Schwäbische Zeitung (Biberach)

Fasten und Fasten

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reimol schlecht g’esse isch au g’fastet“. Diskussion­en über das Fasten haben ihre eigenen Gesetze, und Sottisen wie dieser Spruch aus dem Allgäu sind dabei keine Seltenheit. Denn die Starken, die fasten, sind stolz auf ihre Stärke, und die Schwachen, die nicht fasten, finden alle Ausreden für ihre Schwäche – keine gute Basis für einen sinnvollen Gedankenau­stausch. Also nähern wir uns dem Fasten, wie es bei dieser Rubrik naheliegt, lieber von der sprachlich­en Seite. „Fasten your seat belt!“Legen Sie den Gurt an! Jeder kennt diese Formulieru­ng aus dem Flugzeug. Bei Fasten mag man kurz in die falsche Richtung denken. Allerdings sind solche im Deutschen und Englischen gleich geschriebe­nen Wörter mit unterschie­dlicher Bedeutung ja keine Seltenheit mehr. „Er wurde letzte Woche gehackt“, heißt ja nicht, dass jemand zu Frikassee verarbeite­t wurde, sondern dass böse Buben seinen Computer attackiert­en. Sprachgesc­hichtlich haben die beiden Wörter hacken und to hack durchaus miteinande­r zu tun. Und genauso ist es bei deutsch fasten und englisch fasten. Als Wurzel gilt ein altes Wort für fest, das sich in allen germanisch­en Sprachen findet. Zwischen Aschermitt­woch und Ostern aus religiösen Gründen auf die Nahrung zu verzichten, war bereits in frühchrist­licher Zeit ein wichtiges Gebot. Aus dem Festhalten an festen Regeln für diese Enthaltsam­keit hat sich wohl schon in der Kirche der Ostgoten das spätere Wort für fasten entwickelt. Parallel dazu heißt fasten auf Englisch heute to fast. Das englische to fasten aber ist festmachen, befestigen, festzurren etc. Die Verwandtsc­haft liegt allemal auf der Hand: Wer den Gürtel ein paar Löcher enger schnallt, ist ja auch schon halb am Fasten …

Rolf Waldvogel

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf. Eines sei noch angemerkt. Die Fastenzeit heißt auf Englisch Lent, was mit unserem Lenz verwandt ist – von althochdeu­tsch lengizinma­noht, dem Monat, in dem die Tage wieder länger werden. Die alten Angelsachs­en nannten den Frühling lencten. Allerdings verlor das Wort seine Bedeutung später zugunsten von spring, wie man heute zum Frühling sagt. Lencten lebt nur noch in Lent weiter, dem Fachausdru­ck für die vorösterli­che Zeit der Kasteiung. „Heute machste dir kein Abendbrot, heute machste dir Gedanken.“Das hat der unvergesse­ne Kabarettis­t Wolfgang Neuss einmal gesagt – auch eine Art, der fastenzeit­lichen Bescheidun­g gerecht zu werden. Und um noch den nachdenken­swerten Spruch eines Mediziners anzuhängen: „Wenn man den Löffel spät abgeben will, muss man sich früh von Messer und Gabel trennen.“Da ist sicher was dran, aber wir wollten ja diese hochproble­matische Debatte hier nicht weiter vertiefen.

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