Schwäbische Zeitung (Biberach)
Teetrinken und Wattwandern
Im Winter herrscht auf Föhr Ruhe – in den Orten und am Strand
stachelige Tier behutsam auf die Hand setzt.
Das Fressen in der freien Natur, also draußen im Wattenmeer, ist eine zeit- und kraftraubende Angelegenheit für einen Seestern: „Wenn er eine Muschel fressen will, dockt er mit seinen Saugnäpfen an die Schale an und zieht so lange, bis die Muschel sich nicht mehr wehren kann“, sagt Stubenrauch. Dann stülpt der Stern seinen Magen nach außen, um das Fleisch herum, und genießt. Emily schaut ungläubig. „Das kann ein paar Stunden dauern“, schiebt Stubenrauch hinterher.
Unterwegs trotz Kälte
Einen Seestern in freier Natur zu sehen, ist unwahrscheinlich zu dieser Zeit. Es ist Winter auf Föhr. Da kann man zwar ins Watt gehen, aber das Leben in Sand und Schlick ist deutlich langsamer als bei warmen Temperaturen. Bei Nieblum im Süden der Insel etwa ist der Strand leer. Ab und zu fliegen ein paar Austernfischer vorbei und picken im Meeresboden, wo sich Ebbe und Flut alle sechs Stunden abwechseln. Das eine oder andere Wattwurm-Häufchen ist auch zu sehen. Aber sonst herrscht Ruhe im Watt.
Obwohl die Wintersonne scheint, braucht man am Strand dicke Kleidung, am besten in mehreren Schichten. Denn der stramme Nordseewind weht – wenn auch nicht so stark wie über Amrum und Sylt, den vorgelagerten Inseln im Wattenmeer. Sie schützen Föhr, das am nächsten zum nordfriesischen Festland liegt. Doch nicht nur den großen und kleinen Menschen am Strand ist kalt, auch für das viele Leben im Unesco-Weltnaturerbe ist der Winter nicht die beste Jahreszeit. „Die wechselwarmen Lebewesen haben mit der Kälte zu kämpfen“, erklärt Stubenrauch.
Dennoch steht er nun mit Forke und Gummistiefeln im Watt. Aber er buddelt nicht so viel wie bei einer Wattwanderung im Sommer. „Wenn wir im Sommer eine Muschel zeigen und sie wieder zurück auf den Sand legen, gräbt sie sich sofort wieder ein.“Im Winter ist das Wasser kalt, der Untergrund kann sogar angefroren sein: „Da kann es stundenlang dauern, bis sie wieder in einer komfortablen Situation angekommen ist“, so der Biologe.
Dennoch geht er auch im Winter raus, am liebsten in Nieblum. „Das ist das schönste Stück Watt, das wir haben“, sagt er. Auch das Dorf lässt sich sehen: wegen seiner vielen Reetdächer und der schmucken Häuser, die die paar Straßen säumen. Von den vielen Ferienangeboten in Nieblum allerdings, die im Sommer vom Kerzenziehen bis zum Bonbonmachen reichen, gibt es jetzt kaum welche. Die meisten Betriebe haben Ferien.
Über den Jahreswechsel aber sei die Insel immer voll, sagt Tourismuschef Jochen Gemeinhardt. „Da treffen sich viele Familien hier auf der Insel, genießen das Reizklima – und viel Tee.“Den braucht es immer wieder, um von innen warm zu werden. Wahlweise bietet auch Aquaföhr – Schwimmbad, Kur- und Thalassozentrum in einem – eine ganze Fülle von Angeboten, um Urlauber zu wärmen. Mit Zutaten, die von der Insel stammen: Schlick, Algen, Salzwasser – und heiße Muscheln für Massagen.
Störche in Wyk
Danach heißt es: dick einpacken und raus zum Inselerkunden. Da wären etwa die alten Kirchen mit ihren Friedhöfen, die von der langen Geschichte der Walfänger und Kapitäne auf der Insel erzählen, oder das Friesenmuseum in Wyk. Apropos Wyk: Wem beim Spaziergang durch das Seebad immer wieder ein Klappern im Ohr klingt, ist in der Nähe der Vil- la Friede unterwegs. Das Jugendstilhaus, Anfang des 20. Jahrhunderts vom Dichterehepaar Lisa und Richard Friede erbaut, war einst ein Mädchenpensionat, nun ist es eine Pension mit besonderem Ausblick: Zahlreiche Störche haben sich in der Nähe angesiedelt. Dort klappern sie mit den Schnäbeln und fliegen in regelmäßigen Abständen Richtung Nordsee, um sich einen Happen zu fangen. Hoffentlich sitzen die Wattwürmer dann tief genug im Schlick.