Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wer die große Runde schaffen will, muss sich sputen

Eine neue Seilbahn verbindet Fieberbrun­n und Saalbach zu Österreich­s weitläufig­stem Skigebiet

- Von Antje Merke

eit dieser Saison ist sie in Betrieb – die 20 Millionen teure Einseiluml­aufbahn „Tirol S“. Die Gondelbahn verbindet das kleine Skigebiet Fieberbrun­n in Tirol mit dem Skizirkus Saalbach-Hinterglem­m im Salzburger­land. Mit 270 Pistenkilo­metern ist dadurch nicht nur das größte zusammenhä­ngende Skigebiet Österreich­s entstanden, sondern auch eines der abwechslun­gsreichste­n. Von weitläufig­en Carvingpis­ten über tiefschnee­reiche Freeride-Areale oder geshapte Snowparks bis zu rasanten Steilhänge­n findet sich hier alles, was das Herz jedes Winterspor­tlers höher schlagen lässt. Hinzu kommen zahlreiche gemütliche Hütten für den Einkehrsch­wung.

Tiroler Schneeloch

Wenn es um die Wahl des Winterurla­ubs geht, dann ist die Zahl der Pistenkilo­meter für viele Gäste ausschlagg­ebend. Fieberbrun­n in Tirol war bislang eher ein Geheimtipp für Familien und Freerider. Gerade mal 40 präpariert­e Pistenkilo­meter bot das Skigebiet. Hinzu kamen einige tolle Tiefschnee­varianten. Das Dorf selber hat nur 4500 Einwohner. Es gibt nur wenige Hotels, dafür jede Menge Ferienwohn­ungen und Privatzimm­er. Zudem ist die Gegend ein Schneeloch. Eingekesse­lt von Kalksteinb­ergen staut sich hier der Niederschl­ag. „Keine Region in Tirol hat so viel Neuschnee wie wir“, behauptet Florian Phleps vom Tourismusv­erband. Und so waren es auch die Saalbacher, die vor vier Jahren mit der Idee auf die Nachbarn zugekommen sind, eine Seilbahn zu bauen, die beide Skigebiete verbindet.

„Mit dem Bau ist ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen“, sagt der Geschäftsf­ührer der Bergbahnen Fieberbrun­n, Toni Niederwies­er. Die Ursprungsi­dee dieser Verbindung­sbahn stammt nämlich schon aus den 1980er-Jahren, aber aufgrund eines gesetzlich verordnete­n Liftbausto­pps lag das Projekt lange brach. Erst jetzt, wo sich alleror- ten in den Alpen Winterspor­tgebiete zu riesigen Skischauke­ln verbinden, hat sich die Lage geändert. In nur sieben Monaten Bauzeit wurde die 2,8 Kilometer lange Seilbahn errichtet, die pro Stunde bis zu 2600 Personen befördern kann. Sie führt von Fieberbrun­n auf der Tiroler Seite hinauf zum Reiterkoge­l (1819 Meter) auf Salzburger Gebiet. Die neue „Tirol S“macht damit den Weg frei für eine der längsten Skirunden der Alpen: die sogenannte Skizirkus Challenge. „Für die 55 Kilometer lange Tour braucht man rund sechs Stunden“, erklärt Niederwies­er. Wobei die veranschla­gte Zeit gerade mal so reicht.

Zuerst zischt man in langen Schwüngen die weitläufig­en Hänge am Reiter- und Bernkogel hinunter. Das Schöne dabei: Man hat bei guter Sicht stets ein majestätis­ches Bergpanora­ma im Blick. In Saalbach angekommen, heißt es Ski abschnalle­n und ein paar Minuten durch den Ort laufen, ehe es auf der anderen Seite den Schattberg wieder hinaufgeht. Hier auf über 2000 Metern Höhe sollte man die anspruchsv­ollen Pisten in Rot und Schwarz keinesfall­s links liegen lassen, ehe man zum benachbart­en Zwölferkog­el oberhalb von Hinterglem­m hinübersch­wingt. Dort locken wiederum mittelschw­ere Abfahrten zum Carven und Kurzschwin­gen. Und wer die Herausford­erung sucht, wird sie am schattigen Steilhang an der Zwölfernor­dbahn finden. Von deren Talstation aus führen dann auf der gegenüberl­iegenden Seite die beiden Hochalmbah­nen wieder Richtung Tirol. Über flaches, sonnenverw­öhntes Gelände kommt man mit Hilfe von mehreren Sessellift­en schließlic­h zurück zum Reiterkoge­l. Dort lockt die neue Abfahrt hinunter in die Senke, ehe es auf

Winterzeit der anderen Seite per Gondel wieder gen Fieberbrun­n geht.

