Sammelsurium zu sehen. „Die Skulpturenplätze sind beliebiger geworden, es fehlt die Konsequenz“, sagt Bildhauer Jürgen Knubben aus Rottweil, der selber schon so ein Feld auf der Messe bespielt hat. Ähnlich sieht das auch sein Kollege Frank Teufel aus Tuttlingen, der in Halle 3 (Stand K29) mit Objekten zum Thema Mensch vertreten ist. „Viele Plätze wirken überladen, dabei weiß man doch: Weniger ist mehr“, so Teufel.
Skulpturenplätze als Blickfang
Gelungen ist immerhin die Installation mit wuchtigen Stahlplatten, Kuben und Gittern von Madeleine Dietz bei Nothelfer und Hollinger aus Berlin. Ein Blickfang im Gewusel ist ebenso die „Cupola“von Jens J. Meyer bei Van der Koelen aus Mainz – ein begehbares Objekt aus weißen Tüchern und Tauen, das sich über den ganzen Platz spannt. Der Preis für den schönsten Skulpturenplatz gebührt jedoch einem Aussteller aus dem Kreis Sigmaringen: Wohlhüter aus Leibertingen-Thalheim. Mit viel Gespür für den Raum hat das Galeristenehepaar in Halle 2 auf 100 Quadratmetern mehrere riesige Objekte von Riccardo Cordero locker verteilt. Das Motiv des Italieners ist die plastische Linie aus Stahl, die sich mal poliert, mal matt, mal rostig zu knäuelartigen Formen verbindet.
Auch ihren Stand haben Gerlinde und Werner Wohlhüter stimmig konzipiert. In der Außenansicht dominieren Schwarz, Weiß und Grau. Erst innen wird es dann bunt. Zu sehen sind hochkarätige Arbeiten von überregionalen und regionalen Künst- lern: von Felix Droese über Werner Schmidt und Josef Bücheler bis zu Rudolf Wachter. Entsprechend sind die Preise. Eine Wachter-Skulptur etwa liegt bei 54 000 Euro. „Für uns ist Karlsruhe eine ideale Plattform, um Dreidimensionales zu präsentieren. So etwas leistet sich sonst keine Messe“, meint Gerlinde Wohlhüter.
Direkt gegenüber findet sich Steigenberger aus Weikersheim, die seit geraumer Zeit in Langenargen am Bodensee eine Zweigstelle führen. Erwähnenswert sind hier die Bilder von Sonja Weber aus München. In ihren Wasserlandschaften setzt die Textildesignerin fotografische Vorlagen in Gewebtes um. Aus der Ferne wirken sie wie Malereien. Galerist Gert Steigenberger ist begeistert über die „hohe Qualität“auf der Messe. Auch wenn ihm manche Stände zu überladen sind.
Man zeigt eben, was man hat. Das gilt etwa für Schloss Mochental. Ewald Schrade präsentiert einen Querschnitt durch sein Programm, wobei der Fokus auf Malerei liegt. Gleich am Eingang sind zum Beispiel zwei wandfüllende Bilder von Walter Stöhrer à 90 000 Euro zu sehen. Die Galerie Zaiß aus Aalen setzt auch auf eine bunte Mischung. „Nirgendwo erreicht man so viele Leute in kurzer Zeit wie auf einer Messe“, sagt Werner Zaiß. „Deshalb ist es wichtig, möglichst viel zu bieten.“
An Künstlern aus Oberschwaben, Alb und Bodensee sticht vor allem ei- ner hervor: Willi Siber aus Dietenwengen bei Biberach. Vier Galerien vertreten den Bildhauer auf der Messe mit neuen Arbeiten. Die geknickten Stahlrohre und Schichtholztropfen kennt man ja bereits, brandneu sind dafür rechteckige Wandobjekte mit glasierten Farbflächen, die von Mustern durchzogen werden.
Hier beweist Siber wieder einmal, dass er ein großer Farbästhet ist und so beim Betrachter mehrere Sinne gleichzeitig anspricht – Sehen, Fühlen, Schmecken. Erinnern doch Farben wie Himbeerrosa an cremiges Fruchteis. Die Preise für seine Werke liegen je nach Größe zwischen 240 und 20 000 Euro. Willi Siber ist in puncto Messen ein alter Hase. „Hier kann ich mir schnell einen Überblick darüber verschaffen, was die Konkurrenz so macht“, sagt er. In Karlsruhe schätzt der Künstler „die menschliche Atmosphäre“.
Knallbuntes in so mancher Koje
Für Malerin Isa Dahl aus Stuttgart, geboren in Ravensburg, ist die Messe in erster Linie eine Kontaktbörse – „um Sammler und Galeristen kennenzulernen“. In der Südwestgalerie aus Hüttlingen-Niederalfingen bei Aalen ist sie mit einer One-ManShow vertreten. Zu sehen ist eine Bilderserie in Schlaufentechnik. Die zarten, abstrahierten Landschaften sind von großer Tiefe. 6000 Euro verlangt die Galerie pro Bild.
Solche sanften Naturtöne sind auf der Messe aber eher die Ausnahme. Entweder dominieren Schwarz und Weiß oder es wird gleich richtig knallig. Zeitgenössisches aus China bei Bischoff aus Zell sorgt erstmals sogar für einen sozialkritischen Aspekt. Ansonsten wird es manchmal auch sehr beliebig. Der letzte Schrei ist das „Art House“des Briten Paul Critchley am Stand der Another Art Gallery in Halle 4. In der begehbaren Installation kann man durch eine Wohnung flanieren und findet typische Möbelstücke, doch nicht als reale Objekte, sondern als Malerei. Nach all der Flut an Bildern und Skulpturen weiß der Besucher daheim ein echtes Sofa erst recht zu schätzen.