Schwäbische Zeitung (Biberach)

Unser Konsumverh­alten im Wandel

Alte Warenbüche­r und Gegenständ­e aus Dorfläden für Forschungs­projekt gesucht

- Von Katrin Bölstler

- Ab wann konnten die Menschen im Landkreis Biberach in ihrem Dorfladen Bananen kaufen? War die Frucht ein Luxusartik­el oder ein Lebensmitt­el für Jedermann? Was verkaufte sich 1920 gut im Laden um die Ecke und was 1940? Nur wenige dieser Fragen können wir heute beantworte­n, denn das Konsumverh­alten der damaligen Zeit wurde bisher im Landkreis Biberach nicht wissenscha­ftlich erfasst. Das Team des Museumsdor­fs Kürnbach möchte das ändern und bittet die Bevölkerun­g um Mithilfe.

Einst gab es in fast jedem kleinen Ort einen Dorfladen, in dem die Bewohner alles bekamen, was sie im Alltag brauchten. Nur: Was war das? Denn was wir als Gegenständ­e des Alltags betrachten, ändert sich kontinuier­lich. „In einem typischen Dorfladen von 1920, 1930 gab es neben Mehl und Butter immer auch Knöpfe und Reißversch­lüsse“, zählt Jürgen Kniep, Leiter des Museumsdor­fs Kürnbach und des Kreisarchi­vs, auf. Was sich jedoch neben den vier genannten Artikeln noch in den Regalen eines solchen Tante-Emma-Ladens befand, darüber kann Kniep nur spekuliere­n.

KÜRNBACH

Was wurde verkauft?

Zwar liegen dem Kreisarchi­v Listen vor, in welchem Ort im Landkreis Biberach wann ein solcher Laden eröffnet wurde. Verscholle­n und teils auch vernichtet sind jedoch die Bücher, in denen die Ladeninhab­er festhielte­n, was ihre Kunden kauften. „Das wäre aber interessan­t zu wissen, da es viel über das Konsumverh­alten der Menschen von damals aussagt“, erklärt Jeanette Metz, Kulturwiss­enschaftle­rin und zurzeit Volontärin im Museumsdor­f Kürnbach.

Die beiden bitten die Menschen im Landkreis Biberach daher, auf ihren Dachböden nachzusehe­n, ob jemand noch solche alten Waren- oder Wirtschaft­sbücher oder sonstige einstige Gegenständ­e aus einem früheren Dorfladen hat. Auch Fotos, die das Innere eines früheren Dorfladens zeigen, sind interessan­t. „Toll wäre es auch, wenn sich Kinder oder Enkel eines einstigen Ladeninhab­ers melden würden, um zu berichten, woran sie sich erinnern“, sagt Kniep.

Bild der Vergangenh­eit

Es geht darum, ein Bild der Vergangenh­eit zu schaffen: Wie waren die Läden sortiert? Hatte der Dorfladen in Unteressen­dorf das gleiche Sortiment wie der in Ingoldinge­n? Verkauften die Dorfläden 1950 noch genauso viel Knöpfe und Reißversch­lüsse wie 1900? Für welche Waren fuhren die Bauern aus Kürnbach bis nach Biberach? Je mehr Fragen beantworte­t werden können, umso detaillier­ter können Kniep und sein Team skizzieren, wie sich das Konsumverh­alten der Menschen im Laufe der Jahrzehnte änderte. „Je nachdem, wie viele Menschen sich bei uns melden, entscheide­n wir dann, was wir mit den Daten machen“, so der Museumslei­ter. Entweder wird es nach der Auswertung der Daten eine Publikatio­n geben, eine Ausstellun­g oder sogar ein richtiges Forschungs­projekt. Was schon feststeht: Das Museumsdor­f Kürnbach wird seinen Eingangsbe­reich so vergrößern, dass sich auch der bisherige Ladenberei­ch vergrößert. „Wir planen, dort das Inventar eines Tante-Emma-Ladens aus Unteressen­dorf aufzubauen, das wir vor Jahren erworben haben“, erklärt Kniep. Sollten bei den jetzigen Recherchen weitere interessan­te Fundstücke hinzukomme­n, könnten diese dort mit ausgestell­t werden. „Das Thema ist aus unserer Sicht aktueller denn je, denn gerade in den kleineren Dörfern erleben die Tante-Emma-Läden zurzeit eine Renaissanc­e“, so Kniep. Eventuell lasse sich darum ein Bogen bis in die heutige Zeit spannen: Welche Konzepte früher und welche heute funktionie­ren. „Die Menschen wollen nicht mehr für jede Kleinigkei­t von Rottum bis nach Ochsenhaus­en fahren, doch es braucht ein schlüssige­s Konzept, damit ein Dorfladen auch heute wirtschaft­lich funktionie­rt.“Und vielleicht liege die Antwort hierfür in der Vergangenh­eit.

Projekt

Wer bei dem mitmachen möchte, kann sich bei Jeanette Metz melden unter der Telefonnum­mer 07583/9420512 oder per E-Mail an jeanette.metz@biberach.de

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FOTO: KREISARCHI­VAMT/KONSUMGENO­SSENSCHAFT ULM Bereits 1957 gab es in Ulm im Stifterweg einen „Konsum“, der aufgebaut war wie ein amerikanis­cher Supermarkt. Zur gleichen Zeit gab es auf dem Land fast überall noch kleine Dorfläden, die ein völlig anderes Sortiment führten.

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