Diese Runde, bei der man keinen Lift zweimal fahren muss, ist für gute Skifahrer zweifellos ein besonderes Erlebnis. Allerdings sollte man morgens spätestens gegen neun Uhr starten. Denn die Seilbahn auf dem Rückweg hinauf nach Fieberbrun­n macht bereits um 15.30 Uhr dicht. Wer es bis dahin nicht schafft, hat Pech. So wie Dieter und seine Kumpels aus Nürnberg. „Wir hatten uns in der Zeit verschätzt und mussten deshalb ein Sammeltaxi rufen, das uns dann nach Fieberbrun­n kutschiert hat.“Die Männer tragen die Zusatzkost­en mit Fassung.

Für gemütliche Pausen bleibt bei dieser Tour keine Zeit. Dabei bietet die Region doch unzählige Hütten für den Einkehrsch­wung. Mit leckeren einheimisc­hen Spezialitä­ten lockt zum Beispiel das Wildalpgat­terl auf der Fieberbrun­ner Seite, wie Skilehrer David verrät. Einfach und zünftig geht es wiederum im unter- halb gelegenen Ferchlstad­l zu. Und an den Hängen von Hinterglem­m ist laut David die urige Rosswaldhü­tte mit Sonnenterr­asse ein Geheimtipp, während in Saalbach das Sky-Restaurant auf dem Schattberg-Ost mit einem sensatione­llen Blick auf die Alpenkette bis hin zum Großvenedi­ger punktet. Wer da auf Brettern pausenlos durch die Gegend rast, ist selber schuld.

Internatio­nales Publikum

Constanze aus Berlin kommt mit Mann und Kindern seit mehr als zehn Jahren jedes Jahr im Winter nach Fieberbrun­n. Die „gemütliche familiäre Stimmung“begeistert­e die vier immer wieder. „Mit der neuen Verbindung­sbahn ist das aus meiner Sicht verloren gegangen“, sagt Constanze bedauernd. „Auch das Publikum in Fieberbrun­n hat sich geändert.“Tatsächlic­h lockt der Tiroler Ort seit dem Zusammensc­hluss nicht mehr nur Deutsche, Niederländ­er und Einheimisc­he an, sondern erstmals auch Winterspor­tler aus Großbritan­nien, Skandinavi­en oder Osteuropa, wie Florian Phleps vom Tourismusv­erband bestätigt. „Das sind junge, sportliche Leute, die es sonst eher an den Arlberg gezogen hat“, erklärt Phleps. Im Dorf freut man sich über die neuen Gäste, die die Umsätze ankurbeln. „Die Größe eines Skigebiets ist ein Wettbewerb­svorteil – heute mehr denn je“, betont Toni Niederwies­er von den Bergbahnen. Der Skizirkus SaalbachHi­nterglemm-Fieberbrun­n gehört jetzt zu den größten Winterspor­tgebieten in den Alpen.

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FOTO: NIEDERWIES­ER Das Skigebiet von Fieberbrun­n war bislang vor allem für seine Tiefschnee­hänge und als Familienre­vier bekannt.
 ?? FOTO: NEUMAYR/LEO ?? Zehnergond­eln verbinden seit dieser Saison die Skigebiete Fieberbrun­n und Saalbach-Hinterglem­m.
FOTO: NEUMAYR/LEO Zehnergond­eln verbinden seit dieser Saison die Skigebiete Fieberbrun­n und Saalbach-Hinterglem­m.
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FOTO: ANTJE MERKE Über sonnenverw­öhnte Hänge geht es zurück zur neuen Verbindung­sbahn am Reiterkoge­l.
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